Für Nell (Pia Micaela Barucki) ist es höchste Zeit, endlich einmal etwas für sich selbst zu machen. Schließlich hatte sie sich jahrelang nur um ihre Geschwister und den Familienbetrieb gekümmert, nachdem die Eltern auf tragische Weise ums Leben kamen. Nun soll die Ausbildung zur Gleitschirmlehrerin ihr Ticket in eine neue Welt sein, verbunden werden soll das mit einem schönen Urlaub am Gardasee. Dass ausgerechnet Lukas (Joshua Grothe) die Prüfung abnehmen soll, mit dem sie ein Jahr zuvor geflirtet hatte, ist natürlich ein wenig peinlich. Aber irgendwie wird das schon klappen. Doch da ist auch noch Simone (Stefano Bernardin), der ein kleines Familienrestaurant betreibt und ihr dabei schöne Augen macht. Dabei kann sie gerade keine Ablenkung gebrauchen …
Immer Zeit für Sommer
Auch wenn sich der Sommer rein meteorologisch immer auf wenige Wochen bis Monate im Jahr beschränkt: Beim ZDF gibt es den das ganze Jahr über. Genauer erfreut sich die Dramareihe Ein Sommer in … kontinuierlich größerer Beliebtheit. Drei bis vier neue Teile erscheinen jedes Tag, normalerweise schauen dabei vier bis fünf Millionen Zuschauer und Zuschauerinnen zu. Nachdem es Anfang des Jahres noch in die Bretagne geht, steht bei Ein Sommer am Gardasee, dem inzwischen 40. Teil der Reihe, ein Ausflug an das beliebte Urlaubsziel in Italien an. Mehr als zwanzig Millionen Menschen strömen jedes Jahr dorthin, um die Natur zu genießen. Auf einen mehr oder weniger kommt es dabei nicht an.
Der touristische Aspekt wird in Ein Sommer am Gardasee jedoch kaum erwähnt. Tatsächlich kriseln sowohl das Restaurant wie auch der Bootsverleih, was auf eine eher wenig frequentierte Gegend schließen lässt. Ein Teil der Handlung befasst sich damit, wie die italienische Familie ums Überleben kämpft und sich dabei auch gegenseitig bekriegt. Gleichzeitig tut Regisseurin und Co-Autorin Stefanie Sycholt alles dafür, damit das Publikum daheim vor den Fernsehern schön in Urlaubsstimmung gerät. Die traumhaften Ausnahmen, sei es an Land oder in der Luft, wirken so, als hätte insgeheim das dortige Tourismusamt einen Imagefilm in Auftrag gegeben, ohne diesen als solchen deklarieren zu wollen.
Viel Dreck vor der Idylle
Diese Idylle steht dabei wie so oft im Kontrast zu den weniger schönen zwischenmenschlichen Verhältnissen, mit denen sich die Figuren herumplagen müssen. Da werden große Probleme gewälzt, handelt es sich doch um einen Film der ZDF-Programmschiene Herzkino. Und dort geht es schließlich praktisch immer um menschliche Dramen. Sycholt kennt dabei auch keine Zurückhaltung. Da sind familiäre Probleme bei Simone, Nell hat eine tragische Vorgeschichte. Liebe darf dabei natürlich ebenfalls nicht fehlen, wenn die Protagonistin in Ein Sommer am Gardasee zwischen zwei Männern steht und sich entscheiden muss, obwohl sie doch eigentlich was ganz anderes will. Das ist viel Stoff für einen Film, der nur anderthalb Stunden dauern darf.
Für die Zielgruppe dürfte das passen. Die will schließlich diesen Herzschmerz, der sich nicht vor Kitsch und Kalendersprüchen fürchtet, sich dabei gleichzeitig als Alltag verkleidet. Dagegen spricht auch nichts wirklich. Es ist aber schon recht berechnend und nicht unbedingt der Ausdruck größerer künstlerischer Ambitionen. Die Gefühle sind zudem dick aufgetragen, ohne dabei je wirklich überzeugend zu wirken. Auch die Figuren sind uninteressant. Allenfalls der Versuch von Nell, sich endlich einmal von den Erwartungen anderer zu lösen und ein eigener Mensch zu werden, ist etwas relevanter. Darüber hinaus ist Ein Sommer am Gardasee ein typisches TV-Wegwerfprodukt, das für anderthalb Stunden die Illusion erzeugt, mal wieder raus zu kommen. Das darf man schön finden, um auf andere Gedanken zu kommen. Man darf es aber auch getrost ignorieren, ohne etwas zu verpassen.
OT: „Ein Sommer am Gardasee“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Stefanie Sycholt
Drehbuch: Sarah Esser, Stefanie Sycholt
Musik: Annette Focks
Kamera: Florian Licht
Besetzung: Pia Micaela Barucki, Stefano Bernardin, Samirah Breuer, Daniela Ziegler, Joshua Grothe, Liane Forestieri, Sascha Pederiva, Eduardo Mulone
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