Geld hat Gottlieb Herzinger (Branko Samarovski) reichlich. Doch so wirklich glücklich hat ihn das nicht gemacht: Seine Ehen sind gescheitert, die Tochter will nichts von ihm wissen, ihm fehlt ein wirklicher Sinn im Leben. Und so vegetiert in seiner abgelegenen Villa vor sich hin, unterstützt von seinem treuen Diener Dietrich Wagner (Ovidiu Schuhmacher). Dieser triste Alltag wird unterbrochen, als er eines den Zettel eines kleinen Jungen findet, der sich einige Sachen wünscht, die ihm selbst zu seinem Glück fehlen. Inspiriert von dem Schreiben macht er dessen Mutter Ines Schickling (Katharina Schüttler) sowie Firat Bozoklu (Eko Fresh) und Jasper Lipp (Manuel Rubey) ein Angebot: Wenn sie ein Jahr lang versuchen glücklicher zu werden und einmal wöchentlich über die Fortschritte reden, will er ihnen jeweils eine Million Euro geben. Die drei sind anfangs skeptisch. Doch die Aussicht auf ein solches Vermögen ist zu verlockend …
Eine Frage des Glücks
Was im Leben macht uns wirklich glücklich? Und was heißt das eigentlich, Glück? Das sind nur zwei der vielen Fragen, die bei Die Glücksspieler gestellt werden, zum Teil wörtlich, zum Teil nur implizit. Der Titel lässt dabei natürlich vermuten, dass es sich um irgendwelche tatsächlichen Glücksspiele handelt, sei es Poker, Black Jack oder auch Automaten. Von denen ist aber nichts zu sehen. Auch mit Wetten haben es die drei Hauptfiguren nicht so. Einen gewissen Einsatz gibt es für sie zwar auch, als sie sich auf das Angebot von Herzinger ein lassen. Aber wie schon früh klar gemacht wird: Eigentlich haben sie nichts zu verlieren, wenn sie an seinem eigenwilligen Experiment teilnehmen. Wenn es gut geht, sind sie am Ende glücklicher und um eine Million reicher. Wenn es schief geht, haben sie immer noch die Million, ohne größere Nachteile.
Dass die drei sich anfangs gegen das Arrangement sträuben, ist daher nicht wirklich nachvollziehbar, zumal sie jederzeit aussteigen können. Denn selbst die potenziell unangenehmen Gruppensitzungen, wenn sie Einblick in ihre jeweiligen Leben geben sollen, sind eigentlich ohne Risiko. Schließlich können sie auch einfach dasitzen und nichts sagen. Aber um Plausibilität geht es in Die Glücksspieler natürlich nicht. Der Einfall des exzentrischen Millionärs ist so absurd, dass nicht nur die drei Betroffenen noch einmal nachhaken, ob sie das richtig verstanden haben. Auch als Zuschauer bzw. Zuschauerin muss man sich erst einmal auf das etwas absonderliche Szenario einlassen, welches sich Regisseur und Co-Autor Michael Hofmann (Nimm du ihn) da hat einfallen lassen.
Der Alltag des Scheiterns
Die Geschichten innerhalb dieses Szenarios sind dafür deutlich alltäglicher. Klar, die Figur des autistischen Jaspers, der gut mit Zahlen, aber nicht gut mit Menschen kann, ist ein wenig außerhalb der gewohnten Erfahrungswelt. Hofmann nutzt dies auch immer mal wieder zu humoristischen Zwecken, wenn er sich beispielsweise mit dem Zwischenmenschlichen befassen muss. Das erinnert mehr als einmal an die beliebte Sonntagabendreihe Ella Schön, bei der ebenfalls eine autistisch veranlagte Person so ihre Schwierigkeiten hat, das Irrationale der Menschen in die eigene Weltsicht zu integrieren. Aber es ist eben nur eines von mehreren Schicksalen, welches Die Glücksspieler im Laufe der sechs Episoden erzählt. Die sind grundverschieden, haben aber eines gemeinsam: Bei keinem der drei läuft es gerade wirklich toll.
Geschichten um unglückliche Menschen, die eine neue Chance im Leben erhalten, laufen meistens darauf hinaus, dass irgendwelche Wohlfühlplattitüden ausgepackt werden. Vor allem im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist die Gefahr für besinnliche Belanglosigkeit recht hoch. Hofmann verzichtet jedoch dankenswerterweise darauf, einfach nur den einfachsten Ausweg zu suchen. Tatsächlich kann man sich darüber streiten, ob Die Glücksspieler überhaupt eine Form des Auswegs beinhaltet. Ohne jetzt das Ende der Geschichte vorwegzunehmen: Die Serie wählt ganz bewusst einen stärker vagen Weg, sowohl im Hinblick auf die Ereignisse wie auch die Figuren.
Weder gut noch böse
Das ist dann auch die Stärke, für eine ARD-Produktion ist das schon erstaunlich ambivalent. Die Figuren haben praktisch alle ihre Macken und können einen zuweilen in den Wahnsinn treiben. Sie sind aber größtenteils nicht schlecht. Ebenso gibt es niemanden, der allein gut ist. Herzinger etwa hat zweifelsfrei gute Absichten. Die Art und Weise, wie er sich in das Leben der drei einmischt und es zu ändern versucht, ist schon ziemlich übergriffig. Schon das Urteil, völlig Wildfremde seien unglücklich, stellt eine massive Grenzüberschreitung dar. Darüber kann man dann lachen: Die Glücksspieler hat immer wieder amüsante Momente, wenn die drei sowie deren Anhang in chaotische Situationen geraten und dabei sich oder anderen das Leben unnötig schwer machen. Zugleich lädt die Serie aber auch dazu ein, über all das nachzudenken und sich mit ganz existenziellen Fragen auseinanderzusetzen, ohne dass dabei wie so oft der Holzhammer geschwungen oder auf billige Kalendersprüche zurückgegriffen wird.
OT: „Die Glücksspieler“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Michael Hofmann
Drehbuch: Michael Hofmann, Bert Koß
Musik: Daniel Sus, Matthias Klein
Kamera: Christian Marohl
Besetzung: Katharina Schüttler, Eko Fresh, Manuel Rubey, Karolina Lodyga, Lena Dörrie, Sergej Moya, Branko Samarovski, Ovidiu Schumacher
Was bedeutet eigentlich Glück? Und warum fällt es uns so schwer, über unser Unglück zu reden? Diese und weitere Fragen haben wir Hauptdarsteller Manuel Rubey in unserem Interview zu Die Glücksspieler gestellt.
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