Der Erste Weltkrieg ist vorbei. Während die Welt noch um ihre Toten trauert, hat Tomás (Viktor Klem) hieraus ein einträgliches Geschäft gemacht. So ist er dazu übergegangen, im Auftrag der Angehörigen letzte Fotos der Verstorbenen zu machen, als Andenken. Eines Tages kommt das Mädchen Anna (Fruzsina Hais) auf ihn zu und überredet ihn, mit ihr zu ihrem Dorf zu fahren, das besonders stark unter dieser Zeit zu leiden hatte. Wer nicht im Krieg gestorben ist, der wurde von der Spanischen Grippe getötet. Entsprechend groß sind die Verluste an dem Ort, entsprechend groß das Bedürfnis, das Thema irgendwie aufzuarbeiten. Doch bald schon machen die beiden unheimliche Erfahrungen …
Preisverdächtiger Horror?
Es ist doch immer irgendwie interessant zu sehen, welche Filme die einzelnen Länder bei den Oscars einreichen, in der Hoffnung, eine der begehrten Nominierungen für den besten fremdsprachigen Film zu erhalten. Während beispielsweise Frankreich seinen sonderbaren Genremix Titane ins Rennen schickte, motiviert vom Gewinn der Goldenen Palme, suchte Deutschland die originelle Science-Fiction-Komödie Ich bin dein Mensch aus. In Ungarn setzte man hingegen auf Post Mortem. Das kann man dann mutig oder weltfremd finden. Die Chancen von Horrorfilmen sind bei der Academy notorisch schlecht, selbst die großen und von der Kritik gefeierten Arthouse-Vertreter des Genres, etwa Midsommar oder Der Leuchtturm, werden ignoriert.
Am Ende hat es Post Mortem erwartungsgemäß nicht einmal auf die Shortlist geschafft. Dabei ist das Szenario des Films tatsächlich ungewöhnlich und machte Lust auf mehr. Von Anfang an setzt Regisseur und Co-Autor Péter Bergendy auf eine makaber-mysteriöse Stimmung. Seinen Lebensunterhalt damit zu verdienen, Bilder von Toten zu machen, das ist schon ein wenig geschmacklos. Gleichzeitig ist die Verbindung aus Kameras und Verstorbenen eine, die in dem Horrorgenre Tradition hat. Immer wieder geht es darum, mithilfe der Technik das sichtbar zu machen, was den Menschen sonst verborgen ist. Da geht es also auch um den Kontrast bzw. den Konflikt zwischen Wissenschaft und Aberglaube, zwischen diesseitiger und jenseitiger Welt.
Zu viel Zeit für Trauer
Während Post Mortem diesen Aspekt ganz ordentlich behandelt, kommt ein anderer deutlich zu kurz. Eigentlich sollte es bei dem Thema offensichtlich sein, dass es auch um Trauerverarbeitung geht und die Frage, was es mit dem Dorf macht, wenn auf einmal so viele Mitmenschen sterben. Das interessiert aber kaum jemanden, das tragische und nachdenkliche Element kommt kaum zur Geltung. Stattdessen geht es in die klassische Horror-Richtung, wenn zunehmend unheimliche Sachen geschehen. Wer hier einen Arthouse-Vertreter erwartet, der sieht sich also getäuscht. Der Film hat nicht so viel zu sagen, wie es bei diesem Szenario möglich gewesen wäre. Dabei wäre mehr als genug Zeit gewesen, immerhin dauert der Film knapp zwei Stunden. Auch in emotionaler Hinsicht bleibt das weit unter den Möglichkeiten, da war Relic – Dunkles Vermächtnis beispielsweise ein deutlich bewegenderer Film, der sich mit Sterblichkeit und Verlust befasste.
Das wäre insofern kein Problem, wenn der Horrorpart überzeugend wäre. Leider gibt es aber gerade in der Hinsicht gravierende Mängel. So kommt es spätestens zur Mitte hin zu ausgeprägten Längen, wenn der Film einfach nicht mehr vorankommt. Die eigentlichen Horrorszenen wiederum sind eher unfreiwillig komisch denn spannend, wenn die Begegnung mit den Toten wie eine Mischung aus Der Exorzist und Breakdance aussieht. Das sieht alles schon recht albern aus, ist zudem willkürlich. Wenn dann noch die Hysterie hinzukommt und alle ständig herumkreischen, wird Post Mortem sogar richtig anstrengend – da werden die Nerven des Publikums auf wenig produktive Weise beansprucht.
Das kunstvolle Niemandsland
Das ist nicht nur wegen des vergeudeten inhaltlichen Potenzials wegen schade. Auch die Bilder hätten einen deutlich besseren Film verdient als das, was hier am Ende rauskommt. Ein abgelegenes Dorf im Niemandsland ist bekanntlich immer wieder ein dankbares Setting für das Horrorgenre. Bei Post Mortem ist das zwar eher kunstvoll in Szene gesetzt als rustikal, funktioniert aber ebenfalls ganz gut. Die Bühne ist bereit für einen schaurig-schönen Videoabend. Stattdessen gibt es aber eine Mischung aus Langeweile und Wahnsinn, die nie wirklich befriedigend ist. Trotz der vereinzelt surrealen Anmutungen, die sich im weiteren Verlauf ergeben, hat das Werk in der Summe zu wenig zu bieten, weder für ein Arthouse-Publikum noch die traditionalistische Fraktion.
OT: „Post Mortem“
Land: Ungarn
Jahr: 2020
Regie: Péter Bergendy
Drehbuch: Piros Zánkay, Gábor Hellebrandt, Péter Bergendy
Musik: Atti Pacsay
Kamera: András Nagy
Besetzung: Viktor Klem, Fruzsina Hais, Judit Schell, Andrea Ladányi, Zsolt Anger
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