Nach dem Tod ihrer Schwester ist die Familie der jungen Gelsomina (Giulietta Masina) völlig verzweifelt, war ihr Verdienst als Gehilfin des Schaustellers Zampano (Anthony Quinn) doch das einzige Geld, was sie einigermaßen über Wasser hielt. Trotz ihrer Vorbehalte und großer Trauer darum, wieder eine Tochter zu verlieren, geht die Familie auf Zampanos Angebot ein, Gelsomina unter seine Fittiche zu nehmen, ihr das Handwerkszeug als Schaustellerin beizubringen sowie für sie zu sorgen. Auch die junge Frau ist anfangs noch glücklich über diesen neuen Abschnitt in ihrem Leben und sieht den ersten gemeinsamen Auftritten mit großen Erwartungen entgegen. Trotz seines aufbrausenden Temperaments und dem Hang zur Gewalt bleibt Gelsomina bei Zampano, tourt mit ihm von einem Ort zum nächsten, und haust gemeinsam mit ihm in den kleinen Planwagen, der ihnen als Heim dient. Eines Tages jedoch scheint mit diesem Dasein Schluss zu sein, denn die beiden begegnen einem Zirkusdirektor, der Zampanos Nummer für seinen Zirkus haben will, und bietet ihnen im Gegenzug einen festen Platz in seiner Truppe. Allerdings ergeben sich recht bald Spannungen zwischen Zampano und dem Seiltänzer Matto (Richard Basehart), der auf Gelsomina ein Auge geworfen hat und keine Gelegenheit auslässt, um Zampano zu provozieren.
Melancholie und Schuld
Als Anfang der 1950er Jahre Regisseur Federico Fellini seine Idee zu La Strada – Das Lied der Straße hatte, begann damit jenes Projekt, was sein bis dato ambitioniertestes werden sollte, aber zugleich jenes, welches ihn international berühmt machen sollte. Wie Fellini in Interviews beschreibt, war es mehr ein Gefühl und eine vage Idee, eine Mischung aus Schuld und Melancholie, die letztlich zu der Geschichte zweier Menschen führte, deren Beziehung für beide fatal sein kann, die aber dennoch nicht ohne einander können. Zugleich kam die Inspiration für die Figuren aus einer Episode während des Drehs zu Die Müßiggänger, als er eine junge Frau und einen Mann, beides Schausteller, auf einer Straße sah, die einen Karren in die nächste Ortschaft zogen, wo sie wahrscheinlich ihren nächsten Auftritt haben würden.
La Strada ist aber mitnichten nur das Fundament der internationalen Karriere Fellinis, denn das Werk definiert auch einen Einschnitt in den Karrieren Anthony Quinns und Giulietta Masina. Insbesondere fällt durch ihr Spiel auf, durch ihre Mimik und Körpersprache, die mehr als einmal an die Figuren eines Charlie Chaplin erinnern, und in ihrer Komik einen Gegenpol zu dem grobschlächtigen Zampano bilden. Ähnlich wie die unsterblichen Charaktere, die Chaplin in seinen Filmen immer wieder verkörperte, sind sie beide Außenseiter der Gesellschaft, verbannt auf die Straßen und die Außenbezirke einer Gemeinde, ohne ein Zuhause und immerzu abhängig von der Gunst anderer Menschen. Während Gelsomina diesem neuen Leben noch mit einer Mischung aus Unschuld und Naivität entgegensieht, hat die Straße schon ihre tiefen Spuren bei Zampano hinterlassen, der zu keinerlei emotionalen Bindungen fähig ist und schon nach ihrer ersten Begegnung der Mutter seiner neuen Gehilfin den vielsagenden Satz mit auf den Weg gibt, er habe bisher auch Hunden Benehmen beigebracht und würde dies bei ihrer Tochter wohl auch noch hinbekommen.
Der Wert von Gnade
In jeder Einstellung trägt La Strada die Handschrift des italienischen Neorealismus, eines Regisseurs, der unter Größten wie Roberto Rosselini sein Handwerk gelernt hat. Neben der Darstellung der Städte, Straßen und Plätze, die meist wenig einladend aussehen und die Schutzlosigkeit der Helden betonen, sind es auch die Charaktere selbst, die, angetrieben von Zweckdenken und finanziellen Nöten, eine Von-der-Hand-in-den-Mund-Existenz leben. Wie Rosselini oder De Sica transzendiert das Drehbuch Fellinis und Tullio Pinellis jedoch diese Ebene und hält Werte wie Menschlichkeit, Empathie und sogar Gnade dagegen, selbst mit einem brutalen Menschen wie Zampano, der im Laufe des Filmes immer wieder wahrlich abscheuliche Taten vollbringt.
Neben der Filmmusik Nino Rotas sind es zugleich die Einstellungen von Kameramann Otella Martelli, welche gerade in den Nahaufnahmen das Innenleben der Figuren erkunden, ob diese wirklich so gefühlskalt sind wie sie tun, welche Torturen ihre Seelen durchmachen und schließlich wie das Leben auf der Straße sie prägt.
OT: „La strada“
Land: Italien
Jahr: 1954
Regie: Federico Fellini
Drehbuch: Federico Fellini, Tullio Pinelli
Musik: Nino Rota
Kamera: Otello Martelli
Besetzung: Anthony Quinn, Giulietta Masina, Richard Basehart, Aldo Silvani, Livia Venturini, Marcella Rovere, Giovanna Galli, Anna Primula
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Academy Awards | 1957 | Bestes Original-Drehbuch | Federico Fellini, Tullio Pinelli | Nominierung |
Bester fremdsprachiger Film | Sieg | |||
BAFTA | 1956 | Bester Film | Nominierung | |
Beste ausländische Darstellerin | Giulietta Masina | Nominierung |
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