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Eigentlich hätte die Hochzeit zwischen dem polnischen Bauarbeiter Daniel Tuskiewitsch (Aleksander Trabczynski) und Anne Beck (Rita Feldmeier) ein Grund zur Freude sein sollen. Doch als Annes Tochter Katja (Claudia Stanislau) spurlos verschwindet, deutet alles auf ein Verbrechen hin. Schließlich wurden Spuren am Bootshaus der Familie gefunden, wo Daniel und Katja sich hatten treffen wollen. Auf Anweisung des Dienststellenleiters Veigl (Gustl Bayrhammer), der einen Zusammenhang mit einer Reihe von Sexualverbrechen sieht, ermitteln Hauptkommissar Ehrlicher (Peter Sodann) und Unterkommissar Kain (Bernd Michael Lade) in der Sache. Doch die Geschichte stellt sich bald als anders heraus, als sie sich das vorher ausgemalt hatten …
Der erste Ost-Tatort
Ein Fall für Ehrlicher war 1992 gleich in zweifacher Hinsicht eine Premiere. Nicht nur dass der Film das Debüt des Kommissars Ehrlicher wurde, der sich beim Publikum großer Beliebtheit erfreute. Ganze 45 Filme wurden mit ihm in den folgenden 15 Jahren gedreht. Es handelt sich zudem um den ersten Tatort aus dem Osten. Die ersten Jahrzehnte war die Krimireihe ohnehin eine reine BRD-Angelegenheit der diversen Landesrundfunkanstalten der ARD – selbst wenn der erste Film den Titel Taxi nach Leipzig trägt. Aber auch nach der Wiedervereinigung sollte es dauern, bis mit dem MDR eine erste Anstalt in den neuen Bundesländern Beiträge zum Dauerbrenner lieferte. Inzwischen ist dieser natürlich etabliert, aktuell wird in Dresden ermittelt. Vor 30 Jahren war das aber ein Novum.
Zum Teil wird die Osterweiterung in Tatort: Ein Fall für Ehrlicher auch erwähnt. An einer Stelle macht der Protagonist seinen Vorgesetzten beispielsweise darauf aufmerksam, dass er schon seit Jahrzehnten als Polizist arbeitet und er auch in DDR-Zeiten Verbrecher jagte. Ein Versuch, sich gegen die ihm entgegengebrachte Arroganz zu wehren. Auch an anderer Stelle zeigt der 253. Fall der Reihe einen gewissen gesellschaftlichen Anspruch: Anhand der Figur Tuskiewitsch wird über Fremdenfeindlichkeit gesprochen, er wird als „Polensau“ beschimpft, sowohl bei der Baustelle wie außerhalb schlägt ihm Hass entgegen. Rassismus ist hier kein Fremdwort, da herrscht schon ein recht rauer Ton.
Minimalismus und Alltag
Im Gegensatz zu heutigen Teilen der Reihe, welche solche Themen ganz gern mal offensiv in den Mittelpunkt stellen, bleibt das hier jedoch eine Randerscheinung. Tatort: Ein Fall für Ehrlicher ist weder Gesellschaftsporträt noch Sozialdrama, auch wenn die Ansätze dazu da sind. Stattdessen ist das hier ein Krimi, der nahezu ausschließlich in einem eng umfassten persönlichen Umfeld spielt. Ein bisschen wird dabei auch noch das Leben von Ehrlicher selbst beleuchtet. Aber auch in der Hinsicht zeigt sich Regisseur und Drehbuchautor Hans-Werner Honert recht zurückhaltend. Inzwischen hat man bei dem Urgestein bekanntlich eine Vorliebe für kaputte Polizisten und Polizistinnen entdeckt. Hier gibt es mehr die üblichen Alltagsschwierigkeiten, mit denen man sich so herumplagt.
Dieser Minimalismus, der sich auch in einer sehr sparsamen Musik niederschlägt, ist recht angenehm, wird für manche aber mit Langeweile gleichzusetzen sein. Das gilt ebenso für die doch sehr überschaubare Zahl brenzliger Szenen: Richtig viel Spannung tritt hier nicht auf. Lediglich die Neugierde, was genau mit der verschwundenen Katja geschehen ist, sorgt für Neugierde. Die Auflösung kommt dabei schon etwas überraschender. Tatort: Ein Fall für Ehrlicher lockt das Publikum auf ein paar falsche Fährten, nur um dann doch etwas ganz anderes zu erzählen. Das ist dann vielleicht nicht der cleverste Krimi innerhalb der Endlosreihe. Aber es ist doch ein solider Einstand für den Kommissar, der trotz seiner Herkunft aus den neuen Bundesländern ein Ermittler alter Schule war.
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