Als Journalist, der sich Kriege und Konflikte spezialisiert hat, gehört Georg Laschen (Bruno Ganz) zu jenen Vertretern seiner Zunft, die mittlerweile keinerlei Illusionen mehr über die eigene Arbeit haben. Die vielen Reise in Kriegsgebiete, das viele Elend und die vielen Toten, welche er über die Jahre gesehen hat, haben ihn an dem Sinn seines Berufs zweifeln lassen und emotional verhärtet, was auch zu Spannungen in einer Ehe zu Greta (Gila von Weitershausen) und der Beziehung zu seinen beiden Kindern geführt hat. Fast schon willkommen erscheint ihm der Flug in den Libanon, wo er mit dem Fotografen Hoffmann (Jerzy Skolimowski) den dortigen Krieg dokumentieren soll. Tagsüber geht Laschen durch die Straßen der Hauptstadt, versucht einen Aufhänger für seinen Bericht zu finden und geeignete Motive, bis er und Hoffmann von bewaffneten Kämpfern entführt werden. Als man jedoch erfährt, dass Laschen und seine Begleiter nicht nur deutsch sind, sondern obendrein noch Reporter, verändert sich die Haltung der Kämpfer, die den beiden einen näheren Einblick geben wollen. Zur selben Zeit beginnt Laschen eine Affäre mit der Arianna Nassar (Hanna Schygulla), die schon seit Jahren in Beirut lebt und gelernt hat, mit dem Konflikt umzugehen.
Je länger Laschen die Bilder des Krieges sieht, der immer schlimmer zu werden droht, und je mehr er sieht, desto mehr beeinflusst dies seine Berichte, die er zurück nach Deutschland schickt und welche die Wahrheit über den Konflikt zeigen sollen. Dies bringt ihn jedoch in einen Konflikt mit seinen Vorgesetzten und stürzt ihn in eine tiefe Sinnkrise, weiß er doch nunmehr nicht, was eigentlich seine Aufgabe sein soll, wenn jeder nur an Sensationen interessiert ist.
Zwischen Täuschung und Wahrheit
Für seine Verfilmung des Romans Die Fälschung von Nicolas Born griff Regisseur Volker Schlöndorff keinesfalls, wie man vielleicht denken könnte, auf Sets oder einen anderen Drehort zurück, sondern auf das damals noch immer sehr umkämpfte Stadtzentrum Beiruts. Zwar konnte, wie es in einem Bericht zu den Dreharbeiten von Autor Jan Altaner heißt, ein „künstlerischer Waffenstillstand“ zwischen den Konfliktparteien vereinbart werden, doch die Stimmung am Set war nach wie vor angespannt und definiert von dem allgegenwärtigen Zustand des Krieges. Mit Die Fälschung, der aktuell im Rahmen des ALFILM Festivals 2022 vorgeführt wird, drehte Regisseur Volker Schlöndorff einen nach wie vor sehenswerten Film über Authentizität, Realismus und die Moral von Medien angesichts eines Konflikts wie dem Krieg im Libanon.
Wie Altaner in seinem Bericht über die Dreharbeiten weiter schreibt, war vielleicht die größte Täuschung aller Beteiligten, dass ein Zustand des Friedens anhalten könnte, denn schon kurz nach Verlassen des Filmteams gingen die Gefechte weiter und forderten neue Opfer. Wie der Protagonist im Roman und im Film verlässt man diesen Ort in dem Wissen, dass die Konfliktherde nach wie vor brennen und die Situation jederzeit eskalieren kann, was etwas ist, dass jemand wie Georg Laschen versucht so gut es geht auszublenden. Gleiches gilt für die Probleme in seiner Familie, die lange Abstinenz von Frau und Kind oder die damit verbundene Spannung zwischen den Eheleuten, welche er im Kriegslärm des Libanon versucht zu vergessen, was aber nur teilweise gelingt. Bruno Ganz spielt mit der für ihn typischen Sensibilität einen Menschen, der einem Irrtum zum Opfer fällt, nämlich der Fassade des Berichterstatters, der die Bilder zwar wahrnimmt, sich aber nicht von ihnen berühren lassen will. Diese Instanz, wie er herausfindet, obliegt vielmehr jenen Menschen daheim, die seine Berichte konsumieren und sogleich wieder vergessen, wenn es um eine andere Neuigkeit geht.
Der langweilige Krieg
Insgesamt erinnern die Reporter an jenen Figuren, wie sie beispielsweise Roland Joffé in The Killing Fields – Schreiendes Land oder Oliver Stone in Salvador zeigt. Während einige von ihnen jenen Prozess der Ausblendung und dem Fokus auf die Arbeit gelernt haben, fühlt sich Laschen mehr und mehr unwohl in dieser Position, nimmt jenen moralischen Widerspruch wahr, der seine Person ausmacht, die sich als Beobachter verstehen will, dies aber aufgrund der drastischen Ereignisse nicht mehr sein kann. Er muss den Krieg interessant gestalten, darf nicht, wie ihn sein Fotograf belehrt, immer nur dieselben Motive zeigen, sondern muss an die Sensation denken, da man ansonsten den Konflikt vergisst und er am Ende ohne Arbeit dasteht. Letztlich ist auch die Affäre nur eine Flucht vor diesem Widerspruch und dem Einsehen, dass er von der Komplexität des Konflikts, des Landes und seiner Kultur keinen blassen Schimmer hat.
In diesem Kontext ist Die Fälschung eine Geschichte, deren Aktualität weit über den dargestellten Libanonkrieg hinausgeht. Die Perspektive Laschens ist die des Westens oder kommt dieser sehr nahe, wenn es um die Sichtweise auf Konflikte geht, bei denen man zwischen Einschreiten oder Beobachten wählen muss. Die Täuschung besteht in der Idee, man habe alles verstanden, was mitnichten der Fall ist, genauso wie die Aussage, man würde die objektive Wahrheit berichten.
OT: „Die Fälschung“
Land: Deutschland, Frankreich
Jahr: 1981
Regie: Volker Schlöndorff
Drehbuch: Jean-Claude Carrière, Kai Hermann, Volker Schlöndorff, Margarethe von Trotta
Vorlage: Nicolas Born
Musik: Maurice Jarre
Kamera: Igor Luther, Michael Zens
Besetzung: Bruno Ganz, Hanna Schygulla, Jean Carmet, Jerzy Skolimowski, Gila von Weitershausen, Hans Peter Korff
Berlinale 1982
ALFILM 2022
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