Nur wenige Tage hat Bobby Cooper (Sean Penn) Zeit, bevor sein Gläubiger abermals seine Männer zu ihm schickt, die ihm dieses Mal wohl mehr als nur zwei Finger abschneiden werden. Auf dem Weg nach Las Vegas ist Bobby dennoch gut gelaunt, denn er hat es geschafft, die 13.000 Dollar aufzutreiben, um endlich schuldenfrei zu sein und hoffentlich ein neues Leben zu beginnen. Seine Fahrt findet ein jähes Ende, als er wegen eines geplatzten Kühlerschlauchs gezwungen ist, in dem kleinen Ort Superior einzukehren, wo der wenig vertrauensvoll aussehende Mechaniker Darrell (Billy Bob Thornton) sein Auto wieder reparieren soll. Um sich die Zeit zu vertreiben, spaziert Bobby durch die größtenteils verlassenen Straßen des Ortes, wo ihm sofort die schöne Grace McKenna (Jennifer Lopez) ins Auge fällt. Auch sie scheint einem kleinen Flirt nicht abgeneigt und lädt Cooper zu sich nach Hause ein, wo aber schon bald ihr Ehemann Jake McKenna (Nick Nolte) auftaucht. Nachdem er ein paar Schläge kassiert hat, verlässt Bobby das Haus der McKennas, wird aber schon nach kurzer Zeit wieder von Jake aufgegabelt, der ihm ein überraschendes Angebot macht: Er soll Grace gegen einen Teil ihrer Lebensversicherung umbringen.
„Alle heutigen film noirs sind Betrügereien.“
Die Karriere von Regisseur und Drehbuchautor Oliver Stone ist geprägt von vielen persönlichen wie auch künstlerischen Krisen, in gewisser Weise eine Art Reflektion des Bildes der USA, welches immer wieder in seinen Filmen wie Scarface, Wall Street oder Platoon zu sehen ist. Von daher ist es fast schon etwas verwunderlich, dass sich jemand, der sich so für die dunklen Seiten seiner Heimat interessiert, erst Ende der 1990er seinen ersten film noir drehte. Bei diesem bestand Stone darauf, dass es sich um einen echten film noir handelt, der sich nicht nur durch seine Konsequenz auszeichne, sondern zudem seine Themen wie Gier, Korruption und Machtspiele. Bei der Kritik und beim Publikum kam U-Turn, der auf einem Roman von John Ridley basiert, jedoch gar nicht gut an, wobei sich die Rezeption, zumindest auf der Seiten des Publikums, mit der Zeit sehr zugunsten des Filmes geändert hat.
Im Gegensatz zu den film noirs der 1930er und 1940er Jahre fällt U-Turn zwar nicht gerade durch seine Schwarz-Weiß-Kontraste auf, dafür aber durch eine fast schon ironisch wirkende Helle, welche gerade die Verkommenheit der einzelnen Figuren zu betonen scheint. Die grelle, unbarmherzige Sonne Arizonas, gepaart mit der allgegenwärtigen Wüste ergibt eine fiebrig-unangenehme Grundstimmung. Diese wird noch ergänzt durch den seit Natural Born Killers typischen Inszenierungsstil Stones, der auf verschiedene Filmtypen wie auch teils ungewöhnliche Blickwinkel setzt, welche nicht nur die Eigenarten der Figuren einfangen, sondern auch ihren inneren Zwiespalt zwischen ihren niederen Instinkten sowie ihren Sehnsüchten. Diese sind meist nicht weniger morbide, korrupt oder moralisch verkommen. Stone bietet seinem Zuschauer keine Identifikationsfiguren, wie Filmpublizist Stefan Jung in seinem Essay Auf Abwegen – Oliver Stones fiebriger Neo-Noir „U-Turn“ (1997) festhält, dafür aber eine kunterbunte Collage an Ganoven, Mistkerlen, Schlägern oder Betrügern, bei denen man sich nie sicher sein kann, wann sie einem in den Rücken fallen werden.
Das Amerika der Gestrandeten
Vor diesem Hintergrund wirkt ein Ortsname wie „Superior“ fast schon ironisch, bedenkt man, welchen Charakteren man dort begegnet. Ironie ist aber der zweite wichtige Aspekt bei U-Turn, der immer wieder anzeigt, welchen Weg eine Figur wie der von Sean Penn gespielte Bobby nehmen könnte, wenn er einmal innehalten und über sein Handeln reflektieren würde. Der für seine Charakterrollen bekannte Penn spielt mit großer Hingabe einen waschechten Verlierer, einen Gestrandeten, der, anstatt vor seinen Dämonen zu fliehen, beschlossen hat, diese immer mehr zu verinnerlichen. Bobby ist in gewisser Weise eine Art Spiegelbild für die anderen Männerfiguren des Filmes, mit Ausnahme vielleicht des blinden Indianers und des Mechanikers, die wie überdrehte Karikaturen wirken und damit ihres Unglücks Schmied werden.
Eine wirkliche Entdeckung ist jedoch Jennifer Lopez, die in einer ihrer ersten großen Rollen zu sehen ist und sträflicherweise in nur wenigen Kritiken zu Stones Film eine Rolle spielt. Nicht nur spielt sie die Verführerin, die für den film noir obligatorische femme fatale, sondern zugleich eine Figur, die auf ihr Recht pocht, wahrgenommen zu werden, unabhängig zu sein und sich zu nehmen, was ihr gehört. Es ist eine beeindruckende frühe Leistung der Lopez, die einer der vielen Gründe ist, warum gerade U-Turn zu den Highlights in Stones Karriere zählt.
OT: „U-Turn“
Land: USA
Jahr: 1997
Regie: Oliver Stone
Drehbuch: John Ridley
Vorlage: John Ridley
Musik: Ennio Morricone
Kamera: Robert Richardson
Besetzung: Sean Penn, Jennifer Lopez, Nick Nolte, Powers Boothe, Claire Danes, Joaquin Phoenix, Billy Bob Thornton, Jon Voight
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Goldene Himbeere | 1998 | Schlechteste Regie | Oliver Stone | Nominierung |
Schlechtester Nebendarsteller | Jon Voight | Nominierung |
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