Seit vielen Jahren schon sind Victor Van Allen (Ben Affleck) und Melinda (Ana de Armas) miteinander verheiratet, ziehen gemeinsam Tochter Trixie (Grace Jenkins) auf. So richtig groß sind die Gefühle füreinander aber nicht mehr. Nur selten fühlen sich die zwei noch zueinander hingezogen. Stattdessen streiten sie sich nur noch, sofern sie sich überhaupt noch beachten. Auch deshalb zieht es Melinda immer wieder zu anderen Männern hin. Sonderlich subtil ist sie dabei nicht, eigentlich weiß jeder, was da gespielt wird. Vic versucht, diese Eskapaden zu ignorieren, wie es nur irgendwie geht. Behauptet, ihm sei das alles egal – bis er eines Tages einem ihrer Lover sagt, er habe einen ihrer früheren Freunde ermordet, was nicht nur sein Gegenüber schwer verunsichert …
Keine Liebe für den Erotikthriller
Als Disney den direkten Konkurrenten Fox aufkaufte, übernahmen sie automatisch jede Menge noch unveröffentlichter Filme. Das Vertrauen in diese war zuweilen aber offensichtlich geringer. Natürlich funkte auch die Corona-Pandemie dazwischen, welche die Kinostarts maßgeblich behinderte. Aber es ist schon auffällig, dass nahezu alle Thriller aus dem Nachlass zu Streamingdiensten abgeschoben wurden. Sonderlich wählerisch zeigte man sich dabei nicht. The Empty Man war immerhin noch allgemein als digitaler Titel verfügbar. The Woman in the Window landete bei Netflix. No Exit wurde dem eigenen Angebot Disney+ einverleibt. Tiefe Wasser wiederum ist nun ein Amazon Prime Video Film geworden, zumindest außerhalb der USA.
Bei Letzterem ist die Online only Veröffentlichung ein wenig verwunderlich, schließlich wurde da jahrelang kräftig gehypt. Nicht nur dass mit Ben Affleck und Ana de Armas zwei große Hollywood-Stars die Hauptrolle spielen. Sie wurden auch ein Paar, was bei einem Erotikthriller noch ein bisschen mehr Knistern verspricht. Und dann wurde der Film auch noch von Adrian Lyne inszeniert, der mit 9 ½ Wochen einen der großen Hits in diesem Bereich gedreht hatte, dreieinhalb Jahrzehnte zuvor. Das weckt schon gewisse Erwartungen. Erwartungen, die Tiefe Wasser am Ende nicht erfüllen kann oder will. Erotik gibt es in dem Film so gut wie keine. Drüber gesprochen wird zwar oft, ansonsten gibt man sich hier aber so züchtig, dass man sich schon fragen darf, weshalb der Film immer wieder diesem Genre zugerechnet wird.
Wahrheit oder Lüge?
Aber auch der Thrillerpart im vermeintlichen Erotikthriller überzeugt nicht. Denn das würde voraussetzen, dass hier irgendwann einmal Spannung aufkommt. Die ist aber allenfalls nur gegen Ende mal zu finden. Und selbst da wäre die Bezeichnung „spannend“ sehr geschmeichelt angesichts des dezent idiotischen Showdowns. Ein bisschen Neugierde ist bei Tiefe Wasser hingegen schon drin. Mit der Erklärung von Vic, er habe einen Freund von Melinda ermordet, kommen die Zweifel in die Geschichte. Zweifel beim Umfeld des Paares, etwa beim Schriftsteller Don Wilson (Tracy Letts), der in dem Bekenntnis eine große Geschichte wittert. Doch auch die Zuschauer und Zuschauerinnen dürfen rätseln, ob hinter dem vermeintlichen Spaß mehr steckt. Ob der genüsslich provozierende Ehemann Aufschneider oder Killer ist.
Auch das hätte prinzipiell packend sein können. Über weite Strecken ist die Adaption eines Romans von Patricia Highsmith (Die zwei Gesichter des Januars, A Kind of Murder) aber lediglich das Porträt eines dysfunktionalen Paares. Es ist noch nicht einmal so, dass das Paar irgendwie sympathisch oder interessant wäre, dass man unbedingt mit ihnen Zeit verbringen wollte. Stattdessen gehen sie einem schon nach kurzer Zeit derart auf die Nerven, dass man wünschen würde, dass da tatsächlich ein Mord geschieht. Vorzugsweise an einem der beiden Figuren. Stattdessen ist man an sie gekettet, leidet mit und unter der Monotonie ihrer Ehe und der Monotonie der wieder und wieder und wieder aufflammenden Streitereien. Wenn sie sich zwischendurch an die Wäsche gehen oder so tun als ob, ist man ihnen deshalb richtig dankbar. Nicht weil sie damit irgendwelche voyeuristischen Bedürfnisse befriedigen. Aber streiten sie währenddessen nicht.
Thriller ohne Tiefgang
Eine wirkliche Katastrophe ist der Film nicht, zumindest ist er besser als der Leidensgenosse The Woman in the Window. Es gibt ein paar nette Aufnahmen, die schauspielerischen Leistungen sind im Rahmen des vom Drehbuch aus Machbaren gut. Dann und wann gibt es sogar tatsächlich bissige Wortgefechte, die einen gewissen Unterhaltungswert mit sich bringen. Nur eben nicht genug. Tiefe Wasser ist entgegen des Titels ein oberflächlicher Thriller, der einfach nur vor sich her plätschert. Die psychologisch durchaus interessante Konstellation bekommt nicht die Nuancen, die es für ein solchen Film gebraucht hätte. Wenn es an einer Stelle heißt, die beiden sollten vielleicht einen Paartherapeuten aufsuchen, ist man gewillt dem zuzustimmen. Der würde zumindest dafür bezahlt, den beiden zuzuhören, anstatt einfach nur wie man selbst seine Zeit zu verschwenden.
OT: „Deep Water“
Land: USA, Kanada
Jahr: 2022
Regie: Adrian Lyne
Drehbuch: Zach Helm, Sam Levinson
Vorlage: Patricia Highsmith
Musik: Marco Beltrami
Kamera: Eigil Bryld
Besetzung: Ben Affleck, Ana de Armas, Tracy Letts, Grace Jenkins
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)