Mit kriminellen Machenschaften kennt sich Eugène-François Vidocq (Vincent Cassel) bestens aus, hat er doch nicht wenige selbst begangen. Doch als er fälschlicherweise eines Mordes wegen beschuldigt wird, den ihm Maillard (Denis Lavant) in die Schuhe schieben will, beschließt er die Seiten zu wechseln. So erklärt er sich bereit, dem Pariser Polizeichef Jean Henry (Patrick Chesnais) bei der Aufklärung von Verbrechen zu unterstützen. Im Gegenzug winken ihm Straferlass. Aber nicht alle sind glücklich über diesen Deal. Während manche diese Entwicklung sehr nervös macht und sie in Vidocq eine große Gefahr sehen, die es zu beseitigen gilt, sieht dessen ehemaliger Komplize Nathanaël de Wenger (August Diehl) darin enormes Potenzial. Schließlich träumt er davon, Herrscher der Unterwelt zu werden …
Auf beiden Seiten des Verbrechens
Eugène-François Vidocq gehört sicherlich zu den faszinierendsten Figuren der französischen Kriminalgeschichte. Dass jemand die Seiten wechselt und ein ehemaliger Verbrecher selbst Verbrecher jagt, ist für sich genommen schon sehr spannend. So begann er 1809, andere Häftlinge in seinem Gefängnis zu bespitzeln und auf diese Weise wertvolle Informationen an die Polizei weiterzugeben. Außerdem war er einflussreich im Hinblick auf die Entwicklung kriminologischer Ermittlungen. Manche bezeichnen ihn gar als ersten Privatdetektiv. Kein Wunder also, dass er in so vielen künstlerischen Werken unterkam. Er inspirierte beispielsweise die bedeutenden zeitgenössischen Literaten Victor Hugo und Honoré de Balzac. Auch in Theaterstücken, Filmen und Comics wurde die historische Figur auf die eine oder andere Weise aufgegriffen.
Regisseur und Co-Autor Jean-François Richet (Das Ende – Assault on Precinct 13) kehrt bei seiner Fassung der Geschichte zu den Anfängen der kriminologischen Laufbahn zurück. So erzählt er in Vidocq – Herrscher der Unterwelt von dem Sinneswandel des Protagonisten, als er von der Seite des Verbrechens zu der der Verbrechensbekämpfung wechselte. Das bedeutet natürlich, dass er ein bisschen etwas Heldenhaftes an sich haben muss, damit man diesen Wandel dem Publikum verkaufen kann. Und das funktioniert am besten, indem er in Kontrast mit anderen noch schlimmeren Verbrechern gesetzt wird: Maillard und Nathanaël de Wenger. Wer irgendwie gegen diese antritt, der muss zu den Guten gehören. Oder zumindest weniger schlecht sein, was fast genauso gut ist.
Starke Besetzung und düstere Atmosphäre
Das ist prinzipiell ein patentes Mittel, um die Ambivalenz der Hauptfigur zeigen zu können, die irgendwo zwischen den Fronten zwischen gut und böse gelandet ist. Sie gibt Vincent Cassel (Tödliche Versprechen – Eastern Promises, Dobermann) auch die Gelegenheit, zwei Stunden lang mit grimmigem Gesichtsausdruck durch die Gegend zu laufen und trotzdem nicht mit dem Antagonisten verwechselt zu werden. Schließlich ist da noch Denis Lavant, der sich als widerwärtiger und grober Wüterich ins Gedächtnis pöbelt. Der deutsche Schauspieler August Diehl, der in Vidocq – Herrscher der Unterwelt seine Französischkenntnisse unter Beweis stellen darf, bleibt da zunächst weniger eindeutig. Er gibt sich feinsinniger, verführerischer, verschlagener. Einer, dessen Grausamkeit erst auf den zweiten Blick offensichtlich wird.
Ohne großen Eindruck bleibt hingegen Olga Kurylenko in der Rolle einer Baronin, die ebenfalls ein paar Leichen im Keller versteckt hat. Richet und sein Co-Autor Éric Besnard (À la Carte! – Freiheit geht durch den Magen) versuchen sich an den Stellen an einem größer angelegten Zeitporträt, tun damit aber weder sich noch dem Publikum einen Gefallen. Die Geschichte zerfasert dadurch nur unnötig, die beiden nehmen auf diese Weise die Spannung heraus. Das ist schade, weil neben dem eigentlichen Szenario und dem Ensemble auch die Atmosphäre überzeugt. Der recht kostspielige Krimi hat eine schicke Düsteroptik, in der irgendwie ganz Paris zu einem Ort des Schreckens wird. Insofern ist es schade, dass Vidocq – Herrscher der Unterwelt seinerzeit ziemlich unterging und an den französischen Kinokassen enttäuschte, die Wahrscheinlichkeit einer Fortsetzung ist da recht gering. Das Potenzial für eine ganze Reihe hätte das Setting gehabt. So bleibt eine solide Zeitreise, mit der man es sich schon am Abend vor dem Fernseher gemütlich machen kann, von der man aber das Gefühl hat, sie sei nur der Auftakt für eine größere Geschichte.
OT: „L’Empereur de Paris“
Land: Frankreich
Jahr: 2018
Regie: Jean-François Richet
Drehbuch: Éric Besnard, Jean-François Richet
Musik: Marco Beltrami, Marcus Trumpp
Kamera: Manuel Dacosse
Besetzung: Vincent Cassel, Olga Kurylenko, August Diehl, Freya Mavor, Denis Ménochet, Fabrice Luchini, Denis Lavant, Patrick Chesnais
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