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Als die Polizei bei Carmen Kessler eintrifft, kommt jede Hilfe zu spät. Jemand war bei ihr und hat sie brutal ermordet. Schon mehrfach hatte sie zuvor bei der Polizei angerufen und geklagt, jemand würde sie verfolgen. Lange wurde dies aber nicht wirklich ernst genommen. Für Kommissar Borowski (Axel Milberg) und seine Kollegin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) ist klar, dass sie um jeden Preis den Mörder finden müssen, nachdem sie die Frau schon nicht hatten beschützen können. Einfach ist das nicht, denn der Täter hat keinerlei Spuren hinterlassen, scheint bei ihr ein und ausgegangen zu sein, wie es ihm beliebt. Dabei drängt die Zeit, denn Kai Korthals (Lars Eidinger) hat bereits ein nächstes Opfer im Visier …
Ein echter Serienmörder
Dass es beim Tatort wiederkehrende Gesichter gibt, das ist klar. Schließlich bestand von Anfang an das Konzept darin, dass es feste Teams in ganz Deutschland gibt, die im stetigen Wechsel im Einsatz sind. Das ist bis heute so: Meistens sind die Teams mehrere Jahre Stammgäste im deutschen Fernsehen, manche bringen es gar auf mehrere Jahrzehnte. Dass die Gegenseite mehrere Auftritte hat, über verschiedene Filme hinweg, das ist hingegen nicht vorgesehen. Beispiele für solche seltenen Serientäter gibt es aber durchaus. Neben dem von Florian Bartholomäi gespielten Markus Graf, der zwischen 2014 und 2020 dreimal zuschlug, bleibt vor allem Lars Eidinger in Erinnerung, der als Kai Korthals in Borowski und der stille Gast (2012) sein Debüt gab und später in Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes (2015) und Borowski und der gute Mensch (2021) mitmischte.
Dabei könnten Graf und Korthals unterschiedlicher kaum, obwohl sie beide mehrere Frauen ermordet haben. Denn während Graf sein Dasein als Verbrecher zelebriert und es genießt, andere Menschen zu quälen, da hat Korthals ein ganz anderes Selbstbild, wie in Tatort: Borowski und der stille Gast deutlich wird. Tatsächlich ist einer der Schlüsselsätze im 842. Fall der ARD-Krimireihe „Ich bin kein schlechter Mensch“. Das klingt bei einem Mann, der mehrere Menschen umbringt, der sie zuvor lange stalkt und sich auch einer Entführung schuldig macht, natürlich irgendwie absurd. Und doch ist es Teil einer verqueren Weltsicht, der zufolge er eigentlich sogar etwas Gutes tun möchte. Er hat nur keine Ahnung, wie das geht oder was das genau bedeutet. Seine Sehnsucht ist die nach Nähe, nicht nach Zerstörung. Nur führt das eine immer wieder zum anderen.
In der Ruhe liegt der Alptraum
Das ist eine interessante Version eines Serienmörders, die zudem mit Lars Eidinger geschickt besetzt. Schließlich ist der immer mal wieder für abgründige Figuren zu begeistern. Anders als aber etwa in Abgeschnitten, wo er ebenfalls einen irren Mörder spielte, ist er hier überraschend zurückhaltend unterwegs, verzichtet auf jegliche schauspielerische Exzesse, wie man bei ihm immer mal wieder während seiner Arbeit beobachten kann. Tatort: Borowski und der stille Gast ist insgesamt ein dem Titel entsprechend ruhiger Film, der auf die große Aufregung verzichtet. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil hier immerhin Christian Alvart Regie führte, auf den die ganzen Krach-Bumm-Tatort-Auftritte von Til Schweiger als Tschiller zurückgehen – Tschiller: Off Duty zum Beispiel.
Langweilig ist der Film deswegen nicht. Auch dass das Publikum sehr früh erfährt, wer hinter allem steckt, schadet dem Vergnügen nicht. Die Einleitungssequenz, in der das Opfer in Todesangst davon berichtet, jemand sei in ihrer Wohnung, gehört sogar zu den spannendsten Einführungen, die man in dieser Reihe gesehen hat. Und auch an anderen Stellen gibt es immer mal wieder nervenaufreibende Situationen, wenn der Antagonist sich Zugriff zum Leben anderer verschafft. Leider gilt das auch für den wenig interessanten Nebenstrang, der sich um die Epilepsie von Brandt dreht und irgendwie stört. Ansonsten ist Tatort: Borowski und der stille Gast ein nach wie vor sehenswerter Teil, der unheimlich und unheimlich traurig zugleich ist.
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