Für Ben Hoffmann (Kostja Ullmann) ist sein Auto sein ein und alles. Notgedrungen. Nicht nur dass er hiermit sein Geld verdient, ist er doch tagtäglich als Uber-Fahrer in Hamburg unterwegs. Oft genug ist es auch sein Zuhause, da er keine richtige Bleibe mehr hat. Da seine finanziellen Mittel zudem überschaubar sind, arbeitet er nebenher immer wieder als Housesitter und wohnt in den Häusern, während die Besitzer und Besitzerinnen verreist sind. Aber auch privat läuft es gerade bei dem Mittdreißiger nicht so rund. Eigentlich hätte das mit Nadja Jakubec (Claudia Eisinger) nur ein One-Night-Stand werden sollen. Stattdessen ist die jetzt schwanger, will von ihm aber nicht wirklich etwas wissen …
Das Auto als Treffpunkt
Wer wirklich etwas über die Menschen erfahren möchte, der muss an einen Ort gehen, an dem möglichst viele möglichst zufällig zusammenkommen und damit zu einem Querschnitt der Gesellschaft werden. Immer wieder beliebt in Filmen ist dabei das Taxi, welches von Haus aus ein Ort der Begegnung ist. Night On Earth und Taxi Teheran nutzten dieses, um die unterschiedlichsten Leute vorzustellen und damit die verschiedensten Geschichten erzählen zu können, von dramatisch bis komisch, von alltäglich bis skurril. Eine ähnliche Idee hatte man bei der australischen Serie Diary of an Uber Driver, welche 2019 herauskam und ganz zeitgemäß das Taxi durch den umstrittenen Fahrdienst ersetzte. Schon ein Jahr später zeigte Joyn eine adaptierte deutsche Fassung mit dem Titel Aus dem Tagebuch eines Uber-Fahrers, die dank ZDFneo nun auch ins lineare Fernsehen kommt.
Und doch geht die deutsche Serie in eine etwas andere Richtung als die oben genannten Beispiele. Ein Unterschied ist bereits im Titel Aus dem Tagebuch eines Uber-Fahrers versteckt: Wo meistens der Fahrer oder die Fahrerin ein Anlass sind, dass die Gäste über sich und ihr Leben erzählen, da steht hier der Fahrer sehr viel stärker im Mittelpunkt. Über längere Zeit rücken die Männer und Frauen, die in seinem Auto Platz nehmen, völlig in den Hintergrund. Sofern es sie überhaupt gibt: In den sechs Folgen der ersten Staffel sind immer wieder Passagen, in denen niemand transportiert wird. Stattdessen dürfen wir mehr über das nicht so tolle Leben von Ben erfahren, der nicht nur mit finanziellen Problemen zu kämpfen hat, sondern auch damit, dass die Mutter seinen noch nicht geborenen Kindes ihn nicht will.
Viele Möglichkeiten, beliebig umgesetzt
Damit einher geht ein weiterer großer Unterschied: Die Geschichte spielt, anders als man es bei dem Titel Aus dem Tagebuch eines Uber-Fahrers vermuten könnte, nur zum Teil im Auto selbst. Immer wieder sehen wir Ben, wie er entweder bei Nadja ist oder auch bei seinem temporären Zweitwohnsitz, den er sich als Housesitter gesichert hat. Während diese Szenen zwar etwas überraschend sind, aber doch noch irgendwie ins Thema passen, sind diejenigen, in denen Ben überhaupt nicht mitspielt, ziemliche Fremdkörper. Da kann es dann schon einmal sein, dass wir einem Fahrgast bis nach Hause folgen und mehr von dessen Alltag sehen. Das führt dazu, dass die Serie immer wieder ein eindeutiges Konzept vermissen lässt, wovon sie denn eigentlich erzählen will. Irgendwie ist alles möglich.
Gleichzeitig aber auch wieder nicht: Da jede Folge nur 25 Minuten lang ist, reicht hinten und vorne nicht die Zeit, um die einzelnen Anekdoten auch mal etwas zu vertiefen. Aus dem Tagebuch eines Uber-Fahrers wird dadurch immer etwas beliebig. Anders als viele dieser Taxi-Geschichten hat man hier zudem nicht wirklich etwas über die Gesellschaft zu sagen. Wenn die Serie wenigstens lustig wäre. Aber auch da gibt es Defizite, man fährt humoristisch immer mit angezogener Handbremse. Das ist schade, weil das Szenario sehr viel mehr hergegeben hätte. Hinzu kommen die vielen Gaststars, darunter Edin Hasanović, Hans Löw, Fahri Yardım und Susanne Wolff, die alle irgendwie verschwendet werden. Sollte es noch zu einer zweiten Staffel kommen, dann bitte mit besseren, griffigeren Drehbüchern.
OT: „Aus dem Tagebuch eines Uber-Fahrers“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Julian Pörksen
Drehbuch: Georg Lippert
Kamera: Manuel Mack
Besetzung: Kostja Ullmann, Claudia Eisinger, Marie Hacke, Timur Bartels, Bernd-Christian Althoff
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