Small Slow But Steady
© 2022 „Keiko me wo sumasete“ Production Committee & Comme des Cinemas

Small, Slow but Steady

Inhalt / Kritik

Von Geburt an kann Keiko Ogawa (Yukino Kishii) nicht hören. Doch davon wollte sie sich nie unterbringen lassen. Wenn sie nicht gerade im Hotel arbeitet und dort Zimmer aufräumt, ist sie deshalb in ihrem Sportclub anzutreffen: Boxen ist ihre ganze Leidenschaft. Darin zeigt sie sogar richtig Talent, sie hat bereits zwei Profikämpfe gewonnen. Das ist auch ein Verdienst von Katsumi Sasaki (Tomokazu Miura), dem Besitzer und Leiter des Clubs. Denn der hat sie von Anfang an tatkräftig unterstützt. Dabei ist sein eigenes Leben selbst nicht so toll: Ihm laufen die Mitglieder davon, weshalb es nur eine Frage der Zeit ist, bis er alles schließen muss. Und auch gesundheitlich geht es ihm nicht so besonders …

Die Geschichte eines beeindruckenden Kampfes

Der Sportfilm ist wie kaum ein anderes Genre dazu geeignet, aufbauende Geschichten zu erzählen. Immer wieder lernen wir dort Menschen kennen, denen man aus welchen Gründen auch immer nichts zutraut und die dann über sich hinauswachsen, um es allen zu zeigen. Das kann mal auf eine humorvolle Weise geschehen wie bei Cool Runnings oder Die Indianer von Cleveland. Oder man macht es ganz dramatisch, wie seinerzeit bei Rocky. Letzteres bietet sich dann zwangsläufig als Vergleich an beim Anschauen von Small, Slow but Steady. Nicht nur, dass es in beiden Filmen ums Boxen geht. In beiden steht ein Niemand im Mittelpunkt, der gegen lauter Hindernisse ankämpfen muss. Wo es beim italienischen Hengst vor allem die ärmliche Herkunft ist, der er nicht entkommen kann, da ist es bei Keiko die Taubheit.

Für den Sport selbst ist diese Beeinträchtigung weniger gravierend. Beim Boxen braucht es normalerweise keine akustischen Signale, man kann auch ohne kämpfen, wie die Erfolge von Keiko demonstrieren. Schwierig ist es jedoch, wenn bei einem Wettkampf die boxende Person weder Anweisungen der Trainer noch die Glocke hören kann. Entsprechend irritiert zeigt sich eine andere Clubleiterin an einer Stelle von Small, Slow but Steady, als sie sich mit der jungen Frau befasst und danach fragt. Schließlich sind taktische Hinweise oder auch Aufmunterungen ein bedeutender Teil eines professionellen Kampfes. Zum Teil fängt Keikos Team das auf, indem es ihr Handzeichen gibt. Aber es bleibt ein Handicap, wie sie selbst zugeben, weswegen die bisherigen Siege umso beeindruckender sind.

Mehr Porträt als Sport

Regisseur und Co-Autor Shô Miyake (And Your Bird Can Sing, Ju-on: Origins) interessiert sich aber weniger für diese technischen Aspekte des Boxens. Eigentlich interessiert ihn nicht einmal das Boxen an sich. Wer sich Small, Slow but Steady anschaut, um bei möglichst vielen Kämpfen dabei zu sein, der wird enttäuscht. Dann und wann sehen wir Keiko zwar im Einsatz, sowohl im Ring wie auch im Training. Aber das ist ein Nebenschauplatz. Sehr viel mehr im Fokus steht die junge Frau an sich. Das Drama, welches auf der Berlinale 2022 Weltpremiere feierte, ist in erster Linie als Porträt der Protagonistin angelegt. Der Rest der Welt verschwindet meistens. Lediglich der Vereinschef, der für sie wie eine Vaterfigur ist, hat noch eine eigene Geschichte.

Der Film ist daher deutlich spröder, als man es von einem Sportfilm gewohnt ist. Miyake wählt einen stärker dokumentarischen Zugang zum Thema, verzichtet völlig auf Musik, welche in solchen Geschichten meist als Mittel der Dramatik eingesetzt wird. Überhaupt sind dramatische Szenen rar. Gleiches gilt für Momente des Triumphes. Wenn überhaupt sind es kleine Momente des Glücks, zurückhaltend und leise inszeniert. Small, Slow but Steady verzichtet zudem auf akustische Experimente, wie es vor einigen Jahren Sound of Metal getan hat, bei dem ein Metal-Musiker sein Gehör verliert. Wir lernen die Welt Keikos nur von außen kennen, indem wir ihr folgen, ihr zusehen, beim Sport wie im Alltag, mit dem Bruder, Kolleginnen oder anderen Leuten aus ihrem Umfeld.

Gut und nuanciert gespielt

So etwas kann schnell langweilig werden. Tatsächlich dürfte Small, Slow but Steady für viele eine Enttäuschung sein, die einen regulären Sportfilm erwarten. Genauso ist das hier kein typischer Biopic, selbst wenn er von dem Leben von Keiko Ogasawara inspiriert ist. Sehenswert ist das Drama aber allemal, sofern man sich auf die betont unspektakuläre Erzählweise einlassen kann. Das ist besonders auch Yukino Kishii (Homunculus) zu verdanken, der es gelingt, ohne viel Sprache eine komplexe Persönlichkeit darzustellen. Keiko ist eine Frau, die gleichzeitig ehrgeizig ist und doch Selbstzweifel hat, bescheiden auftritt, um im Ring dann jemanden KO zu schlagen. Das fügt sich zu einem Drama zusammen, welches warmherzig ist, ohne zum Wohlfühl-Kitsch zu greifen, interessiert, aber nicht voyeuristisch.

Credits

OT: „Keiko, me wo sumasete“
Land: Japan
Jahr: 2022
Regie: Shô Miyake
Drehbuch: Shô Miyake, Masaaki Sakai
Kamera: Yuta Tsukinaga
Besetzung: Yukino Kishii, Tomokazu Miura, Masaki Miura, Shinichiro Matsuura, Himi Sato

Trailer

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Small, Slow but Steady
fazit
„Small, Slow but Steady“ ist ein sehenswertes Drama um eine taube Frau, die sich am Profiboxen versucht. Das klingt wie eine dieser aufbauenden Außenseitergeschichten, ist aber deutlich zurückhaltender inszeniert, als man es aus diesem Bereich gewohnt ist. Der Sport selbst rückt dabei oft in den Hintergrund. Stattdessen handelt es sich um ein leise erzähltes Porträt.
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