Neuseeland, 1860: Eigentlich führte Charlotte Lockton (Alice Eve) ein glückliches ruhiges Leben. Doch damit ist es schlagartig vorbei, als eines Tages maskierte Männer bei ihr auftauchen, ihren Ehemann David (Lukas Hinch) töten und den gemeinsamen Sohn entführen. Zwar versuchen die Behörden, ihr in dieser schweren Zeit zu helfen und das vermisste Kleinkind wiederzufinden. Aber ohne Erfolg. Für sie selbst kommt es aber nicht in Frage vorzeitig aufzugeben. Ihr Sohn lebt, davon ist sie fest überzeugt. Tatsächlich scheint sie mit dieser Vermutung Recht zu behalten, als sie einen herbeigesehnten Hinweis auf den Aufenthaltsort des Jungen erhält. Und so macht sie sich auf den langen Weg und muss dabei zahlreiche Gefahren überwinden. Sie ist sogar bereit, auf all ihren Besitz zu verzichten, wenn sie nur ihr Kind zurückbekommt …
Eine Frau kämpft um ihr Kind
Auch wenn der Bereich des Rachethrillers ein von Männern dominiertes Genre ist, in den letzten Jahren hat es doch eine ganze Reihe von Filmen gegeben, in denen Frauen nach einem erlittenen Unrecht die Sache in die Hand nehmen. Volt und The Rhythm Section – Zeit der Rache fallen einem da beispielsweise ein. Oder auch The Nightingale – Schrei nach Rache. Letzteres drängt sich bei The Stolen geradezu als Vergleich auf. Beide spielen sie in einem historischen Setting im 19. Jahrhundert, der erst in Australien, der zweite in Neuseeland. In beiden Fällen wird der Ehemann ermordet und es spielt ein Kleinkind eine große Rolle. Während dieses beim ersten Film gleich mit ermordet wird, überlebt es im zweiten und wird zum unbedingten Ziel der Protagonistin.
Damit einher geht eine Schwerpunktverschiebung. Es geht Charlotte weniger um Rache. Sie dürstet nicht danach, die Männer zu bestrafen, die ihr David genommen haben. Sie will lediglich ihren Sohn zurück. Wenn das ohne jegliche Gewalt geht, dann umso besser. Umso mehr, da The Stolen sie zu Beginn als Pazifistin beschreibt, die trotz des Drängens ihres Mannes keine Waffe in die Hand nehmen will. Von benutzen ganz zu schweigen. Umso beeindruckender ist ihr Wandel im Laufe der Geschichte. Sie wird zwar zu keiner Kampfamazone vergleichbar zu den oben genannten Filmen, in denen die Frauen eine Schneide der Zerstörung hinter sich lassen. Bis zum Schluss versucht sie es lieber mit Worten oder Geld. Doch im Notfall, so viel wird klar, kann sie auch anders.
Unterwegs in einer feindlichen Welt
Ihre eher friedfertige Ader wird im Film auch ausgiebig zu Kontrastzwecken genutzt. Charlotte ist ein weltfremder Mensch, der dank seines Reichtums in einer Blase lebte. Von dem, was um sie herum geschieht, bekommt sie fast gar nichts mit. Als sie ihr Zuhause verlässt und sich auf die Suche begibt, bedeutet das einen ziemlichen Kulturschock. Sie muss auf Angehörige der Ureinwohner vertrauen, schließt Freundschaft mit Prostituierten, muss lernen, was es bedeutet, sich in einer feindlichen Welt durchzuschlagen. The Stolen ist damit nicht nur die Geschichte einer Suche, auch wenn diese natürlich das Zentrum der Reise bildet. Vielmehr erzählt Regisseur und Co-Autor Niall Johnson auch von einer inneren Reise, in deren Verlauf die Protagonistin einiges über die Welt lernt – und über sich selbst.
Allzu viel sollte man in der Hinsicht aber nicht erwarten. Johnson hat dann doch nicht die größten Ambitionen, was seine Geschichte angeht. Aber sie funktioniert, bringt das Nötigste mit für einen solchen Film. Und auch sonst gibt man sich bei The Stolen keine Blöße. Da sind einige schöne Aufnahmen aus Neuseeland dabei, wenn Charlotte bei ihrer Suche durch das Land zieht und an den unterschiedlichsten Orten Halt macht. Die Klassenunterschiede zwischen der Protagonistin und ihren Mitreisenden sind ebenfalls nicht ohne Reiz. Warum der Film etwas unerwartet fünf Jahre später in den deutschen Kinos auftaucht, wird zwar nicht ganz deutlich. Wer aber mal wieder einen historischen Western sehen möchte, der findet in der feministischen Variante einen sehr soliden Beitrag.
OT: „The Stolen“
Land: UK, Neuseeland
Jahr: 2017
Regie: Niall Johnson
Drehbuch: Niall Johnson, Emily Cocoran
Musik: Paul Lawler
Kamera: Alun Bollinger
Besetzung: Alice Eve, Jack Darenport, Graham McTravis, Richard O’Brien, Cohen Holloway
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