Will Sharp (Yahya Abdul-Mateen II) braucht Geld. Er braucht sogar sehr viel davon und das möglichst schnell. Schließlich kann nur eine experimentelle Operation seine Frau Amy (Moses Ingram) noch retten. Die will aber niemand bezahlen. Seine einzige Hoffnung ist daher sein Bruder Danny (Jake Gyllenhaal), von dem er sich in den letzten Jahren entfremdet hatte. Denn mit den kriminellen Machenschaften von ihm und seinem Vater wollte er nichts mehr zu tun haben. Ehe er es sich versieht, ist Will aber schon wieder mittendrin und muss bei einem Bankraub assistieren. Dieser geht jedoch völlig daneben, weshalb den beiden Brüdern nichts anderes übrig bleibt, als mit einem Rettungswagen zu fliehen. Mit an Bord sind die Rettungssanitäterin Cam Thompson (Eiza González) und der verletzte Polizist Zach (Jackson White), den Will zuvor angeschossen hatte …
Alles schon mal da gewesen
Irgendwie scheint Jake Gyllenhaal Gefallen daran gefunden zu haben, in Thrillern mitzuspielen, die auf dänischen Filmen basieren. So war er letztes Jahr in dem Kammerspiel-Nervenkrieg The Guilty zu sehen, basierend auf dem gleichnamigen Original. Nun steht mit Ambulance ein weiteres Remake an. Vorbild war in dem Fall das eher wenig bekannte Ambulance – Rette sich, wer kann! aus dem Jahr 2005, welches hierzulande auf DVD erschien. Sonderlich ambitioniert ist das nicht. Immerhin: Während der Thriller um einen schwierigen Einsatz in einer Notrufzentrale zwar solide, letztendlich aber eine ziemlich überflüssige Rekreation war, da zeigt das zweite Remake deutlich mehr Eigensinn – mit mal guten, mal weniger guten Ergebnissen.
Dass es hier keine eins-zu-sein-Wiederbelebung geben würde, war dabei vorher schon klar. So handelte es sich beim dänischen Original ebenfalls um einen kammerspielartigen Film. Die Neuverfilmung stammt von Michael Bay, dessen Name wie kaum ein anderer mit krachenden Actionstreifen in Verbindung gebracht wird, von The Rock – Fels der Entscheidung bis zu 6 Underground. Mit Kammerspiel ist da nichts. Da muss schon ordentlich was explodieren – selbst dann wenn da eigentlich gar nichts ist, das explodieren kann. Bis es so weit ist, dauert es in Ambulance jedoch ein Weilchen. Eine recht lange Einleitung befasst sich mit den komplizierten Familienverhältnissen und dem verpatzten Banküberfall, beides Voraussetzungen für das, was im Rettungswagen geschieht.
Visuell akrobatisch, inhaltlich bizarr
Das bedeutet aber nicht, dass es da ruhig zugeht. Die ersten dialoglastigen Szenen sind recht konfrontativ. Beim Banküberfall wiederum geht es schnell hoch her. Das ist zum Teil sogar wörtlich zu verstehen, wenn der italienische Kameramann Roberto De Angelis bei seinem ersten Spielfilm ganz offensichtlich ein großer Fan visueller Akrobatik ist. Da wird herumgewirbelt, inklusive Luftaufnahmen und dem Sturz in die Tiefe. Nur nicht stehenbleiben heißt das Motto, welches er in Ambulance zeigt. Das passt natürlich auch schon zum Inhalt, wenn ein Großteil des Films aus einer fortwährenden Verfolgungsjagd besteht. Zwischenzeitlich meint man schon, das hier wäre ein inoffizieller Nachfolger von Speed. Da heißt es nicht nur „wer bremst, verliert“, sondern „wer bremst, stirbt“.
Und doch sind es nach dem brutalen Einstieg zunächst weniger die inszenatorischen Amokläufe, die in Erinnerung bleiben, sondern die inhaltlichen. Klar, ein Film von Michael Bay muss nicht unbedingt intelligent sein. Da kann es manchmal schon von Vorteil sein, den Ausschaltknopf für das eigene Gehirn zu finden. Bei Ambulance gilt das noch einmal besonders. Hier wird es so schnell derart bizarr, dass einem zwischendurch der Kopf schwirrt. Einiges davon ist ganz offensichtlich darauf ausgerichtet komisch zu sein, was mal mehr, mal weniger funktioniert. Anderes ist so willkürlich seltsam, auch im Hinblick auf die Dialoge, die nie zu der Situation passen, dass es den Eindruck verstärkt, man wäre gerade auf einem ganz fiesen Trip. Dachte man bei Moonfall bereits den diesjährigen Gipfel des grotesken Blockbusters entdeckt zu haben, muss man plötzlich das vermeintlich Sichere noch einmal überdenken.
Zu lang, zu langweilig, anstrengend
Das hat durchaus einen gewissen Unterhaltungswert, wenn man sich auf diesen Wahnsinn ein lassen kann. Doch je länger die Fahrt dauert, umso uninteressanter wird sie. Zwar bleibt Bay auch dann mit dem Fuß auf dem durchgedrückten Gaspedal. Und es wird auch nicht wirklich sinnvoller. Während die erste Hälfte aber aus abwegigem Schwachsinn bestand, gibt es jetzt nur den üblichen Schwachsinn. Da jagt ein Aktionismus den anderen, die Figuren machen irgendwas, ohne dass irgendetwas davon ein Ziel verfolgen würde. Und es gibt sehr viele Figuren, die in Ambulance irgendwie mitmischen. Zusammen mit der exzessiven Laufzeit, die mindestens eine halbe Stunde kürzer hätte sein müssen, wird daraus ein schrecklich anstrengender und zuletzt auch zäher Film, der mit plumpen Manipulationen auch noch das letzte bisschen gute Laune tot fährt. Da ist dann selbst mit einem Rettungswagen, der an keine physikalischen Gesetze gebunden ist, nichts mehr zu retten.
OT: „Ambulance“
Land: USA
Jahr: 2022
Regie: Michael Bay
Drehbuch: Chris Fedak
Musik: Lorne Balfe
Kamera: Roberto De Angelis
Besetzung: Jake Gyllenhaal, Yahya Abdul-Mateen II, Eiza González, Garret Dillahunt, Keir O’Donnell, Moses Ingram
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