Langsam und behäbig wird Philip (Yannick van de Welde) per Aufzug ins Schwimmbecken gelassen. Während alle anderen Personen im Schwimmbad anscheinend mächtig Spaß haben, ist dies die einzige Möglichkeit für ihn, irgendwie ins Wasser zu gelangen. Er leidet an einer Form der Gelenksteife, ist deshalb schon sein Leben lang auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen und genau wie sein Freund Lars (Martijn Lakemeier) an den Rollstuhl gebunden. Gemeinsam mit ihrem sehbehinderten Kumpel Joost (Bas Hoeflaak) wollen sie aus dem Alltagstrott entfliehen und planen so einen Trip nach Spanien. Das große Ziel dabei ist es, endlich das erste Mal Geschlechtsverkehr mit einer Frau zu erleben. Doch schon nach kurzer Zeit stellen sich mehrere Probleme in den Weg: Wer soll den Wagen fahren? Und wie sollen die drei ihre Eltern von ihrem Vorhaben überzeugen? Als Lars zusätzlich dazu noch einen Tumor diagnostiziert bekommt, machen sich die drei gemeinsam mit der im Internet gefundenen Fahrerin Lub (Margot Ros) auf den Weg nach Spanien. Es entsteht ein verrückter Roadtrip voller Probleme und überraschenden Wendungen.
Spannende Geschichte mehrfach verfilmt
Der wahre Kern der Geschichte von Adios Amigos basiert dabei auf den erlebten Geschehnissen von Asta Anthonys Philpot. Dieser leidet an AMC, einer angeborenen Gelenksteife, und besuchte während eines Urlaubes in Spanien ein Bordell, welches Zugang für Rollstuhlfahrer aufwies. Ausgehend von dieser Erfahrung organisiert er eine Fahrt zu diesem Bordell, um Menschen mit Behinderung bei ihren Schwierigkeiten zu helfen, romantische und sexuelle Beziehungen einzugehen. Diese Geschichte wurde zuallererst 2009 durch eine Dokumentation der BBC beleuchtet. Darauf folgten insgesamt 3 Spielfilme: Der belgische Come As You Are aus dem Jahr 2011, der hier besprochene niederländische Adios Amigos aus dem Jahr 2016 und der amerikanische Come As You Are – Roadtrip ins Leben von 2019. Alle drei Spielfilmversionen haben die Grundzüge der Geschichte inne, nähern sich ihr allerdings jeweils auf eine eigene Art und Weise.
Bei einem so vielfach verfilmten Stoff lässt es sich zwangsläufig nicht vermeiden, Adios Amigos als einen Film von Vielen zu betrachten. Vielmehr neigt man als Betrachter*in dazu, den Film mit seinen Vorgängern und Nachfolgern zu vergleichen. Dabei muss es nicht unbedingt darum gehen, festzuhalten, was bei der niederländischen Version besser oder schlechter funktioniert, sondern eher was der Film anders macht. Dabei fällt relativ schnell ins Auge, dass Adios Amigos eher in die tragische als in die komische Kerbe schlägt. So erhält die Fahrt durch Lars’ Diagnose einen morbiden Beigeschmack und wirkt wie ein letzter Wunsch des Kranken.
Problematische Aussagen
Während vor allem der 2019 erschienene Come As You Are eine gefühlvolle und herzerwärmende Geschichte erzählt, schafft es die niederländische Version nicht, dieses gute Gefühl zu übertragen. Durch die Diagnose bekommt der Film eher eine gewisse Schwere verliehen, die versuchte Witze im Nichts verpuffen lässt. Genauer gesagt kommen die Szenen meist nicht über Slapstick-Einlagen hinaus, die die gezeigten Behinderungen sogar leicht ins Lächerliche ziehen. Auch das eigentliche Ziel der Reise stellt sich hier als wesentlich plumper und primitiver heraus. So lautet der Plan, auf Frauen zu warten, die so betrunken sind, dass ihnen egal ist, mit wem sie schlafen. Aus einem zwar lustigen, aber dennoch in gewisser Weise nachvollziehbaren Ziel, das die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung in den Vordergrund stellt, wird hier eine durchaus problematische Grundaussage.
Das wird ebenfalls in der ersten Sequenz des Filmes deutlich. Der Blick der Zuschauenden wird in einer Montage sichtlich durch die Kameraführung gelenkt und fällt auf zahlreiche junge Frauen in knappen Badeanzügen und Bikinis. Dabei wird ungeschönt auf Dekolletés und Hinterteile gefilmt, um das sexuelle Verlangen der drei Protagonisten zu verdeutlichen. Während der amerikanische Come As You Are clever mit der Thematik umgeht und nicht nur von drei Menschen mit Behinderung erzählt, die ihr erstes Mal vollziehen möchten, sondern von Akzeptanz, Bedürfnissen und Selbstfindung der eigenen Persönlichkeit berichtet, vollzieht Adios Amigos diese Vertiefung nicht. Hier scheint es viel eher um das bloße Verlangen zu gehen.
Die Gruppendynamik der drei Männer und ihrer Fahrerin weist ebenfalls keine großartige oder nennenswerte Chemie auf. So erfahren weder die Hauptfiguren selbst noch die Beziehung von ihnen untereinander eine wirkliche Etablierung. Somit wird das Mitfühlen erschwert, was ganze Handlungsverläufe im Sand verlaufen lässt. Wenn die drei Freunde aufgrund von Meinungsverschiedenheiten anecken, dann erschließen sich die Konsequenzen daraus nicht gänzlich, da die Zuschauenden im Unklaren darüber gelassen werden, inwiefern sich die Drei schon kennen und in welcher Beziehung sie genau zueinander stehen. So plätschert die Handlung langsam vor sich hin und mündet in einem Finale, das in gewisser Weise auch egal zu sein scheint.
OT: „Adios Amigos“
Land: Niederlande
Jahr: 2016
Regie: Albert Jan van Rees
Drehbuch: Anne Barnhoorn
Kamera: Dennis Wielaert
Besetzung: Martijn Lakemeier, Yannick van de Velde, Geert Lageveen, Juul Vrijdag, Margot Ros, Bas Hoeflaak
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