The Falls Netflix
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The Falls

Inhalt / Kritik

The Falls Netflix
„The Falls“ // Deutschland-Start: 29. Januar 2022 (Netflix)

Taiwan im März 2020: Wie fast überall auf der Welt beginnt auch hier die Corona-Pandemie, das öffentliche wie private Leben fest im Griff zu haben. Pin-wen (Alyssa Chia) wohnt als alleinerziehende Mutter mit ihrer Tochter Xiao Jing (Gingle Wang) in einer geräumigen Wohnung, aus der der Vater der Tochter und Pin-wens Ex-Mann vor Jahren ausgezogen ist. Als eine Mitschülerin von Xiao Jing positiv auf das Coronavirus getestet wird, muss Pin-wen ihre Tochter unverzüglich von der Schule abholen. Anschließend bekommen beide die Anweisung, sich in der Wohnung zu isolieren. Schon zuvor war das Verhältnis zwischen den beiden nicht das beste gewesen, doch nun nimmt Xiao Jing die Situation zum Vorwand, sich noch mehr als zuvor von ihrer Mutter abzukapseln und versucht sogar, sie komplett zu ignorieren. Sie behauptet, selbst Krankheitssymptome entwickelt zu haben und kommt die meiste Zeit gar nicht mehr aus ihrem Zimmer. Doch ihre Mutter kommt mit den Folgen der Situation letztendlich noch schlechter klar.

Ein Pandemie-Film der anderen Art

Die Pandemie dauert mittlerweile schon so lange, dass noch in der laufenden Pandemie Filme darüber veröffentlicht werden. Aber wer nun meint, The Falls sei ein kammerspielartiges Drama über zwei Personen in Quarantäne, liegt damit zumindest nicht ganz richtig. Die Corona-Ausnahmesituation dient hier nämlich nur als Auslöser der Ereignisse, welche schließlich dazu führen, dass die Situation sich dreht: Während es zu Beginn des Films noch die Mutter ist, die für ihre Tochter da sein muss, wird ziemlich schnell deutlich, dass die Rollenverteilung zwischen den beiden vertauscht ist. Als ihre Mutter ins Krankenhaus kommt, beginnt Xiao Jing schnell zu lernen, mit der Situation umzugehen und alle Hürden zu nehmen, die ihr das Leben in den Weg wirft. Das fängt mit dem Problem an, dass sie aufgrund der Corona-Vorschriften erst gar nicht zu ihrer Mutter ins Krankenhaus gelassen wird und geht schließlich so weit, dass sie sich einen Überblick über deren Finanzen verschaffen und daraus bittere Konsequenzen ziehen muss.

Ein Quarantäne-Drama ist der Film also nicht, die Pandemie und ihre Folgen hängen aber trotzdem ständig drohend über den Ereignissen. Pin-wen hat anfangs noch einen gut bezahlten Job, doch ihre Firma muss das Gehalt kürzen. Der Wohnblock, in dem Mutter und Tochter leben, wird saniert und ist monatelang mit einer blauen Plastikplane abgedeckt, doch die Arbeiten können nicht beendet werden. Auch in den Fernsehnachrichten ist die weltweite Pandemie dauernd ein Thema. Pin-wen behauptet zwar, mit der Situation fertig zu werden, kapselt sich aber mehr und mehr ab, sodass sowohl ihre Tochter als auch ihre Kollegen sich Sorgen machen. Nicht nur ihre finanzielle Lage wird immer prekärer, Pin-wen wird auch zunehmend misstrauisch, paranoid und depressiv. Schließlich ist es weniger die Ausnahmesituation aufgrund des Virus, die hier für Einsamkeit und Entfremdung sorgt, sondern die Mauern, die die Figuren um sich selbst bauen.

Annäherung in der Not

Alyssa Chia macht die zunehmende Verzweiflung, Ratlosigkeit und schließlich die psychische Krankheit, an der Pin-wen leidet, durch ihr Schauspiel in ihrem Gesicht und ihrer Körpersprache für den Zuschauer sichtbar. Pin-wens Tochter bekommt von einem Arzt schließlich den Rat, genau das zu tun, was sie anfangs vermeiden wollte: Um ihrer Mutter zu helfen, solle sie sich ihr wieder annähern und versuchen, sie zu verstehen. So werden schließlich Mutter und Tochter, nachdem sie am jeweils tiefsten Punkt angekommen sind, beide gezwungen, sich einander wieder anzunähern. Während Pin-wen den Kontakt zur Realität verloren hat, muss Xiao Jing sich mit genau dieser Realität Tag für Tag auseinandersetzen, Entscheidungen für sich wie für ihre Mutter treffen und ganz plötzlich erwachsen sein.

Mong-Hong Chung, der bei The Falls als Regisseur, Drehbuchautor und Kameramann zugleich fungiert, inszeniert die Geschichte mit der nötigen Ruhe und Feinfühligkeit. Teilweise schlüpfen ihm aber ein paar platte Dialogzeilen oder Bilder durch. Etwa dann, wenn Pin-wen ihren vor einer Umarmung zurückschreckenden Ex-Mann (Lee-zen Lee) fragt: „Hast du Angst ich steck dich an? Oder ist es, weil du verheiratet bist?“ Auch dass es immer wieder Szenen gibt, die durch die vor der Hausfassade hängende Plane in blaues Licht getaucht sind oder anderweitig die Farbe blau bewusst in den Mittelpunkt rücken, wirkt bisweilen etwas plump – so als solle der Zuschauer immer wieder darauf hingewiesen werden, dass die Charaktere sich „blue“ fühlen. Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen.

Einfühlsam und realistisch

The Falls hat hier und da ein paar Längen, gibt aber einen ehrlichen Einblick in eine mit Problemen behaftete Mutter-Tochter-Beziehung sowie in die Gefühlswelt einer psychisch Kranken. Gerade die Szenen, in denen Pin-wen einen neuen Mann (Yi-wen Chen) kennenlernt und sich allmählich wieder der Außenwelt öffnet, wirken besonders einfühlsam und realistisch. Ganz am Ende macht der Film allerdings eine aus dem Nichts kommende Kehrtwendung, bei der man sich erst einmal fragt, was sie denn in dieser Geschichte überhaupt zu suchen hat. So abrupt und überflüssig dieses Ende zunächst wirkt, bringt es einen aber auf jeden Fall zum Nachdenken und könnte etwa darauf hindeuten, dass sich die Schwerpunkte in der Beziehung zwischen Tochter und Mutter hier einmal mehr verschieben.

Credits

OT: „Pu bu“
Land: Taiwan
Jahr: 2021
Regie: Mong-Hong Chung
Drehbuch: Yeo-Sheng Chang, Mong-Hong Chung
Musik: Lu-Ming Lu
Kamera: Mong-Hong Chung
Besetzung: Alyssa Chia, Gingle Wang, Lee-zen Lee, Yi-wen Chen

Trailer

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The Falls beginnt als Film über Isolation in Corona-Zeiten, wandelt sich aber schnell zum Drama über Einsamkeit, psychische Krankheit und Verantwortung. Mit kleinen Schwächen erzählt der Film seine Geschichte in großer Ruhe und nachvollziehbarer Charakterentwicklung.
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