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Als am Frankfurter Flughafen die Leiche eines Chinesen gefunden wird, steht die Polizei zunächst vor einem Rätsel, da der Mann keine Papiere bei sich trägt. Zudem findet gerade eine Tagung mit 600 chinesischen Teilnehmern statt. Bei ihren Ermittlungen finden Charlotte Sänger (Andrea Sawatzki) und Fritz Dellwo (Jörg Schüttauf) heraus, dass der Tote wohl ein Geschäftsmann gewesen ist und am Abend zuvor in einen Streit verwickelt gewesen sein muss. Während die beiden nach Spuren und möglichen Zeugen suchen, hat der bei der Reinigungsfirma des Flughafens arbeitende Wen Hai Wan (Chike Chan) die Identität des Verstorben angenommen, ohne zu ahnen, worauf er sich da eingelassen hat …
Der Menschenhandel mitten unter uns
China sei die Zukunft, heißt es an einer Stelle in Tatort: Der tote Chinese. Dass das heute nicht mehr ganz aktuell ist, versteht sich von selbst. Da wurde der 2008 ausgestrahlte Film dann doch ein wenig von der Gegenwart überholt. Andere Punkte sind dafür auch mehr als ein Jahrzehnt später doch noch aktuell. Wenn sich beispielsweise zu Beginn des Films das designierte Opfer mit einem von Kida Khodr Ramadan gespielten Geschäftsmann unterhält und einem da eine Floskel nach der anderen um die Ohren fliegt, dann ist das schon irgendwie vergnüglich. Das hier hätte durchaus eine Satire auf die Import-Export-Clique sein können, die keine Gelegenheit ungenutzt lässt, um sich selbst so richtig vorzukommen.
Aber mit dem Lachen ist es bald vorbei. Nicht nur dass da – wie bei diesen Filmen üblich – bald eine Leiche auftaucht. Der 716. Fall der ARD-Krimireihe Tatort nimmt sich zudem einiger richtig ernster Themen an. Im weiteren Verlauf von Der tote Chinese wird klar, dass die Geschichte irgendwie mit Menschenhandel und verschwundenen Leuten zusammenhängt. So taucht beispielsweise mit Min Li Sun (Mey Lan Chao) eine Frau auf, die ihre seit einem Jahr vermissten Eltern sucht. Dass es so etwas wie Menschenhandel gibt, das dürfte den meisten zwar bewusst sein. Aber man vermutet so etwas dann doch irgendwo in der Ferne, Südamerika oder so. Entsprechend schockiert darf das Publikum deshalb sein, wenn inmitten der gewohnten Heimat etwas Derartiges geschehen soll. In Deutschland? Unmöglich!
Mehr Tragik als Rätsel
Der Rätselfaktor ist hingegen eher gering. Wer sich die Reihe anschaut, um viel darüber spekulieren zu können, wer denn nun den Mord begangen hat, der bekommt nicht ganz so viel zu tun. Theoretisch gibt es zwar schon eine kleine Auswahl potenziell verdächtiger Figuren. Davon kommt aber kaum jemand in Frage. Die größere Spannung liegt bei Tatort: Der tote Chinese dann schon eher darin, was denn mit den Menschen ist, die geschmuggelt werden sollen und die noch irgendwo stecken müssen. Teilweise geht das dann schon in die Thriller-Richtung, wenn da einige Leben auf dem Spiel stehen. Aber auch in der Hinsicht sollte man nicht ganz so viel erwarten. Regisseur und Co-Autor Hendrik Handloegten legt da einfach nicht so wahnsinnig viel Wert drauf.
Es ist eher die Tragik der Geschichte hier, die in Erinnerung bleibt. Zum einen kommt es ständig zu Konflikten zwischen Sänger und Dellwo, nachdem Letzterer ohne Ankündigung aus ihrer Wohnung ausgezogen ist. Das Verhältnis ist im Laufe der Zeit zwischen ihnen so frostig geworden, dass man zwischendurch kaum mehr zum Fall kommt. Aber auch dieser hat es in sich. Tatort: Der tote Chinese erzählt von großen Träumen und einer harschen Realität, an der alles zugrundegeht. Erzählt von Menschen, welche sich diese Träume zunutze machen. Am Ende gibt es zwar eine Auflösung, wie sich das für einen Krimi gehört. Wo das sonst aber meistens mit dem Gefühl einhergeht, dass die Welt jetzt ein besserer Ort geworden ist, da gibt es hier keine Genugtuung, keine Erlösung. Man kann höchstens die Toten beweinen, wo auch immer sie sein mögen.
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