Kaum ein Künstler hat sich während seiner Karriere so nachhaltig für die Rechte Homosexueller eingesetzt wie Derek Jarman, der in seinen Filmen nicht nur eine sehr eigene Bildsprache schuf, sondern zugleich sein Engagement für dieses Anliegen immer wieder in die Geschichten einbrachte, die seine Werke erzählen. Caravaggio, The Angelic Conversation, Edward II oder Wittgenstein sind dabei aber keineswegs nur Mittel zum Zweck oder verfolgen gar eine soziopolitische Agenda. Vielmehr werfen sie einen Blick auf eine andere Perspektive auf bekannte Figuren oder Narrative, die sehr eigenwillig und fremd sein kann, die aber den Zuschauer nicht kalt lässt, sodass man sich positionieren muss. Nach seiner eigenen Diagnose, dass er HIV-positiv sei, schränkte Jarman deswegen keinesfalls sein Arbeitspensum ein, ganz im Gegenteil, denn die Folgejahre zeigten ihn sowohl in künstlerischer Hinsicht wie auch bezogen auf sein Engagement für die Rechte Homosexueller auf einem Höhepunkt seiner Karriere. Seinen Kampf gegen das Virus und welche gesellschaftlich-politischen Folgen dieses nach sich ziehen sollte, beschäftigen Jarman zeit seines Lebens und er sollte mehr als einmal Stellung beziehen zu der Art und Weise, wie dieses Virus nicht nur sozialen Ressentiments einen weiteren Aufschub gab, sondern auch die Errungenschaften der LGBTQ-Gemeinde ernsthaft bedrohte.
Neben seinen Spielfilmen sind in diesem Kontext auch die Experimentalfilme Jarmans interessant, in denen er zum einen mit filmischen Erzählformen experimentierte und zum anderen nach neuen Wegen suchte, den Zuschauer in die Themen seiner Werke zu involvieren. Neben The Angelic Conversation (1985) und Blue (1993) gehört sicherlich The Garden (1990) zu den wichtigsten Werken Jarmans, geben sie dem Zuschauer doch einen Eindruck über die breite Palette an künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten, über die Jarman verfügte. Nach einem Jahrzehnt, das auf Seiten der LGBTQ-Gemeinde vor allem vom HIV-Virus und dem drohenden Verlust gesellschaftlicher Akzeptanz geprägt war, erscheint The Garden wie eine Art Zwischenbilanz des Regisseurs. Als Ausgangspunkt wählte er sein kleines Haus in Dungeness, an der Küster in der Nähe der englischen Stadt Kent, sowie den dazugehörigen Garten und vermischt neben unterschiedlichen Kommentaren in Bezug auf Gesellschaft und Politik auch diverse andere Ausdrucksformen und Symbole, beispielsweise auf dem Bereich der Theologie. Seine Mitstreiter vor und hinter der Kamera bestanden aus Crewmitgliedern und Schauspielern, mit denen Jarman bereits mehrfach zusammengearbeitet hatte, wie Tilda Swinton und Michael Gough.
Apokalypse, Verfolgung und Kommerz
Wer bereits einige der Spielfilme Jarmans gesehen hat, wird sicherlich schnell einen Zugang zu der verwobenen Bildsprache des Filmes finden, in dem der Regisseur seinem Faible fürs Experiment in mehr als nur einer Hinsicht frönt. Gleich mehrere Techniken kommen in The Garden zum Einsatz, angefangen bei den körnigen Super 8-Bildern bis hin zu diversen Farbfiltern oder auditiven Verzerrungen oder starken Kontrasten, wobei Jarmans Film changiert zwischen der Darstellung von Polizeigewalt bis hin zu einer poppig-bunten Darbietung eines Werbe-Jingles. Religiöse Figuren wie die Madonna (Swinton) oder Judas (Philip Macdonald) werden in einen neuen Kontext gesetzt, und während die eine sich aufdringlichen Paparazzi erwehren muss, versucht der andere Kreditkarten an den Mann zu bringen und preist diese mit vollmundigen Versprechungen an. Der Garten Jarmans, um bei der zentralen Metapher des Filmes zu bleiben, ist vielmehr ein Potpourri des Wahnsinns eines ganzen Jahrzehnts, der Gewalt, des Kommerzes sowie der letzten Ausläufer der Me-Generation der 70er.
Im Zentrum der Handlung, sofern man von einer sprechen kann, steht ein homosexuelles Pärchen, welches entweder einige der Ereignisse lediglich beobachtet oder direkt von ihnen betroffen ist. Während Szenen wie die, in denen sie von Polizisten grausam gedemütigt werden, ganz klar in ihrer Botschaft sind, scheint Jarman auch kritisch mit jener Gemeinschaft umzugehen, die in mehr als nur einer Einstellung als oberflächlich entlarvt wird und mit welcher Gleichgültigkeit bestimmte politische Entscheidungen wie der umstrittene Section 28 Paragraf von dieser aufgenommen wurde.
OT: „The Garden“
Land: UK
Jahr: 1990
Regie: Derek Jarman
Drehbuch: Derek Jarman
Musik: Simon Fisher Turner
Kamera: Derek Jarman, Christopher Hughes, Richard Heslop
Besetzung: Tilda Swinton, Johnny Mills, Kevin Collins, Spencer Leigh, Michael Gough, Philip Macdonald
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