Below Dreams folgt drei jungen Menschen in New Orleans: Leanne, einer alleinerziehenden Mutter von vier Kindern, die versucht ihre familiären Probleme mit ihrem Wunsch Schauspielerin und Model zu werden, zu vereinbaren. Eliott, einem Studenten aus New York, der eine Richtung in seinem Leben finden möchte. Und Jamaine, der nach seiner Zeit im Gefängnis auf der Suche nach einem Job ist. Begleitet werden alle drei von existenziellen Sorgen und der Hoffnung, aus der Unterschicht zu entkommen.
Verknüpfung von Realität und Fiktion
Hervorzuheben ist an Below Dreams vor allem der semidokumentarische Ansatz. So sind die meisten Dialoge improvisiert und die Hauptfiguren Versionen der tatsächlichen Laiendarsteller*innen, die sie verkörpern. Das verleiht dem Film einen sehr authentischen Anstrich. Dazu kommen spannende inszenatorische Aspekte. Denn entsprechend des semidokumentarischen Ansatzes folgt die Kamera den Figuren bei deren Alltag und greift Begegnungen und Gespräche mit anderen Menschen auf.
Was davon gestellt ist und was inszeniert, ist oft unklar, definitiv stellen diese Momente aber klare Highlights des Films dar. Die Überlegungen, die in diesen Momenten fallen, wirken unfassbar lebensnah und entfalten eine eigene, sehr faszinierende Straßenpoetik, die den ganzen Film durchströmt. Grundsätzlich ist Below Dreams ein Film, der sehr gekonnt mit seiner Stimmung arbeitet und seine ungeschönt, roh wirkenden Szenen immer wieder mit sphärischen Klängen und verträumten Bildern kontrastiert. In dieser Hinsicht ist die Verknüpfung von Realität und Fiktion sehr gelungen.
Anders sieht das bei den dramaturgischen Aspekten aus. Man merkt, dass Regisseurin und Drehbuchautorin Garrett Bradley (Time, Naomi Osaka) vor allem Erfahrung mit Dokumentarfilmen hat, da sich gerade in der ersten Hälfte des Films, sehr schön mit den Figuren treiben gelassen wird. Leider sorgt das ab der zweiten Hälfte aber dafür, dass die gezeigten Inhalte ziemlich beliebig und ziellos wirken.
Der Film schafft es nicht, die Figuren nahbar genug zu machen, als dass persönliche Momente wie Kindergeburtstage ihre volle emotionale Kraft entfalten könnten. Die Figuren werden zu Platzhaltern, um etwas Größeres zu repräsentieren. Nur ist Below Dreams aber auch nicht fokussiert genug, um die relevanten Strukturen dieses Lebensgefühls hervorzuheben.
Natürlich sorgt die extrem unmittelbare Sichtweise dafür, dass einige Aspekte sehr prominent platziert sind. Dennoch werden wir Zuschauenden nie mehr als eben das. Wir schauen, aber wir erleben nicht. Obwohl wir Jazz-Clubs sehen, Gespräche über die Auswirkung Catrinas, Hoffnung und Religion hören, nimmt New Orleans nie eine eigene Rolle ein, wie es beispielsweise Berlin in Fabian oder Der Gang vor die Hunde oder Berlin Alexanderplatz tut. Below Dreams will von allem etwas zeigen und ist dadurch so nah und doch so fern, so allgemein und doch so eingeschränkt und nimmt sich damit selbst etwas von seiner Ausdruckskraft.
Der American Dream
Dennoch schafft es der Film, den Stimmenlosen eine Stimme zu geben. Er zeigt wichtige Perspektiven aus der sozialen Unterschicht der USA. Die Abgehängten, die trotzdem ihre Hoffnungen haben, auch wenn sie eigentlich so weit unten sind, dass das Hoffen und Träumen absurd wirkt. Dabei zeigt sich auch der Glaube dieser Menschen an das System und das beinahe fanatische Festklammern am American Dream, man sei stets nur eine gute Idee von der Million entfernt. Und dass, obwohl es immer wieder Phasen der Einsicht, Kraft- und Hoffnungslosigkeit gibt. Below Dreams sorgt durch die Kombination dieser Momente für eine poetische Melancholie in seinem Realismus.
Bemerkenswert ist auch, welchen Stellenwert die Politik zugeschrieben bekommt. Diese ist im Film nämlich praktisch nicht existent und für die Figuren weitestgehend irrelevant. Die einzigen Kontaktpunkte sind durch administrative Hürden wie dem Kürzen der ohnehin minimalen Sozialleistungen. Trotzdem präsentiert Below Dreams eine Gesellschaftsschicht, die so sehr an der Politik vorbeilebt, wie diese an ihnen. Besonders interessant ist, dass Figuren lediglich die Umsetzung des Systems und nie das System selbst infrage stellen. Inwiefern mit dem Wunsch auf weitestgehend unlimitierte persönliche Freiheit auch der Verzicht auf Sozialstaatlichkeit einhergeht, bzw. eine Idee, was Sozialstaatlichkeit überhaupt bedeutet, liegt ihnen fern. Somit zeigt Below Dreams in dieser Hinsicht ein sehr spannendes Phänomen des US-amerikanischen Gesellschaftsverständnisses. Dieses wird zwar nicht näher beleuchtet oder explizit kritisiert, durch die Darstellung der daraus resultierenden Defizite lässt das Material aber letztlich nur diese Schlussfolgerung zu. Es sei angemerkt, dass die Feststellung dieses Phänomens keine Meisterleistung ist, in Below Dreams gelingt dies aber mit Abstrichen der beschriebenen dramaturgischen Probleme aber durchaus intuitiv und immersiv.
OT: „Below Dreams“
Land: USA
Jahr: 2014
Regie: Garrett Bradley
Drehbuch: Garrett Bradley
Kamera: Milena Pastreich, Brian C. Miller Richard
Besetzung: Elliott Ehlers, Jamaine Johnson, Rebecca Matalon, Leanne Miller, Dottie Youmans
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