Als der sechsjährige Jimmy Russ spurlos aus einem Feriendorf verschwindet, steht seine Familie vor einem Rätsel: Der Junge wäre niemals alleine weggegangen, er hätte sich ebenso wenig irgendwelchen fremden Leuten angeschlossen. Die traurige Antwort auf dessen Verbleib findet sich im Internet, wo jemand den Mord an Jimmy dokumentiert hat. Und es soll nicht das einzige Opfer bleiben, der Killer kündigt bereits seine nächsten Taten an. Jana Winter (Natalia Wörner), Arne Brauner (Martin Brambach) und Matthias Hamm (Ralph Herforth) nehmen daraufhin die Ermittlungen auf und suchen in der Umgebung nach möglichen Tätern. Währenddessen fokussiert sich Alwa Sörensen (Lisa Werlinder) auf das Darknet und erhofft sich dort einen Hinweis, wer dahinter stecken könnte …
Die unheimliche Welt des Internets
Auch einige Jahrzehnte später ist das Internet ein Raum, in dem immer noch darum gerungen wird, welche Gesetze und Regeln dort gelten – und ob es überhaupt welche gibt bzw. geben kann. Gerade die Möglichkeit der Anonymisierung hat das Leben der Menschen stark verändert, sowohl auf positive wie auch negative Weise. Der Messenger-Dienst Telegram beispielsweise ist gleichzeitig ein Weg, sich staatlicher Gewalt in Diktaturen zu entziehen, und ein Weg, Gewalt anderen gegenüber zu planen und zu organisieren, ohne sich dafür verantworten zu müssen. Grenzen sind da kaum zu ziehen. Auch in Unter anderen Umständen: Mutterseelenallein findet sich ein wenig von dieser Ambivalenz wieder, wenn es das bewährte Polizeiteam mit einem Täter zu tun bekommt, der sich in den Schatten des Virtuellen bewegt und dadurch unerreichbar bleibt.
Auf der einen Seite bestätigt der 19. Teil der ZDF-Krimireihe Unter anderen Umständen auf diese Weise das negative Bild des rechtsfreien Raumes. Gleichzeitig liefert dieser aber auch Hinweise auf den Täter. Ein erster Verdächtiger stellt sich als Helfer heraus, den die Polizei aber – auch aus altersbedingten Vorurteilen heraus – schäbig behandelt. Auch sonst gibt es in Mutterseelenallein Generationenkonflikte. Genauer darf Winter sich mit ihrem Sohn Leo streiten, der von Natalia Wörners (Die Welt steht still) tatsächlichem Sohn Jacob Lee Seeliger gespielt wird. Der Vorwurf: Er verbringt zu viel Zeit im Internet, anstatt auch einmal in der realen Welt unterwegs zu sein. Das passt thematisch natürlich gut zusammen, selbst wenn die Auseinandersetzung recht oberflächlich bleibt. Da geht es mehr ums Prinzip als ein wirkliches Abwägen.
Mehr Spannung als Rätsel
Man sollte inhaltlich deshalb auch nicht zu viel von Unter anderen Umständen: Mutterseelenallein erwarten, zumal noch ein zweiter dramatischer Nebenstrang bedient wird. In diesem geht es um Brauner, der degradiert wurde und dessen Alkoholproblem zunehmend außer Kontrolle gerät. Überhaupt ist der Film für einen Krimi ausgesprochen persönlich, wenn es zu weiteren Konflikten kommt und der virtuelle Täter im direkten Umfeld aufschlägt. Da liegen die Nerven schnell blank, bei den Beteiligten wie auch beim Publikum. Vor allem zum Ende hin wird die Spannungskurve stark erhöht, nicht zuletzt weil die Angriffe aus dem Verborgenen kommen und jederzeit stattfinden können. Das Genre verschiebt sich da schon eindeutig in Richtung Thriller.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass dieses Mal kaum noch gerätselt werden darf. Das Motiv ist klar, wenngleich erschreckend, auch die Frage nach dem Täter bringt keine nennenswerten Überraschungen mit sich. Unter anderen Umständen: Mutterseelenallein richtet sich weniger an das klassische Krimipublikum, sondern mehr an Leute, die sich durch barbarische Handlungen von Menschen erschrecken lassen wollen. Wie schon der letzte Teil Für immer und ewig ist das mehr eine emotionale Erfahrung als eine rationale. Viel nachdenken muss man hier nicht. Stattdessen lieber zurücklehnen und sich von der Jagd auf einen sadistisch-zynischen Mörder mitreißen lassen. Das funktioniert, selbst wenn man sich an der einen oder anderen Stelle dann doch mehr erzählerische Ambition gewünscht hätte.
OT: „Unter anderen Umständen: Mutterseelenallein“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Judith Kennel
Drehbuch: Zora Holt
Musik: Mario Grigorov, Steven Schwalbe
Kamera: Nicolay Gutscher
Besetzung: Natalia Wörner, Ralph Herforth, Martin Brambach, Lisa Werlinder, Stephan Grossmann, Jessica Kosmalla, Bruno Alexander, Jacob Lee Seeliger
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