Gräfin Erzebet Báthory (Julie Delpy) gehört im 16. Jahrhundert zu den mächtigsten und zugleich gefürchtetsten Frauen Ungarns. Und zu den reichsten: Sogar der König ist bei ihr verschuldet. Während sie sich um den Besitz und dessen Verwaltung kümmert, ist ihr Mann Ferenc Nádasdy (Charly Hübner) im Krieg und kämpft gegen die Türken. Als dieser eines Tages plötzlich stirbt, liegt es nun an ihr, für die Zukunft ihrer Familie zu sorgen, was sie mit all der Härte tut, für die sie berüchtigt ist. Nur bei einem wird sie ganz schwach, dem deutlich jüngeren Istvan Thurzo (Daniel Brühl). Was als leidenschaftliche Affäre beginnt, wird für sie bald zu einer echten Herzensangelegenheit. Doch dessen Vater Gyorgy (William Hurt) interveniert, was Erzebet in eine tiefe Krise stürzt – bis sie ein Mittel gefunden zu haben glaubt, das ihr jugendliche Schönheit verleiht …
Jenseits aller Grenzen
Eines muss man Julie Delpy lassen: Bei ihrer Arbeit als Regisseurin und Drehbuchautorin zeigt sie eine enorme Bandbreite an Themen und gar Genres. Da ist vom leisen Drama Familientreffen mit Hindernissen über die grobe Komödie Lolo – Drei ist einer zu viel bis zum eigenwilligen Sci-Fi-Trauerdrama-Mix My Zoe alles Mögliche dabei. Und dann ist da ja noch Die Gräfin. Ganz einfach ist es nicht, den 2009 veröffentlichten Film in eine feste Kategorie zu stecken. So ist das hier formal natürlich schon ein Zeit- bzw. biografisches Personenporträt, wenn sich die Französin der Geschichte der berüchtigten Blutgräfin annimmt. Es ist auch die Geschichte einer großen und tragischen Liebe. Später kommen immer mehr düstere Elemente hinzu, die den Film zumindest in die Thrillerrichtung rücken lassen. Teilweise wäre sogar ein Horrorlabel nicht verkehrt.
Dabei fängt das alles irgendwie anders an. Zumindest am Anfang zeichnet Die Gräfin ein überraschend feministisches Porträt der Protagonistin. Sie hat nicht nur Geld und Macht, sie lässt sich von keinem der Männer etwas sagen. Ob es Grafen sind oder gar der König, keiner soll über sie bestimmen. Als sie dann auch noch die Affäre mit dem laut Film knapp halb so alten Istvan beginnt, wird das Drama endgültig zu einer Demonstration ihres Selbstbewusstseins. Es ist der Adligen völlig egal, was andere von ihr halten. Umso überraschender ist, wie diese innere Stärke zunehmend erodiert. Auf einmal ist die Frau, die ihr Leben lang skrupellos und eiskalt andere Menschen herumgescheucht hat, einem Jüngling völlig hörig. Wenn er nicht an ihrer Seite ist, ist sie ein Nichts. Ein Häufchen Elend, das kaum wiederzuerkennen ist.
Faszinierend, aber wenig nachvollziehbar
Wirklich nachzuvollziehen ist das nicht. Nicht nur dass ein solcher Sinneswandel doch irgendwie erklärungsbedürftig ist. Istvan ist zudem ein furchtbar nichtssagender Mensch. Er ist hübsch und jung, wohl auch nett. Mehr erfahren wir nicht. Dass Erzebet von Jugend und Schönheit besessen ist, macht es zu einem gewissen Grad zwar schon plausibel, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlt. Junge hübsche Männer dürfte es aber auch in ihrer Zeit mehr als genügend gegeben haben. Was genau jetzt an diesem so toll sein soll, das verrät Delpy aber nicht. Überhaupt ist Die Gräfin nicht gerade ein Musterbeispiel für die Figurenzeichnung. Eigentlich gibt es abgesehen von der Protagonistin nur noch eine erwähnenswerte Figur: den ebenfalls adligen Dominic Vizakna (Sebastian Blomberg), der eine Vorliebe für Masochismus hat und damit auch in ihr etwas wachruft.
Das kann man dann als gegeben hinnehmen oder nicht. Es ist auf jeden Fall beeindruckend mitanzusehen, wie die unglücklich verliebte Gräfin zunehmend auseinanderbricht und gleichzeitig immer grausamer wird. Bei Letzterem sollte man nicht zu empfindlich sein. Zwar wird der Film nie so explizit, dass er zu einem reinen Horrorfilm wird. Verstörend sind die entsprechenden Szenen aber schon. Zum Schluss wird es auch etwas spannender, wenn das Publikum sich fragen darf, wie diese blutigen Eskalationen wohl enden werden. Dafür, die prominente Besetzung und die diversen gesellschaftlich relevanten Themen von Jugendkult bis zur Rolle der Frau lohnt es sich also schon hier mal reinzuschauen. Man ist nur im Anschluss nicht wirklich schlauer geworden.
OT: „The Countess“
Land: Deutschland, Frankreich
Jahr: 2009
Regie: Julie Delpy
Drehbuch: Julie Delpy
Musik: Aaron Dessner, Bryce Dessner
Kamera: Seamus McGarvey
Besetzung: Julie Delpy, Daniel Brühl, William Hurt, Anamaria Marinca, Sebastian Blomberg
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