Scotty (Grant Rosenmeyer) leidet an einer Form der Gelenksteife und kann seit seiner Geburt nur noch den Kopf bewegen, weshalb er schon immer an den Rollstuhl gebunden ist und auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen ist. Vor allem die fehlenden zwischenmenschlichen Beziehung, speziell zu Frauen, machen ihm gedanklich immer mehr zu schaffen. Da kommt es wie gerufen, dass er vom „Château Paradis“ hört – einem Bordell, welches spezifisch auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung ausgelegt ist. Gemeinsam mit seinem sehbehinderten Freund Mo (Ravi Patel) und dem gerade erst kennengelernten Matt (Hayden Szeto), der ebenfalls im Rollstuhl sitzt, wird ein spontaner Roadtrip dorthin geplant, um endlich die Jungfräulichkeit zu verlieren. Doch das kühne Vorhaben stellt sich schon bald als nicht ganz einfach heraus, wenn sich die übervorsichtigen Eltern immer wieder in den Weg stellen und auch die Fahrerin Sam (Gabourey Sidibe) beginnt, Fragen zu stellen. Daraus entspinnt sich ein abenteuerliche Reise, die viele Überraschungen offen hält.
Eigene Persönlichkeiten und Bedürfnisse
Was zunächst nach schlichter amerikanischer Komödie klingt, entfaltet sich schon nach sehr kurzer Zeit zu einer gefühlvollen und herzerwärmenden Geschichte. Maßgeblich dafür verantwortlich ist die vielschichtige Gruppendynamik der drei Männer und ihrer Fahrerin. Scotty ist sehr forsch und hat mit den Jahren einen kühlen Zynismus entwickelt, wodurch er nie ein Blatt vor den Mund nimmt. Das stößt bei seinem schüchternen Freund Mo, aber vor allem bei dem erst kürzlich erkrankten Matt auf Ablehnung, da dieser seine Behinderung noch nicht akzeptiert zu haben scheint. Daraus entstehen aber keine schweren, melancholischen Augenblicke, sondern clevere Witze, die es schaffen die Thematik angemessen und trotzdem leicht verständlich zu vermitteln.
Neben den drei Männern nimmt die Fahrerin Sam die Rolle der Zuschauer*innen ein und zeigt den richtigen Umgang mit Menschen mit Behinderung. Sie nimmt alle drei so an, wie sie sind, und geht ohne geheuchelte Vorsichtigkeit mit ihnen und deren Wünschen um. Deutlich wird so ebenfalls, dass nicht alle gleich sind, nur weil sie im Rollstuhl sitzen. Jeder Mensch hat eine eigene Persönlichkeit, unabhängig von seiner körperlichen oder geistigen Verfassung. Come As You Are schreibt seinen Zuschauer*innen nicht vor, wie sie mit dem Thema umzugehen haben, sondern gibt ihnen Hinweise, die mit einem Augenzwinkern übermittelt werden. Dabei steht vor allem eine Bewusstseinsschaffung im Vordergrund, die erzeugt werden soll. Das funktioniert stellenweise sehr gut und nimmt der Thematik die manchmal verspürte Tabuhaftigkeit.
Als Gegenpool zu den Protagonist*innen fungieren die Eltern von Scotty und Matt. Scottys Mutter Liz (Janeane Garofalo) hat sich sein Leben lang um ihn gekümmert und kann nicht mit dem Gedanken umgehen, dass er auf eigene Faust zurechtkommt. Auch Matts Eltern heißen den Roadtrip nicht gut und gehen davon aus, dass sie ihren Sohn schützen, wenn sie ihn einschränken. Daraus wird allerdings lediglich deutlich, dass die Eltern die freie Selbstentfaltung ihrer Söhne akzeptieren müssen und anerkennen müssen, dass auch Menschen mit Behinderung zum Beispiel sexuelle Bedürfnisse haben.
Mehr als bloßer Sex
Dass Come As You Are keine billige Komödie mit schlechten geschmacklosen Witzen und einer seichten Geschichte ist, macht der Film zudem schon in der ersten Sequenz deutlich. Scotty träumt von seiner Physiotherapeutin Becky (Daisye Tutor), die in knappen Badeanzug aus dem Meer steigt und anfängt ihn zu küssen. Während in klassisch-amerikanischen Komödien der Protagonist nun außerhalb des Traumes von einem Hund oder ähnlichem abgeleckt werden würde, wacht Scotty einfach auf – allein, unbeweglich und angewiesen auf fremde Hilfe. So wird gleich zu Beginn eines seiner Grundbedürfnisse deutlich, bei dem so viel mehr mitschwingt als das bloße erste Mal. Scotty will leben, Beziehungen führen und individuelle Freiheit genießen. Das ist gleichzeitig auch die Hauptaussage des Filmes. Bei Come As You Are geht es nicht nur um drei Menschen mit Behinderung, die ihr erstes Mal vollziehen möchten. Es geht um Akzeptanz, Bedürfnisse und Selbstfindung der eigenen Persönlichkeit. Das daraus resultierende Ende ist dabei kitschig bis oben hin, dennoch extrem herzerwärmend und lebensbejahend, was ja prinzipiell noch niemanden geschadet hat.
Dabei basiert der Film grob auf der wahren Geschichte um Asta Anthonys Philpot, der Fahrten zu Bordellen für Menschen mit Behinderung organisierte, um denen bei ihren Schwierigkeiten zu helfen, romantische und sexuelle Beziehungen einzugehen. Diese Geschichte wurde zudem schon durch eine Dokumentation der BBC beleuchtet, zum anderen im belgischen Film Come As You Are aus dem Jahr 2011 verarbeitet, was von einer bemerkenswerten Story zeugt, die man in hier in diesem Film treffend inszeniert zu sehen bekommt.
OT: „Come As You Are“
Land: USA
Jahr: 2019
Regie: Richard Wong
Drehbuch: Erik Linthorst
Musik: Jeremy Turner
Kamera: Richard Wong
Besetzung: Grant Rosenmeyer, Hayden Szeto, Ravi Patel, Gabourey Sidibe, Janeane Garofalo
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