In JGA: Jasmin. Gina. Anna. erzählt Alireza Golafshan von den drei Freundinnen Jasmin (Luise Heyer), Gina (Taneshia Abt) und Anna (Teresa Rizos), die gemeinsam nach Ibiza fahren, um dort einen Junggesellinnenabschied zu feiern – ohne die Braut – und dabei auf Jasmins Verflossenen Tim (Dimitrij Schaad) treffen. Ein freudiges Wiedersehen ist das nicht, trauert sie ihm Jahre später doch noch immer hinterher. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, feiert er auf der Insel auch noch seinen seinen eigenen Junggesellenabschied. Wir haben uns mit dem Regisseur und Drehbuchautor anlässlich des Kinostarts am 24. März 2022 über die Arbeit an dem Film, seine Einstellung zu solchen Abschieden und die Sehnsucht nach Partnerschaften unterhalten.
Könntest du uns ein wenig über den Hintergrund von JGA verraten? Wie bist du auf die Idee gekommen, den Film zu drehen?
Es gab schon vorher die Idee, bevor ich dazu gestoßen bin. Genauer gab es die drei Buchstaben JGA. Auch Ibiza stand schon fest. Alles andere war jedoch ein bisschen anders. Wir haben im Anschluss viel daran gearbeitet, wobei ich es zwischenzeitlich auch habe mal liegen lassen, weil mich die Richtung noch nicht so wirklich überzeugte. Eines Abends kam mir aber, warum auch immer, dieses Bild von den drei Freundinnen, die nach dem geplatzten Junggesellinnenabschied im Dönerladen landen. Plötzlich hatte ich die Tonalität und die Tragödie hinter der vermeintlich bunten Komödie. Denn nur der Aspekt des Junggesellinnenabschieds hätte mich nicht interessiert. Ich hatte auch die Dynamik zwischen den drei Mädels und die Lust, mit ihnen auf die Reise zu gehen, ohne zu wissen, wohin alles führen wird.
War es von Anfang an geplant, dass es drei Frauen sind? Es hätten ja auch drei Männer sein können.
Das stand von Anfang an fest, ja. Ich habe das auch nie in Frage gestellt. Aber ich fand die Konstellation auch reizvoll, weil sie für mich so etwas wie die weibliche Variante von The Big Lebowski ist. Die Leute waren auch begeistert, wenn ich ihnen die Geschichte so verkauft habe. Gleichzeitig bin ich auf diese Weise über ein Phänomen gestolpert: Spielen Frauen in einer Komödie die Hauptrolle, wird sie als Frauenkomödie wahrgenommen, bei Männern ist es eine Komödie für alle. Das war mir vorher nicht bewusst, dass dieses Denken existiert. Ich fand das interessant, hoffe aber, dass wir uns von diesem Denken lösen können. Frauen sind in Komödien leider oft nur Beiwerk.
Wie sehen denn deine Erfahrungen mit Junggesellenabschieden aus?
Ich habe sie bislang so gut es ging vermieden und habe auch das Gefühl, dass keiner wirklich Spaß hat an diesen Junggesellenabschieden. Keine Ahnung, warum die immer noch stattfinden. Diejenigen, die das Ganze organisieren müssen, stehen unter Stress, die Eingeladenen haben keinen Bock und finden das zu teuer für ein Wochenende. So ein Abschied kostet schnell mal ein paar hundert Euro. Und für die Braut und den Bräutigam ist das oft auch nicht so toll. So wie ich das immer mitbekommen habe, sind solche Abschiede eigentlich eine Loss-Loss-Situation für alle.
Ist so ein Abschied überhaupt noch zeitgemäß, wo streng nach Geschlechtern getrennt wird, die Männer und Frauen jeweils unter sich feiern? In den letzten Jahren wurde eigentlich viel dafür getan, solche Trennungen zu vermeiden und alte Grenzen aufzuheben. Da wirkt so ein Abschied auf mich irgendwie archaisch.
Die ganze Hochzeitssache ist archaisch. Ich habe auch einige Statistiken gelesen, dass die Ausgaben für Hochzeiten immer weiter steigen. Es ist den Leuten so wichtig wie nie zuvor, dass sie in einer großen Kirche heiraten, obwohl sie nicht getauft sind und in ihrem Alltag nie einen Fuß in die Kirche setzen. Da wollen dann auf einmal pure Atheisten zu ihrer Hochzeit die Kirchenglocken hören. Das ist ein seltsames Phänomen unserer Zeit. Unsere zwischenmenschlichen Beziehungen sind heute so flüchtig und unverbindlich geworden, dass sich die Menschen nach dieser archaischen Zeremonie sehnen, die schon eine Art Theateraufführung ist. Aber das findest du in vielen Bereichen. Je stärker im Musikbereich die Digitalisierung wurde, umso hipper wurden plötzlich Schallplatten.
Du hast vorhin gemeint, dass Ibiza von Anfang an als Ort geplant war. Weißt du weshalb?
Ibiza hat sich von Anfang an richtig angefühlt. Ibiza ist eine Art Las Vegas des Mittelmeers und ein sehr künstlicher Ort. Und je mehr ein Ort menschengemacht hat, umso sichtbarer wird der Mensch. Es gibt keinen Fleck, der noch organisch ist oder ansatzweise richtige Natur. Dir wird dort auch eine Hippiekultur verkauft, die es schon lange nicht mehr gibt. Stattdessen haben Ölmillionäre und Neureiche dort das Sagen. Die ganze Insel und die Leute, die dort leben, sind irgendwie fake. Und das ist ein Thema, das sich durch JGA durchzieht. Die Braut ist fake, der Bräutigam ist erfunden, die Pillen, die sie später nehmen, stellen sich als etwas ganz anderes heraus. Deswegen war Ibiza für mich das passende Setting.
Und ihr habt dort dann auch gedreht?
Ja, was aber nicht einfach war, da es eine relativ kleine Insel mit wenig Infrastruktur ist. Hinzu kam, dass wir während der Pandemie gedreht haben. Der Ibiza-Teil war im April 21, als dort ein ziemlich rigoroser Lockdown war mit Maskenpflicht sogar draußen und auf der Straße. Wir haben Ibiza also nicht so erlebt, wie es eigentlich ist. Das hat uns aber auf perfide Weise die Dreharbeiten auch erleichtert, weil wir riesige Strandabschnitte für uns haben konnten. Das wäre ohne Pandemie so nicht möglich gewesen.
Kommen wir auf deine Hauptfigur zu sprechen: Warum trauert Jasmin Jahre später noch Tim hinterher? Sie ist nett, sie sieht gut aus. Eigentlich sollte es für sie nicht schwierig sein, jemand Neues kennenzulernen.
Da musst du Jasmin fragen. (lacht) Aber so ist das nun einmal mit der Liebe, das ist selten wirklich rational. Bei Jasmin ist es so, dass sie diese Beziehung hatte, als sie Mitte zwanzig war. In dem Alter bist du noch nicht mit allen Wassern gewaschen. Sie hat von Tim diese idealisierte Idee, weil sie ihn nie wirklich kennengelernt hat. Da er sich von ihr getrennt hat, hat sie das alles auf sich selbst bezogen. Sie macht sich selbst Vorwürfe und ist überzeugt, dass sie das Problem ist. Je länger die Geschichte zurückliegt, umso stärker ist bei ihr die Idealisierung. Und umso kleiner macht sie sich selbst. Deswegen ist es für sie sehr wichtig, dass sie ihn noch einmal trifft, um zu erkennen, wer er ist. Und natürlich auch, wer sie selbst ist.
Ganz allgemein: Wie wichtig ist es, einen Partner oder eine Partnerin zu haben, um selbst jemand zu sein? Bei Jasmin hat man den Eindruck, dass sie nicht vollständig ist.
Ich denke, die Frage wird anders beantwortet, je nachdem wen du in welchem Alter befragst. Ich bin jetzt selbst Mitte dreißig. Und bis vor ein paar Jahren war es so, dass die Vorstellung noch dominierte, dass man niemanden braucht, um glücklich zu sein. Du brauchtest keine Familie, keine Kinder, keine Partnerschaften. Und plötzlich ändert sich um dich herum alles. Selbst die emanzipiertesten Freundinnen sind auf einmal verheiratet und haben zwei Kinder. Das hat mich doch sehr überrascht. Es gibt also wohl doch ein größeres Programm, das da im Hintergrund läuft. Es wird ab einem gewissen Alter sehr wichtig. Wobei ich nicht sagen kann, ob das gesellschaftlich, biologisch oder psychologisch bedingt ist. Es muss auch nicht zwangsläufig die heteronormative Ehe mit zwei Kindern sein. Da sind auch andere Formen der Beziehung möglich. Aber ganz ohne wird es dann eben doch schwierig, weil niemand einsam sein will. Bei Freundschaften weiß man, dass sie sich irgendwann auseinanderleben oder auseinanderleben können. Da sind Partnerschaften ab einem gewissen Alter einfach eine Konkurrenz zu Freundschaften.
Du erzählst in JGA von einer Frauenclique und einer Männerclique. Wie unterscheiden sich Frauenfreundschaften von Männerfreundschaften? Gibt es überhaupt einen Unterschied?
Ich sehe da schon einen Unterschied, wo auch immer der herkommt. Männerfreundschaften sind öfter in größeren Gruppen, etwas unverbindlicher und nonverbaler. Frauenfreundschaften sind oft kleiner und direkter, in Zweier- oder Dreiergruppen, verbaler und stärker ehenhaft. Das sind natürlich alles Klischees. Aber ich sehe sie oft bestätigt in meinem Umfeld.
Kommen wir zur Besetzung. Warum ist es am Ende Luise Heyer bei Jasmin geworden? Was hast du gesucht?
Wir haben tolle Schauspielerinnen gecastet, was mir auch dabei geholfen hat, diese Figuren besser zu verstehen. Was Luise mitgebracht hat, neben dem Comedy-Talent, was man in der Form noch nicht gesehen hatte bei mir: Sie hat in einer Szene auf eine Weise von Tim geredet, dass mir fast die Tränen gekommen sind. Obwohl wir Tim zu dem Zeitpunkt noch gar nicht gesehen haben, hatte die Geschichte plötzlich einen glaubhaften emotionalen Unterbau. Das ist sehr wichtig, weil die Fallhöhe ihres Dramas nur in ihrem Kopf ist. Ich weiß nicht, wie Luise das geschafft hat. Aber sie ist für mich eine der besten Schauspielerinnen, mit denen ich je am Set gestanden habe, weil sie beides konnte: Comedy und Ernst.
Zum Thema Comedy, wie lief das ab beim Drehbuchschreiben? Gab es zuerst die Geschichte und ihr habt die Witze dazu gesucht? Oder gab es zuerst die Witze, um die ihr dann die Geschichte drumherum geschrieben habt?
Das ist eine gute Frage. Mir persönlich fallen keine Witze ein, wenn ich die Figuren nicht habe. Ich habe also keine Set Pieces, bei denen ich denke: Wäre es nicht lustig, wenn jetzt jemand das und das macht? Bei mir ergibt sich der Humor aus den Figuren und ihren Geschichten und Problemen. Die Figuren stehen für mich im Mittelpunkt, sie diktieren mir auch ein bisschen, ob eine Szene jetzt lustig werden kann oder nicht.
Was ist allgemein für dich das Geheimnis einer guten Komödie?
Je mehr ich in der Komödie drinstecke, umso mehr Subgenres der Komödie machen sich für mich auf. Ganz allgemein sind es wie gesagt Figuren. Die Komödie lässt als Genre sehr viel Platz für die Darstellung von Menschen mit all ihren Macken und Schwächen. Es sind die kleinen Probleme, durch die das Persönliche und Menschliche zutage tritt. Und das ist es, was mich selbst als Zuschauer interessiert. Wie ticken wir? Wenn eine Komödie schafft, mir darauf eine Antwort zu geben und mich gleichzeitig zu unterhalten, dann war sie gut.
Letzte Frage: Was steht als nächstes bei dir an?
Viel darf ich noch nicht verraten, aber es wird nach Die Goldfische und JGA wieder eine Komödie. Nach dieser Komödientrilogie will ich mich dann aber an anderen Genres versuchen und sozusagen meine dunkle Seite ans Licht lassen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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