Flügel aus Beton TV Fernsehen Das Erste ARD Mediathek
© WDR/OdeonFiction/Hardy Spitz

Flügel aus Beton

Flügel aus Beton TV Fernsehen Das Erste ARD Mediathek
„Flügel aus Beton“ // Deutschland-Start: 30. März 2022 (Das Erste)

Inhalt / Kritik

Der Schock ist groß, als die Schülerin Mia (Rosa Zach) tot aufgefunden wird, nachdem diese in den Tod gesprungen ist. Vor allem der Referendarin Gabrielle (Victoire Laly) geht die Geschichte sehr nahe. Wie konnte sie bislang übersehen, dass es ihrer Schülerin so schlecht ging? Warum hatte der Außenseiterin, die von vielen gemobbt wurde, vorher niemand geholfen? Während die Schule die Verantwortung von sich schiebt und einen Thementag zum Mobbing organisiert, reicht Gabrielle das nicht. Gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Ava (Seyna Sylla), mit der sie zusammen lebt, sucht sie nach Antworten und wird dabei auf eine Online-Challenge aufmerksam, die Jugendliche systematisch in den Tod treibt …

Monster des Alltags

Auch wenn die Welt sich immer schneller zu drehen scheint, es gewaltige gesellschaftliche Umwälzungen in den letzten Jahren gab, eines hat sich nicht geändert: Menschen können absolute Monster sein. Dafür braucht es nicht einmal gewisse Diktatoren, die fremde Länder heim ins Reich holen wollen und dafür gnadenlos Krankenhäuser und Kindergärten unter Beschuss nehmen. Es reicht der Blick in eine Schule, in der oft eine ganz andere Form des Terrors herrscht. Mobbing hat es natürlich schon immer gegeben. Im 21. Jahrhundert ist dieses aber einfacher geworden, heimtückischer. Man muss seine Opfer nicht einmal mehr direkt angreifen, Internet und soziale Medien ermöglichen den Angriff aus dem Hinterhalt. Allein deshalb schon ist Flügel aus Beton ein Film, der am Puls der Zeit ist. Nur leider ist es kein besonders guter Film.

Die erste Irritation ist die, dass man über das Opfer relativ wenig erfährt. Klar, Mia ist schon tot, als die Geschichte losgeht. Ihr Selbstmord wird zum Startschuss für das, was im Anschluss folgt. Dennoch ist es ein wenig fragwürdig, wie sehr die Tragödie instrumentalisiert wird. Wir erfahren über sie lediglich, dass sie gemobbt wurde. Mehr hat Flügel aus Beton nicht über sie zu sagen. Es wird nicht einmal klar, warum und von wem sie gemobbt wurde, Regisseurin Lea Becker (Kitz) versteckt sich hinter einem nichtssagenden „man“. Aber auch im Anschluss vermeidet es der Film auf eine bemerkenswert konsequente Weise, sich mit dem Thema tatsächlich auseinanderzusetzen. An und für sich wichtige Fragen nach Möglichkeiten und der Verantwortung des Umfeldes werden nicht konsequent verfolgt. Lösungsvorschläge gibt es ohnehin nicht.

Ein Mord aus dem Hinterhalt

Stattdessen wird das Drama mit Thrillerelementen aufgepeppt, wie es beispielsweise auch Teacher getan hat. Die Idee von Drehbuchautorin Lilly Bogenberger: Sie erfindet einen Mastermind im Hintergrund, der das Unglück der jungen Menschen gezielt nutzt, um sie in den Selbstmord zu treiben. Das ist natürlich noch einmal eine ganz andere Eskalationsstufe und zielt auf die Ängste der Eltern ab, die nicht mehr kontrollieren können, was da in der Welt der Kinder geschieht. Da ist ohne Zweifel erschreckend. Flügel aus Beton hätte auch als „richtiger“ Genrefilm funktioniert, bei dem es darum geht, ein menschliches Monster zu schnappen, bevor er wieder zuschlägt. Wie bei den ganzen Serienmörderfilmen, nur dass der Mord hier eben über Umwege stattfindet, was den Kampf nicht gerade einfacher macht.

Ob man ein derart sensibles Thema derart reißerisch aufarbeiten sollte, ist dabei aber schon fraglich. Vergleichbar zu Run Hide Fight, was aus einem Schulamoklauf einen Unterhaltungsthriller machen wollte, ist es schon ein bisschen geschmacklos, wie das hier instrumentalisiert wird und gleichzeitig der Anschein bewahrt werden soll, man wolle einen inhaltlichen Beitrag leisten. Da klafft schon eine enorme Lücke zwischen dem, was bei Flügel aus Beton verkauft werden soll, und dem, was am Ende dabei rauskommt. Der ARD-Film will irgendwie so ein bisschen beides, ist dabei jedoch weder in die eine, noch die andere Richtung konsequent. Überhaupt: Da wird vieles angepackt, ohne es wirklich aufzugreifen, etwa die zunehmende Paranoia von Gabrielle oder auch die Familiengeschichte.

Ein Ende ohne Sinn

Wenn denn die Geschichte um den mysteriösen Ikarus, der gnadenlos seine Mitmenschen manipuliert, funktionieren würde. Stattdessen gibt es eine Auflösung, die derart unsinnig ist, dass auf einmal die in der Hinsicht berüchtigten TV-Krimis richtig logisch wirken. Schon vorher gibt es immer wieder Irritationen und offene Fragen. Aber das ist nichts im Vergleich zu der dreisten „Erklärung“, die im Widerspruch zu zahlreichen Szenen vorher steht und psychologisch nicht funktioniert, was aber offensichtlich niemand bei dem Projekt aufgefallen ist. So wichtig das Thema ist, das Flügel aus Beton da anspricht, auf diese Weise ist wirklich niemandem geholfen. So groß die Verständnisschwierigkeiten der Erwachsenen in dem Film sind, die mit dem Internet nicht klarkommen, so wenig hat das Team bei dem Film hier verstanden, was es tut.

Credits

OT: „Flügel aus Beton“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Lea Becker
Drehbuch: Lilly Bogenberger
Musik: Ina Meredi Arakelian
Kamera: Doro Götz
Besetzung: Victoire Laly, Seyna Sylla, Rika Schlegel, Andrea Guo, Alicia Stefanis, Mascha Paul, Maisie Tipango, Cedric Eich, Anton Weil

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Flügel aus Beton
Fazit
„Flügel aus Beton“ spricht das sehr wichtige Thema des Mobbings an, versucht dabei, Drama mit Thrillerelementen zu verbinden. Ob die auf reißerische Unterhaltung ausgerichtete Geschichte um einen mysteriösen Ikarus, der Jugendliche in den Selbstmord treibt, angemessen ist, darüber lässt sich streiten. Das bleibt schon sehr an der Oberfläche. Spätestens das völlig unsinnige Ende lässt den Film aber zu einem Ärgernis werden.
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