Mr. Wolf, Mr. Snake, Mr. Shark, Mr. Piranha und Ms. Tarantula sind ein eingespieltes Team, die schon so manch krummes Ding gedreht haben. Wenn die fünf zusammenarbeiten und ihre jeweiligen Fähigkeiten ausspielen, ist kein Schatz der Welt vor ihnen sicher. Doch die Erfolgssträhne hat ein Ende, als sie einen goldenen Delfin klauen wollen und dabei erwischt werden. Jetzt kann nur ein Wunder ihnen noch helfen. Und tatsächlich: Ein solches war vorher geschehen, als Mr. Wolf einer älteren Dame half, ganz uneigennützig, und sich dabei irgendwie gut fühlte. Und so überzeugt er den Philanthropen Prof. Marmelade davon, dass sie alle eine zweite Chance verdient hätten. Der ist begeistert von der Idee, aus der Schurkenbande gute Tiere zu machen, als Ausgleich würde die Strafe erlassen. Doch der Pfad der Tugend führt bald zu ersten Verwerfungen innerhalb der Gangster Gang …
Wenn Tiere zu Dieben werden
In den letzten Jahren fiel Dreamworks Animation nicht gerade durch inhaltliche Vielfalt auf. Ob Trolls World Tour oder Boss Baby: Schluss mit Kindergarten, da waren nur noch Fortsetzungen dabei. Die waren zwar erfolgreich und auch insgesamt alle solide. Ein bisschen eintönig waren die Veröffentlichungslisten aber schon, der letzte Originaltitel Everest – Ein Yeti will hoch hinaus erschien bereits im Herbst 2019. Umso größer war die Neugierde auf Die Gangster Gang, der von dem bekannten Animationsstudio auch als Originaltitel verkauft wird. So ganz stimmt das aber nicht. Stattdessen handelt es sich um eine – wenngleich etwas freie – Adaption der Kinderbuchreihe Böse Jungs von Aaron Blabey. Diese ist mit weltweit 16 Millionen verkauften Exemplaren nicht ganz unbekannt, sonderlich ausgeprägt ist der Mut also noch immer nicht, es mit neuen Geschichten zu versuchen.
Zu Beginn sieht es auch danach aus, als würde man sich bei Die Gangster Gang damit begnügen, einfach nur menschliche Protagonisten durch tierische zu ersetzen. Im Animationsbereich ist das ein beliebtes Mittel, um mangelnde Kreativität zu kaschieren. Gerade Disney hatte immer wieder Phasen, in denen die einzige Idee darin bestand, Tiere zu vermenschlichen. Im konkreten Fall hier nahm man sich bekannte Heist Movies zum Vorbild, bei denen es darum geht, dass eine hoch spezialisierte Bande einen großen Coup plant. Tatsächlich sind Verweise auf Ocean’s Eleven offensichtlich, aber auch Reservoir Dogs stand Pate. Das Ganze mit tierischen Figuren zu erzählen, ist zwar irgendwie nett und führt zu der einen oder anderen Szene. Mehr als das ist es zunächst aber nicht.
Opfer von Vorurteilen
Interessanter wird es, wenn der Film sein eigentliches Thema findet: Es geht in der Geschichte eben nicht nur darum, dass die Bande etwas raubt. Vielmehr erzählt der französische Regisseur Pierre Perifel in seinem Langfilmdebüt von den Vorurteilen, denen seine Figuren ausgesetzt sind. An der Stelle zeigt sich die Sache mit den tierischen Figuren auch als durchaus clever. So besteht die Gangster Gang ausschließlich aus Tierarten, die bei den meisten spontan negative Assoziationen weckt: Hai, Wolf, Spinne, Schlange und Piranha. Die werden von Menschen oft als unheimlich empfunden, als böse gar, bekommen menschliche Eigenschaften zugeschrieben, die dort eigentlich nichts zu suchen haben. Da werden zwangsläufig Erinnerungen an Der weiße Hai wach, der als reine Fiktion reale Auswirkungen hatte: Plötzlich wurden Haie gejagt, weil sie als böse galten.
Die zugrundeliegende Frage in Die Gangster Gang ist daher: Haben die fünf Protagonisten und Protagonistinnen ein schlechtes Image, weil sie Böses tun, die ganzen Raubzüge? Oder haben sie die kriminelle Laufbahn eingeschlagen, weil ohnehin alle in ihnen nur böse Tiere sahen und sie deshalb keine Alternative haben? Der Film erzählt also von Vorurteilen und wie diese die Leute prägen, verbunden mit Überlegungen zum freien Willen. Allzu viel sollte man in der Hinsicht dann aber doch nicht erwarten. Die Zielgruppe ist hier wie so oft etwas jünger angesetzt, weshalb nicht mehr als kleinere Denkanstöße geboten werden. Schwerpunkt ist dann doch der Unterhaltungsgrad, das Nachdenkliche ist mehr ein Bonus, den es oben drauf gibt.
Macht Lust auf mehr
Das funktioniert gut. Es gibt eine Reihe wirklich witziger Szenen, gerade auch wenn die Einsätze auf eine Weise absurd werden, wie es Live Action Heist Movies gar nicht könnten. Zwischendurch darf es etwas besinnlicher werden, auch wenn diese Momente jetzt niemanden überraschen dürften, der zuvor schon andere Filme gesehen hat. Man hält sich ans Bewährte. Verpackt wird das in eine sehr ansprechende Optik, die nicht dem Pseudo-Realismus anderer Animationsfilme großer Studios folgt. Stattdessen zieht man hier eine stärker stilisierte Comicanmutung vor, mit freundlichen, gelblastigen Farben. Auch wenn man sich an der einen oder anderen Stelle mehr Wagnis gewünscht hätte und die Charakterisierung der Figuren recht schwach ist, macht Die Gangster Gang durchaus Lust auf mehr. Und so wie man Dreamworks Animation in den letzten Jahren kennengelernt hat, dürfte das auch nur eine Frage der Zeit sein, ein entsprechender Erfolg des ersten Auftritts einmal vorausgesetzt.
OT: „The Bad Guys“
Land: USA
Jahr: 2022
Regie: Pierre Perifel
Drehbuch: Etan Cohen, Hilary Winston
Vorlage: Aaron Blabey
Musik: Daniel Pemberton
Animation: DreamWorks Animation
Ihr wollt noch mehr zu Die Gangster Gang lesen? Wir haben gleich zwei Interviews für euch im Angebot. Mit Regisseur Pierre Perifel sprechen wir über die Entstehungsgeschichte und die Arbeit an dem Animationsfilm. Und Sebastian Bezzel, der in der deutschen Fassung den Wolf spricht, unterhalten wir uns über das Konzept des Bösen und welche Tiere er selbst fürchtet.
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)