Mariama Diallo Master Interview Amazon Prime Video
Mariama Diallo am Set von "Master" (© Amazon Prime Video)

Mariama Diallo [Interview]

In ihrem Debütfilm Master erzählt Mariama Diallo die Geschichte von Gail Bishop (Regina Hall), die als erste Dunkelhäutige an dem Ancaster College die Position des Masters innehat. Während sie sich um die Studierenden kümmert, kommt es immer wieder zu eigenartigen Vorkommnissen, unter denen besonders die junge Jasmine (Zoe Renee) zu leiden hat. Ist etwas dran an den Geschichten um das Zimmer, in dem ein Geist umhergehen soll? Anlässlich des Starts am 18. März 2022 auf Amazon Prime Video haben wir uns mit der Regisseurin und Drehbuchautorin über die Arbeit an dem Film, institutionalisierten Rassismus und die USA als heimgesuchten Ort unterhalten.

 

Könntest du uns ein wenig über die Entstehungsgeschichte von Master erzählen? Wie bist du auf die Idee dafür gekommen?

Das war eine lustige Geschichte, für mich zumindest. Als ich damals als Studentin auf dem Yale College war, gab es diese Position, die wir im Film haben und die Bezeichnung „Master“ hat. Dabei handelt es sich um jemanden, der eine akademische Funktion hat, sich aber auch wie ein Elternteil um die Studenten und Studentinnen kümmert. Inzwischen wurde dieser Titel abgeschafft, nachdem Studierende dagegen protestiert hatten. Zu meiner Zeit nahm man das hingegen noch hin und dachte sich nicht viel dabei. Dir wird am Anfang erklärt, was der Master tut und du hast das einfach akzeptiert. Ging mir nicht anders. Die Bezeichnung hat ursprünglich auch nichts mit Sklaverei zu tun, sondern ist das Überbleibsel eines britischen Systems. Jahre später, als ich schon meinen Abschluss hatte, bin ich meinem Master zufällig in New York begegnet und habe ihn mit seinem Namen und Titel angesprochen. Und er hat mich ganz entsetzt angesehen, dass ich ihn in aller Öffentlichkeit so genannt habe. Im Anschluss habe ich mich gefragt: „Was zur Hölle ist da gerade passiert? Wie konnte ich das die vergangenen sechs, sieben Jahre einfach so akzeptieren? Was sonst habe ich mitgemacht, ohne mir dessen bewusst gewesen zu sein?“ Also dachte ich über die Sache mit dem Master nach, was dann der Anfang meiner Arbeit an dem Film wurde. Der nächste Schritt war die Figur Gayle: eine schwarze Frau, die diese Position und diesen Titel erhält. Sie wollte das, hat hart dafür gearbeitet. Aber als sie das dann erreicht hat, stellt sie fest, dass das alles sehr viel komplizierter ist, als sie im Vorfeld dachte.

Und warum hast du aus dem Stoff einen Horrorfilm gemacht? Du sprichst in deinem Film über Alltagserfahrungen, die auch in einem regulären Drama funktioniert hätten.

Das stimmt. Das hat vermutlich damit zu tun, dass viele meiner Alltagserfahrungen wie ein Horrorfilm anmuten. (lacht) Für mich fühlte es sich echt und wahr an, die realen Erfahrungen auf diese Weise zu verarbeiten. Das ist das Schöne am Medium Film: Du kannst eine wirkliche Erfahrung künstlerisch so bearbeiten, dass sie noch direkter wirkt, als wenn du einen Dokumentarfilm zu dem Thema gedreht hättest. Ich habe versucht, all das zu nehmen, was ich im Lauf der Zeit erlebt habe, und es mit Gefühlen und Atmosphäre zu füllen. Und am Ende war die Form eines Horrorfilms für mich einfach die Beste, um das auszudrücken, was ich über das Thema sagen wollte.

Mariama Diallo Master Interview Amazon Prime Video
Regina Hall and Regisseurin Mariama Diallo am Set von Master (Foto: Emily V Aragones © AMAZON CONTENT SERVICES LLC)

Die Geschichte von Master spielt in einem Haus, bei dem angedeutet wird, dass es darin spukt oder dass es sogar verflucht ist. Dabei geht es nicht nur um das Haus, sondern es steht ganz offensichtlich für etwas, das sehr viel größer ist. Denkst du, dass die USA ein verfluchter Ort sind?

Das ist eine tolle Frage, ich mag sie sehr gern! Die USA ist mit Sicherheit heimgesucht. Verflucht hoffentlich nicht, weil sich das ein bisschen mehr so anfühlt, als wären sie zu diesem Zustand verdammt. Und ich hoffe, dass sich an dem Zustand etwas ändern kann. Aber ja, die USA sind heimgesucht, sehr sogar. Im metaphorischen Sinn stimmt das auf jeden Fall. Und manchmal habe ich das Gefühl, dass das auch wörtlich so ist. Wenn ich in den Süden der USA gehe, nach New Orleans zum Beispiel, fühle ich das sehr stark. Die USA sind ein noch sehr junges Land, das immer auf die Zukunft ausgerichtet ist, dabei aber nicht gelernt hat, mit der eigenen Vergangenheit umzugehen. Da ist noch sehr viel auf dem Speicher dieses Landes, das in Kartons weggeräumt wurde, ohne dass hineingesehen oder darüber geredet wird. Aber die Kartons sind noch da und werden nicht einfach verschwinden, nur weil du sie ignorierst. Und solange wir uns nicht wirklich mit der Vergangenheit auseinandersetzen und ehrlich zu uns selbst sind, wird es ein heimgesuchter Ort bleiben.

Ein großes Thema in Master ist das der Diversität. In den letzten Jahren wurde sehr viel darüber gesprochen, sei es in Filmen oder auch anderen Bereichen. Hast du das Gefühl, dass sich da auch wirklich etwas getan hat? Oder ist das nur vorgeschoben? In deinem Film kommt es so rüber, als wäre das alles ein großer Schwindel.

Das hängt glaube ich davon ab. Meine eigene Perspektive ist relativ eingeschränkt. Ich bekomme ja gar nicht mit, was da alles da draußen geschieht. Ich glaube aber schon, dass es diesen florierenden Sektor der falschen Diversität gibt, wo es nur um den äußeren Anschein geht und weniger darum, wirklich etwas zu verändern. In der Wirtschaft hast du das zum Beispiel immer wieder, dass einige der Gesichter ausgetauscht werden, die Entscheidungsträger aber gleich bleiben. Da wird in einem Tweet Black Lives Matter unterstützt, während gleichzeitig die Ungleichheit fortgeführt und gefördert wird. Teilweise geht diese Oberflächlichkeit vermutlich auf ein mangelndes Verständnis zurück, was Fortschritt eigentlich bedeutet und was die Leute wirklich brauchen und wollen.

Du ziehst dieses Thema im Film am Beispiel der akademischen Laufbahn auf. Dort haben es dunkelhäutige Frauen noch immer sehr schwer. Auf das Filmgeschäft trifft das auch zu: Es gibt noch immer sehr viel weniger Regisseurinnen als Regisseure, ganz zu schweigen von dunkelhäutigen Regisseurinnen. Wie waren deine eigenen Erfahrungen in dem Bereich? Wie schwierig war es für dich, da überhaupt reinzukommen?

Darüber habe ich selbst schon sehr viel nachgedacht. Auch wenn die Filmindustrie inzwischen schon mehr tut, um Frauen und dunkelhäutige Frauen besser zu integrieren, so ganz funktioniert das noch nicht. Wenn du beispielsweise die Programme nimmst, bei denen Frauen oder Dunkelhäutige gezielt ausgebildet werden sollen, dann hört sich das eigentlich toll an. Aber es ist gleichzeitig schon etwas bevormundend, diese Training Camps haben schon etwas von einem Kindergarten für Filmschaffende. Was viel besser wäre: einfach die Filme dieser Leute zu finanzieren. Es ist für Frauen, besonders dunkelhäutige Frauen, noch immer viel schwieriger, eine Finanzierung zu erhalten, als für weiße Männer. Da merkst du einfach, dass das Vertrauen nicht besonders groß ist, wenn wir uns erst irgendwo beweisen müssen, bevor wir richtige Filme drehen dürfen. Ich selbst hatte in der Hinsicht Glück und habe mit meinen Produzenten bei Animal Kingdom gleich Leute gefunden, die mich sofort unterstützt haben.

In den letzten Jahren hat es eine ganze Reihe interessanter Horrorfilme gegeben, die von Frauen gedreht wurden. Ein Genre also, das man traditionell mit Männern assoziiert. Wie können Frauen dieses Genre bereichern? Gibt es überhaupt so etwas wie einen weiblichen Horrorfilm?

Frauen haben in Horrorfilmen schon immer eine große Rolle gespielt, zumindest vor der Kamera. In einem Slasher oder einem Giallo konntest du als Frau die Hauptrolle spielen, anstatt dich mit der Nebenrolle zufriedengeben zu müssen. Die Figur des Final Girls ist eng mit dem Genre verbunden. Insofern war Horror immer etwas, das zumindest das Potenzial hatte, dass Frauen sich einbringen und dort arbeiten können. Klar hattest du bei den klassischen Horrorfilmen aber immer einen Mann, der das inszeniert hat und die Frau aus der Perspektive eines Mannes anschaute. Deswegen finde ich es wundervoll, wenn Frauen jetzt auch hinter der Kulisse mitmischen und eine ganz eigene Perspektive mitbringen, gerade auch bei der Figurenzeichnung. Du bekommst dadurch mehr Tiefe und Komplexität. Und ich hoffe, dass dieser Trend jetzt so weitergeht.

Vielen Dank für das Gespräch!



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