Träume sind wie wilde Tiger
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Träume sind wie wilde Tiger

Inhalt / Kritik

Traeume sind wie wilde Tiger
„Träume sind wie wilde Tiger“ // Deutschland-Start: 3. Februar 2022 (Kino) // 14. Juli 2022 (DVD)

Für den zwölfjährigen Ranji (Shan Robitzky) aus Mumbai steht bereits fest, was er später einmal wird: Er will Karriere in Bollywood machen, will singen, tanzen und schauspielern. Dummerweise haben seine Eltern (Murali Perumal, Sushila Sara Mai) aber ganz andere Pläne: Sie wollen nach Deutschland auswandern, weil dort deutlich mehr Geld zu machen ist. Zu diesem Zweck sind die beiden auch zu einigem bereit, wollen sich unbedingt anpassen und integrieren. Ranji hingegen sieht nicht ein, warum er sein kulturelles Erbe verleugnen sollte, weshalb er an der Schule schon bald verspottet wird. Lediglich seine Mitschülerin Toni Nachtmann (Annlis Krischke), die selbst mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat, lässt sich auf ihn ein und verspricht sogar, ihm bei seinem Traum zu helfen: ein Casting bei seinem großem Idol Amir Roshan (Terence Lewis) …

Über das Leben in der Fremde

In den letzten Jahren hat es eine ganze Reihe von Filmen gegeben, die sich mit Flüchtlingen beschäftigen, die in Deutschland einen Neuanfang suchen, weil in ihrer Heimat keine Zukunft mehr auf sie wartet. Allein deshalb schon ist Träume sind wie wilde Tiger irgendwie ungewöhnlich. Wenn wir hier zu Beginn sehen, wie Ranji durch die Straßen tanzt und sich an seinem Leben erfreut, kann man gut nachvollziehen, dass er sich ein wenig schwertut mit dem Gedanken, von dort wegzugehen. Er hat dort alles, was er braucht, darunter seinen geliebten Großvater (Irshad Panjatan). Vor allem aber sieht er dort seine Zukunft, wenn er Teil der großen und bunten Welt des Bollywood-Kinos werden will. Was soll er da bitteschön in Deutschland?

Regisseur und Co-Autor Lars Montag (How to Sell Drugs Online (Fast)) setzt dabei von Anfang an auf maximale Kontraste. Da sind nicht nur zwei Länder, die unterschiedlicher nicht sein könnte: auf der einen Seite das lebensfrohe Indien, auf der anderen das graue Deutschland. Es sind auch zwei Lebenskonzepte, die aufeinanderprallen. Während die Eltern in erster Linie den finanziellen Aufstieg suchen, ist Ranji am Tanzen und Singen interessiert, will sich ausdrücken und Spaß haben. Die Auswanderung geschieht hier nicht aus der Not heraus, wie man oft bei solchen Filmen hat, sondern weil man sich mehr Geld erhofft. Mehr nicht. In der Hinsicht fällt eine der schönsten Pointen in Träume sind wie wilde Tiger, wenn dem Paar deutlich gemacht wird, dass es seine Absichten nicht zu laut sagen sollte. Denn das weckt bei Deutschen schon mal Verlustängste.

Integration als höchstes Gut?

Das wird dann auch zu einem Running Gag des Films, wenn die Eltern sich um jeden Preis integrieren wollen. Montag stellt das in Frage und beschreibt die Anpassung als einen Verlust von Identität. Ausgerechnet das Kind wird so zum Traditionalisten, der das eigene Erbe bewahren möchte – eine Umkehrung der üblichen Verhältnisse. Man sollte bei Träume sind wie wilde Tiger aber nicht zu viel Tiefgang in der Hinsicht erwarten. Zielgruppe sind hier nun einmal Kinder, die eher behutsam an das komplexe Thema herangeführt werden sollen. Das bedeutet dann auch einige Abstriche machen zu müssen, etwa was die Figurenzeichnung angeht. Obwohl das hier alles betont bunt ist, an manchen Stellen ist das ziemlich schwarz und weiß. So richtig nuanciert ist hier niemand.

Dafür gibt es einiges an Schauwerten. Klar, man darf jetzt nicht gerade selbst eine Abneigung gegen Bollywood haben sowie die exaltiert-ausschweifenden Musikeinlagen. Denn die gibt es auch fernab von Indien, immer mal wieder baut Montag welche ein. Aber die können sich tatsächlich sehen und hören lassen. Gerade Nachwuchsschauspieler Shan Robitzky begeistert mit seinen enthusiastischen und mitreißenden Auftritten und macht Träume sind wie wilde Tiger zwischendurch zu einem Gute-Laune-Film, dessen Charme man sich kaum entziehen kann. Das ist auch schön inszeniert, immer wieder gibt es originelle Einfälle, wie sich diese Träume in den Alltag integrieren lassen.

Sei du selbst!

Schade ist nur, dass sich das nicht von der Geschichte behaupten lassen kann. Inhaltlich hat der Film neben den besagten Mängeln bei der Figurenzeichnung noch einige andere Schwächen. Da werden mal wieder Konflikte konstruiert, die es allein der Dramaturgie wegen ins Drehbuch geschafft haben, nicht weil sie sich natürlich aus der Situation heraus ergeben würden. Die Lösung dieser Konflikte ist ebenfalls reichlich konstruiert. Aber das ist bei Bollywood-Filmen ja auch nicht unbedingt anders. Bei Kinderfilmen ist das ohnehin keine Seltenheit. Aber das lässt sich verschmerzen, Träume sind wie wilde Tiger ist ein sympathischer und schwungvoller Film, der seinem Publikum die Schönheit von Träumen vor Augen führt. Zugleich ist er ein Plädoyer, man selbst zu sein und sich nicht aus Angst oder Druck anders präsentieren zu wollen, als man ist. Und zumindest das ist etwas, was man Kindern immer mitgeben darf, ob nun hierzulande, in Indien oder sonst wo.

Credits

OT: „Träume sind wie wilde Tiger“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Lars Montag
Drehbuch: Ellen Schmidt, Sathyan Ramesh, Lars Montag, Murmel Clausen
Musik: Johannes Repka
Kamera: Sonja Rom
Besetzung: Shan Robitzky, Annlis Krischke, Murali Perumal, Sushila Sara Mai, Anne Ratte-Polle, Simon Schwarz, Irshad Panjatan, Herbert Knaup, Nina Petri

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Träume sind wie wilde Tiger
Fazit
„Träume sind wie wilde Tiger“ begleitet einen indischen Jungen, der mit seiner Familie nach Deutschland zieht, dabei aber nach wie vor von einer Bollywood-Karriere träumt. Das Plädoyer für Selbstverwirklichung und Toleranz ist sympathisch, die Inszenierung schwungvoll, gerade bei den Musical-Nummern. Da nimmt man dann auch inhaltliche Schwächen in Kauf.
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