Swan (Michaela DePrince) führt ein glückliches Leben in einer Kleinstadt, wo sie eine eigene Saftbar betreibt. Wenn sie nicht gerade Zeit mit ihren Freunden verbringt, schwärmt sie für Franz (Daniel Camargo), dem sie gerade näherkommt. Diese Idylle wird jedoch getrübt, als eines Tages der Doktor Coppelius (Vito Mazzeo) in der Stadt auftaucht. Sein Ziel ist es, dort eine gigantische Schönheitsklinik zu errichten. Die Bevölkerung nimmt das Angebot dankbar an, immer mehr Leute verfallen den Versprechungen des Fremden – woran das von ihm geschaffene Wesen Coppelia einen größeren Anteil hat. Doch Swan ist misstrauisch, zweifelt an den Absichten des dubiosen Doktors. Zurecht, wie sie eines Tages feststellen muss …
Ein etwas anderer Tanzfilm
Tanzfilme werden natürlich immer mal wieder veröffentlicht. Sie schaffen es sogar nach wie vor regelmäßig in die Kinos, sei es nun die Coming-of-Age-Romanze Feel the Beat, der LGBT-Festivalhit Als wir tanzten oder auch das Gefängnisdrama Fly. Wer deswegen jedoch meint, bereits alles gesehen zu haben, der sieht sich getäuscht. Zumindest Coppelia zeigt auf, dass es noch Möglichkeiten gibt, etwas Schwung in einen Bereich zu bringen, der – gerade im Jugendbereich – zu oft auf das sture Einhalten von Konventionen und die Erfüllung von Erwartungen drängt. Bei vielen weiß man schon nach ein paar Minuten, was einen die folgenden anderthalb bis zwei Stunden erwartet.
Hier ist das etwas anders. Zwar wird keine neue Geschichte erzählt. Tatsächlich liefert die Grundlage die schon 1816 veröffentlichte Erzählung Der Sandmann von E.T.A. Hoffmann. Das darauf beruhende Ballett Coppélia folgte 1870 und gehört bis heute zum Standardrepertoire. Ursprünglich ging es in der Geschichte um eine Puppe, die mithilfe von Magie zum Erleben erweckt werden soll. Erst eine neue Interpretation rückte die Handlung in den Kontext einer Schönheitsklinik. Einem puristischen Publikum mag das wenig gefallen haben, inhaltlich war es aber nicht unpassend. Die Idee um wahre Gefühle und die Kritik an einer rein auf Oberflächlichkeit ausgerichteten Gesellschaft stellt eine interessante, zudem sehr aktuelle Interpretation des Stoffes dar. Der Druck, Schönheitsideale und Normen einzuhalten, wird nicht eben weniger.
Sprachlos in einer zauberhaften Kleinstadt
Ungewöhnlich ist bei der Filmversion, wie diese Interpretation visuell umgesetzt wurde. So engagierte man für Coppelia tatsächliche Größen der internationalen Ballettszene. Diese tanzen hier vor bewusst künstlichen Kulissen, die mit animierten Elementen verbunden werden. Nicht ohne Grund feierte der Film auf dem traditionsreichen Animationsfestival in Annecy 2021 Weltpremiere. Das verleiht dem Werk etwas betont Märchenhaftes. Dazu gibt es starke Kontraste zwischen der freundlichen Kleinstadt und der düsteren Klinik. Das Regie-und Drehbuch-Trio Steven de Beul, Ben Tesseur und Jeff Tudor lässt keinen Zweifel daran, wer hier die Guten und wer die Bösen sind. Subtil ist das natürlich nicht. Außerdem sieht die Titelfigur recht billig aus, was einen hin und wieder aus dem Geschehen reißt.
Ansonsten ist Coppelia aber ein schöner und stimmungsvoller Film. Auffällig ist dabei noch die elektronische Musik, die man bei einem derart alten Stoff vermutlich nicht erwarten würde. Aber das trägt ebenfalls zu der eigentümlichen Atmosphäre bei. Sie spielt auch deshalb eine große Rolle, weil komplett auf Dialoge verzichtet wird, die Geschichte wird allein über das Audiovisuelle erzählt. Der Tanz hat dabei keinen direkten Bezug zu dem Inhalt, was aber nicht übermäßig stört. Die grazilen Bewegungen in Verbindung mit der demonstrativen Lebensfreude, welche in der Kleinstadt herrscht, reißen einen beim Zusehen mit. Selbst wer nicht zur Zielgruppe solcher Tanzfilme gehört, darf sich hier ein bisschen verzaubern lassen und von einer besseren Welt träumen, in der es auf äußerliche Merkmale nicht ankommt.
OT: „Coppelia“
Land: Niederlande, Deutschland, Belgien
Jahr: 2021
Regie: Steven de Beul, Ben Tesseur, Jeff Tudor
Drehbuch: Steven de Beul, Ben Tesseur, Jeff Tudor
Vorlage: E.T.A. Hoffmann
Musik: Maurizio Malagnini
Kamera: Tristan Oliver
Besetzung: Michaela DePrince, Daniel Camargo, Vito Mazzeo, Darcey Bussell, Irek Mukhamedov
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