1915, in ganz Frankreich sind die Männer in den Krieg gezogen und mussten dafür ihre Familien zurücklassen. So auch bei Hortense Sandrail (Nathalie Baye), die gemeinsam mit ihrer Tochter Solange (Laura Smet) den Bauernhof der Familie weiterführt. Die Arbeit ist hart, bald schon merken die beiden, dass sie dringend Hilfe brauchen. Und so soll ihnen die junge Francine Riant (Iris Bry) zur Hand gehen, zumindest solange die Männer fort sind. Sie zeigt dabei Geschick und Durchhaltevermögen, überzeugt am Ende auch die zunächst skeptische Hortense. Doch dann kehrt Georges Sandrail (Cyril Descours) für eine Weile von der Front zurück, einer der Söhne der Familie, und bringt damit einiges durcheinander …
Bäuerinnen während des Ersten Weltkriegs
In Kriegsfilmen geht es meistens wahlweise Soldaten, die große Heldentaten vollbringen, oder solche, die bei dem Versuch große Opfer bringen müssen. Kurz: Es geht um die Männer. Doch was ist eigentlich mit den Frauen, die in dieser Zeit daheim bleiben und irgendwie versuchen müssen, das „normale“ Leben weiterzuführen und auf bessere Zeiten zu führen. Von eben diesen Frauen erzählte der französische Autor Ernest Pérochon in seinem 1924 veröffentlichten Roman Les gardiennes, in deren Mittelpunkt die Frauen einer Bauernfamilie stehen, die durch eine weitere Frau unterstützt werden. Und das gilt auch für den gleichnamigen Film von 2017, der auf dem besagten Buch basiert und den Alltag der Zurückgebliebenen beschreibt.
Das soll nicht bedeuten, dass es in Die Wächterinnen keine Männer gibt. Sie sind sogar eine treibende Kraft. So beginnt der Film damit, den Schrecken des Krieges aufzuzeigen. Später ist dieser zwar weit weg, der Einfluss ist aber immer zu spüren. Vor allem die Angst um die Angehörigen, die an die Front geschickt werden und bei denen man nie weiß, ob sie noch einmal zurückkommen werden, liegt wie ein Schatten über dem landwirtschaftlichen Alltag der Sandrails. Regisseur und Co-Autor Xavier Beauvois (Eine fatale Entscheidung, Drift Away) muss bei diesem Thema auch gar nicht große Worte verwenden. Eine der härtesten Szenen seines Filmes zeigt die Tragik des Krieges, ohne das Publikum mit dem Holzhammer bearbeiten zu müssen. Er verlässt sich darauf, dass die Reaktion bereits alles sagt, was es dazu zu sagen gibt.
Wortkarg und bildgewaltig
Überhaupt ist Beauvois niemand, der ausufernde Dialoge braucht, um seine Geschichte zu erzählen. Wichtiger ist ihm die Bildsprache. Tatsächlich dürfte Die Wächterinnen dem Publikum auch stärker für die Optik in Erinnerung bleiben als für die Handlung. Kamerafrau Caroline Champetier (Annette) nimmt uns mit auf eine visuell verzaubernde Zeitreise, mehr als hundert Jahre in die Vergangenheit. Zusammen mit dem recht geringen Tempo des Films, bei dem viel mit langen Einstellungen gearbeitet wird, entsteht so der Eindruck, sich minimal animierte Gemälde anzuschauen, die in einem Museum hängen. Das ist schön, teilweise vielleicht sogar zu schön. Auch wenn das Drama durchaus die Herausforderungen des landwirtschaftlichen Arbeitens aufzeigen und das Landleben nicht als solches idealisiert: An manchen Stellen hätte der reizenden Fassade ein bisschen mehr Dreck ganz gut getan.
Dafür dreht der Film inhaltlich später noch einmal ein wenig auf. Wobei man sich darüber streiten kann, ob es das wirklich gebraucht hätte. Ein bisschen melodramatisch wird Die Wächterinnen an diesen Stellen schon, ohne richtig viel zu den anfänglichen Aussagen hinzuzufügen. Dafür hätten die damit verbundenen Aspekte dann doch mehr ausgearbeitet werden müssen. Dennoch: Das Drama ist sehenswert, in mehr als einer Hinsicht, zeigt auf eine ruhige Weise, was Krieg abseits der Schlachtfelder bedeutet. Hinzu ist er gut besetzt. Gerade die drei Schauspielerinnen tragen dazu bei, dass trotz der zwischenzeitlichen Distanz das Menschliche immer spürbar bleibt, die persönliche Tragik einer Zeit, in der es keine Gewinner gibt und geben kann.
OT: „Les gardiennes“
Land: Frankreich, Schweiz
Jahr: 2017
Regie: Xavier Beauvois
Drehbuch: Xavier Beauvois, Frédérique Moreau, Marie-Julie Maille
Vorlage: Ernest Pérochon
Musik: Michel Legrand
Kamera: Caroline Champetier
Besetzung: Nathalie Baye, Laura Smet, Iris Bry, Cyril Descours, Gilbert Bonneau, Xavier Maly, Olivier Rabourdin, Nicolas Giraud
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
César | 2018 | Beste Nachwuchsdarstellerin | Iris Bry | Nominierung |
Bestes adaptiertes Drehbuch | Xavier Beauvois, Frédérique Moreau, Marie-Julie Maille | Nominierung | ||
Beste Kamera | Caroline Champetier | Nominierung | ||
Beste Kostüme | Anaïs Romand | Nominierung | ||
Prix Lumières | 2018 | Beste Nachwuchsdarstellerin | Iris Bry | Nominierung |
Beste Kamera | Caroline Champetier | Nominierung |
Toronto International Film Festival 2017
Filmfest München 2018
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