![Tatort Tyrannenmord](https://www.film-rezensionen.de/wp-content/uploads/2022/03/Tatort-Tyrannenmord-424x300.jpg)
Dass der 17-jährige Juan Mendez (Riccardo Campione) aus einem Elite-Internat verschwunden ist, in dem die Sprösslinge der Reichen und Mächtigen verkehren, ist für alle Beteiligten eine unangenehme Situation. Vor allem jetzt: Sein Vater ist Botschafter eines autoritär regierten Landes in Südamerika, dessen Präsident demnächst zu einem wichtigen Staatsbesuch nach Deutschland kommt. Da kann man solche Scherereien nicht gebrauchen. Entsprechend wird Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) aufgetragen, die Sache möglichst diskret zu behandeln. Unterstützt werden sie dabei von Felix Wacker (Arash Marandi), einem hoch motivierten jungen Kollegen. Und Unterstützung können sie gebrauchen, scheint doch jemand den Jugendlichen entführt zu haben …
Schwieriges Verhältnis zu Despoten
Der Ausstrahlungstermin vom neuen Tatort ist natürlich schon bemerkenswert: Ausgerechnet zu einer Zeit, in der die Nachrichten dominiert werden von der durch Putin initiierten Invasion der Ukraine, einen Film namens Tyrannenmord zu veröffentlichen, das ist schon fast ein Statement. Umso mehr, wenn der russische Despot auch noch namentlich genannt wird und zu Beginn der Geschichte diskutiert wird, ob man solche Leute mit Gewalt absetzen sollte oder ob es juristische Möglichkeiten gibt. Um ein wirkliches Statement handelt es sich bei dem 1194. Film der ARD-Krimireihe aber nicht. Dafür sorgt schon die Verortung des fraglichen Tyrannen hier: Der verschwundene Jugendliche kommt aus einem fiktiven südamerikanischen Land, wohl in Erinnerung an eine Zeit, als sich die Welt noch für Diktatoren dort interessierte.
Wobei sich auch Jochen Bitzer, der das Drehbuch zu Tatort: Tyrannenmord geschrieben hat, nicht so wirklich für das Thema interessiert. Die prinzipiell spannende Diskussion, wie man gehen einen Despoten vorgehen kann und darf, spielt nach dem Einstieg überhaupt keine Rolle mehr. Ein bisschen wird zumindest noch thematisiert, dass Politik mit solchen Regimen automatisch Kompromisse bedeutet: Biete Handelsvereinbarung, fordere mehr Pressefreiheit. Das sind dann aber auch schon die einzigen Stellen, in denen es so etwas wie Nachdenklichkeit oder Ambivalenz gibt. Stellen, die zumindest versuchen, dem selbst vorgegebenen inhaltlichen Rahmen gerecht zu werden. Der Rest des Films ist völlig unpolitisch.
Eine Auflösung für die Tonne
Tatsächlich wird schon früh aufgeklärt, dass die Situation etwas anders ist als gedacht. Einige Fragen bleiben dennoch offen und werden erst spät beantwortet. Leider sind diese Antworten aber auch das große Problem von Tatort: Tyrannenmord. Selbst wer sich damit abfinden kann, dass der Film sein brisantes Thema derart in die Tonne tritt, muss sich auf Irritationen gefasst machen. Die eigentliche Auflösung ist gelinde gesagt eine Frechheit: Nicht nur dass die Geschichte sich billig aus der Affäre zieht. Das ergibt alles auch keinen wirklichen Sinn. Die Figuren machen einfach irgendwas, ohne dass sich irgendwer dafür interessieren würde, ob das Verhalten irgendwie plausibel oder stimmig ist. Dass unsere Helden den Fall nicht so wirklich aus eigener Kraft lösen, ist daher nachzuvollziehen. Wer soll denn auf so einen Blödsinn kommen?
Wenn denn wenigstens der Unterhaltungsfaktor stimmen würde. Doch selbst in der Hinsicht ist Tatort: Tyrannenmord eine Enttäuschung. Nach einem stimmungsvollen Auftakt wird es zunehmend langweiliger. Das liegt maßgeblich auch an der Figurenzeichnung, die beispielsweises aus dem als bedrohlich angelegten Bodyguard Carlos (José Barros) eine Karikatur machte und damit die Chance auf Spannung zunichtemacht. Und selbst wenn das überzeugen sollte, ist die Hürde hoch, sich für das Schicksal der Anwesenden zu interessieren, die durch die Bank weg nerven – Falke inklusive. Auch wenn am Ende trotz des Versprechens kein Tyrann ermordet wurde, ein Todesopfer gibt es: die eigene gute Laune.
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