Im Nachtlicht
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Im Nachtlicht

Im Nachtlicht
„Im Nachtlicht“ // Deutschland-Start: 7. April 2022 (Kino)

Inhalt / Kritik

Plötzlich ohne Job und Schlafplatz, ist Minthe (Diana Maria Frank) wieder ganz allein auf sich gestellt. Früher durch Pflegefamilien gereicht und ohne nennenswerte Erinnerung an ihre Mutter, bekommt Minthe ein Jobangebot, das sie unweigerlich mit ihrer Vergangenheit in Berührung bringt. In Albträumen und Depressionen gefangen, macht sich Minthe dann aber dennoch auf zu ihrem Geburtsort, um in der ländlichen Abgeschiedenheit eine alte Mühle zu restaurieren. Doch der Ort beherbergt ein dunkles Geheimnis. Und während Menschen verschwinden, lässt die verborgene Gefahr Minthe nicht mehr ruhig schlafen.

Zwischen Mystery und Krimi

Der deutsche Film hat es oft schwer. Vielfach zu Unrecht stigmatisiert, gibt es aber auch zu selten Filmbeiträge, die verschiedene Genres kombinieren, sie neu definieren wollen und damit besonders hervorstechen. Gerade deshalb sind Geschichten, die neue Wege gehen, eine gern gesehene Abwechslung. Während Filme wie Der Nachtmahr oder Blue My Mind das Drama mit Fantasy, Horror und Mystery Elementen verschmelzen, sind Exil und The Trouble with Being Born so unkonventionell erzählt, dass sie einem den kalten Schauer über den Rücken jagen und einen nahezu handfesten Horrorthriller erschaffen. Misha Kreuz versucht sich in seinem Langfilmdebüt Im Nachtlicht, das seine Premiere auf den Hofer Filmtagen 2020 feierte, nun an einer beklemmenden Erzählung, deren Inhalt auf der Beobachtung der Gesellschaft fußt und diese in eine metaphorisch dichte Inszenierung mit Werwolfthematik überträgt. Allerdings entpuppt sich der Mysteryfilm als handzahmer Krimi, der sich selbst nur allzu freiwillig demaskiert.

Undefinierbare schneidende Geräusche werden zu einer gedämpften, pulsierenden Melodie, das satte Schwarze beginnt im zurückhaltenden Orange-Rot zu wabern. Bis Licht das Dunkel erhellt und eine zusammengekauerte Frau schwebend im Wasser zeigt. Die erste Szenerie erinnert an die letzten Tage einer Schwangerschaft. Fast bedrohlich mutet der scheinbar bevorstehende Aufbruch in eine unbekannte Welt. Denn die Frauenstimme äußert Angst. Allerdings, noch ehe sich daraus ein klares Bild ergeben kann, klingelt das Telefon. Alles nur ein Traum oder doch eine Erinnerung, die sich ihren Weg zurück ins Gedächtnis sucht?

Stimmungsvoller Einstieg zu Tode erklärt

Im Nachtlicht beginnt geheimnisvoll, mit starken Bildern und einem Vorwort, das die griechische Mythologie zitiert. Von entartetem Menschengeschlecht ist die Rede. Eine Kombination, die in den ersten paar Minuten gehörig Spannung schürt und an der Neugier kitzelt. Allerdings kann Im Nachtlicht diese für wenige Augenblicke aufgebaute nebelartige Atmosphäre nicht lange aufrecht erhalten. Als Minthe unvermittelt ohne Arbeit dasteht und den ersten Termin beim Jobcenter wahrnimmt, fällt die Spannung durch die Dialoge in sich zusammen. Dass nämlich die Hauptfigur direkt ungefragt komplett entblößt wird, Depressionen, Medikamente und die Einsamkeit mit ins Spiel gebracht werden, lassen schon das erste Mysterium um die junge Frau mit schmerzhafter Vergangenheit bröckeln. Woher ihr Gegenüber die Informationen hat, wird selbst auf Nachfrage nur abgewunken. Plakative Formulierungen dieser Art, die sich jeglichem Zusammenhang entziehen und volle Einsichten in die Figuren geben, werden wie Ware präsentiert und kommen mit fortschreitender Handlung immer häufiger und vor allem störender vor.

Jedes Mysterium, mit dem man hier spielen möchte, wird entmystifiziert, indem man den beteiligten Figuren Sätze, Expositionen, sogar vollständige Erklärungen in den Mund legt. Gleichzeitig werden die Motivationen der Figuren aber nur oberflächlich oder gar nicht beleuchtet. Denn warum Minthe sich doch dazu entschließt, an ihren Geburtsort zurückzukehren, ist genauso wenig schlüssig nachvollziehbar wie die unnötige homophobe Ausprägung der ortsansässigen Polizisten oder die seltsam aufkeimende freundschaftliche Beziehung zu einem Kriminalkommissar. Vieles wirkt wie aneinandergereihte zweckdienliche Versatzstücke, bei denen der übersinnliche und bedrohliche Kern von einem fast gewöhnlichen Krimi geschluckt wird. Etwa ab der Hälfte erscheint der Film zusehends desorientiert, der Plot franst aus und parallele Handlungsstränge verzerren die ursprüngliche Gewichtung der Hauptakteure.

Nicht konsequent genug

Die angesprochenen Depressionen und die Vergangenheitsbewältigung von Minthe wird so im Grunde nach und nach zur Nebensache. Bis auf eine Traumsequenz, die uns die gebrochene und geknebelte Seele von der jungen Frau näher bringen soll, ist von der innerlichen Zerrissenheit und Unruhe nie etwas zu spüren. Nicht nur dass die Hauptfigur dadurch deutlich an Interesse einbüßt, auch alle anderen Figurenzeichnungen werden ähnlich nebensächlich behandelt. Fast ausnahmslos avancieren die männlich gelesenen Personen des Films lediglich zu Klischeeschleudern und hangeln sich an extremer Gewaltbereitschaft, offenem Sexismus, Machtgier und einem typischen Rollenbild entlang. Eine subtile Metaphorik sucht man hier in der Einfachheit der Geschichte vergebens. Betont und leicht verständlich werden in regelmäßigen Abständen entsprechende Symboliken platziert, ganze Szenen, die massiv hervorstechen, hingegen gar nicht aufgelöst. Gerade die Party in der Sporthalle bricht derart mit der Struktur, dass eine weitere Betrachtung der dort angerissenen Thematik für gehörig Zünd- und Gesprächsstoff hätte sorgen können.

Im Nachtlicht macht trotz des oftmals wertigen Looks schlussendlich einen überladenden, gleichwohl marginalen Eindruck, da dem Publikum die zugrunde liegende Thematik offenkundig und deutlich zu plakativ serviert wird. Nach der starken Eingangsszene hätte da mehr kommen können (und müssen).

Credits

OT: „Im Nachtlicht“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Misha Kreuz
Drehbuch: Misha Kreuz
Musik: Alev Lenz
Kamera: Katharina Dießner
Besetzung: Diana Maria Frank, Ralf Drexler, David Rott, Stefanie Philipps, Sebastian Hülk, Mandy Kieroth, Peter Eberst

Bilder

Trailer

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Im Nachtlicht
Fazit
Ein Mysteryfilm, der seine Atmosphäre und Geheimnisse an vorherrschende Oberflächlichkeit, sperrig erklärende Dialoge, einer ausgefransten, unachtsamen Erzählstruktur, Klischeebilder und einer aufdringlichen Symbolik verliert. „Im Nachtlicht“ wollte spürbar viel und stolpert dabei über seine eigenen Ambitionen.
Leserwertung15 Bewertungen
6.1
3
von 10