Im Jahre 1978 spürt man im Iran bereits die Zeichen der Zeit und dass sich etwas ändern wird in der Zukunft des Landes. Doch in vielen Teilen des Landes scheint seit vielen Jahrzehnten bereits die Zeit einfach stillzustehen. So erscheint es zumindest Masoud (Navid Pourfaraj), dem Kommandeur eines kleinen Außenpostens des Militärs, nahe des Bergdorfes Zalava. Schon seit seinen ersten Tagen als Befehlshaber der Einheit schlägt er sich mit den Dorfbewohnern herum, besonders mit ihrem Aberglauben, der sie an Geister und andere Erscheinungen glauben lässt. In der letzten Zeit kommt es immer wieder zu einem besonders gefährlichen Ritual, denn die Dorfbewohner meinen, einer oder mehrere Dämonen würden ihr Unwesen unter ihnen treiben und von ihnen Besitz ergreifen. Durch das Konfiszieren der Gewehre im Dorf hatte Masoud gehofft, dem barbarischen Ritual Einhalt zu gebieten, doch die Dorfbewohner erreichen nicht nur die Rückgabe ihrer Waffen, sondern auch die Strafversetzung Masouds. Als er an seinem letzten Tage eigentlich schon seine Uniform an den Nagel gehängt hat, kommt es wieder zu einem Zwischenfall, in dessen Zentrum der selbsternannten Teufelsaustreiber Amardan (Pouria Rahimi San) stehen soll.
Ein Dämon im Dienste eines Menschen
Der Legende nach soll die Idee zu Friedrich Wilhelm Murnaus Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens auf einer Geschichte über einen echten Untoten und dessen Exhumierung beruhen, welche die Drehbuchautoren während des Ersten Weltkriegs von einer Bauernfamilie hörten. Auch Regisseur Arsalan Amiri hörte die Geschichte, die letztlich die Grundlage für seinen Film Zalava bildete, zunächst von seinem Vater, einem gebildeten Mann und einem ehemaligen Soldaten, der von einem Vorfahren ihrer Familie berichtete, der angeblich einen Dämon dazu gebracht hat, ihm zu dienen. Mehr noch als die Geschichte an sich, von denen es sehr viele in der islamischen Kultur gibt, beschäftigte Amiri der Aspekt des Glaubens und des Aberglaubens oder vielmehr, ob man heutzutage noch an die Existenz des Bösen in Form eines Dämons glauben könne.
Zalava, der auf internationalen Filmfestivals wie dem Fantastic Fest, den Filmfestspielen in Venedig wie auch dem Fajr Film Festival ausgezeichnet wurde und im Programm der Fantasy Filmfest Nights geführt wird, wird als eine Mischung aus Drama und Horror definiert. Viel mehr noch ist der Film eine Geschichte über den Zwiespalt eines Mannes, der gefangen ist zwischen seinem Glauben an das Fassbare und Rationale und seiner Wut und Frustration über den Aberglauben seines Umfelds, gegen den er versucht anzukämpfen. Konsequenterweise wirkt der Film über weite Strecken eher wie ein Kammerspiel, welches die Enge des Dorfes, des Aberglaubens und der Situation des Protagonisten einfängt, was über die gesamte Dauer des Filmes ein Gefühl der Beklemmung beim Zuschauer hervorruft. Das Dorf, wie es Amiri inszeniert und die Bilder von Kameramann Mohammad Rasouli zeigen, wird zu einem Labyrinth oder mehr einem Gefängnis, aus dem es kein Entkommen mehr gibt und in welchem die Moderne, mit ihrer Suche nach dem Erklärbaren, keinen Platz mehr hat, was auch die subtile Unruhe in Navid Pourfaraj mit großer Souveränität gespielten Hauptfigur erklären könnte.
Furcht und Glaube
In vielerlei Hinsicht erzählt Amiri eine der Ur-Geschichten des Genres an sich, nämlich den Konflikt zwischen Rationalismus und dem Übernatürlichen. Im Kontext des Iran am Vorabend der Revolution ergeben sich naturgemäß noch viele andere Aspekte, vor allem, da die Handlung so fernab der großen Städte spielt, nämlich in einem Randgebiet, welches schon seit Jahrhunderten nach ganz eigenen Regeln und Traditionen lebt. Die bereits erwähnte Enge ist ein Spiegel der Situation, doch zugleich eine Bestätigung dafür, dass sowohl der auf Rationalität bestehende Soldat wie auch die auf ihren Traditionen beharrende Dorfgemeinschaft Auslaufmodelle sind in einer Gesellschaft, die für sie schon bald keinen Platz mehr hat. Die Unsicherheit, das Glas, in dem sich eine Dämon befinden könnte, wird zu so etwas wie der Katze Schrödingers, bei der man sich nie sicher sein kann, ob es sich um eine Realität oder eine Fantasie handelt. In jedem Fall lässt einem allein die Frage keine ruhige Minute.
Langsam und mit viel Raum für seine Figuren erzählt Amiri von Glauben, Unsicherheit und Zweifel, der die Charaktere umtreibt. Als Gegenpol zum Soldat ist noch Pouria Rahimi Sams Exorzist zu nennen, der diesen mit großem Engagement spielt und immer ein Stück weit die Ambivalenz dieser sehr interessanten Figur bewahrt.
OT: „Zalava“
Land: Iran
Jahr: 2021
Regie: Arsalan Amiri
Drehbuch: Arsalan Amiri, Ida Panahandeh, Tahmineh Bahram
Musik: Ramin Kousha
Kamera: Mohammad Rasouli
Besetzung: Navid Pourfaraj, Pouria Rahimi Sam, Hoda Zeinolabedin, Baset Rezaei, Fereydoun Hamedi, Shaho Rostami
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