Die Trennung zwischen der Arbeit und dem Privatleben ist vielen von uns wichtig, auch wenn sie bisweilen immer schwieriger wird. Trotz der zunehmenden Aufhebung dieses Konzepts im Rahmen einer Gesellschaft und Wirtschaft, die konstante Erreichbarkeit fordert und am liebsten ein 24-Stunden-Modell für einige Berufszweige entwickeln würde, ist jedem von uns doch klar, dass es zwei Rollen sind, von denen man spricht, die sehr unterschiedlich definiert sind und die man gerade deswegen lieber voneinander separieren will. Gerade im jeweiligen Betätigungsfeld eines Künstlers oder eine Künstlerin ist diese Trennung jedoch bisweilen schwierig, wenn nicht sogar problematisch, speziell, wenn die Arbeit an sich noch Spuren oder gar offensichtliche Parallelen zu der realen Person, dem Erschaffer wie auch der Privatperson zulässt. Im Falle vieler Autoren sieht man, wie die Protagonisten oder gar einige der anderen Figuren fast so etwas wie ein Alter Ego sind, teils sogar eine Auseinandersetzung mit als schwierig empfundenen Charakterzügen bilden. So sind die Figuren eines Franz Kafka immer auch eine Spiegelbild des Prager Autors oder haben einige der Figuren im Werk des großen Fjodor Dostojewski einen ähnlichen Hang zur Alkohol- und Spielsucht. Von daher ist es zwar innerhalb der Literaturwissenschaft nach wie vor wichtig, zwischen Urheber und Figur zu unterscheiden, was aber, je nach Schriftsteller, durchaus nicht so einfach ist, insbesondere wenn deren reales Leben Themen beinhaltet, die sie in ihren Geschichten wieder aufgreifen.
In diesem Zusammenhang ist ein Jahrzehnt wie die 1950er Jahre sehr interessant. Nach außen hin Aspekte wie Konformismus und konservative Ideale betonend, zeigte sich darunter bereits der Aufstand gegen diese Welt, beispielsweise in Filmen wie Nicholas Rays …denn sie wissen nicht, was sie tun oder in J.D. Salingers Roman Der Fänger im Roggen. Auf den ersten Blick mag das Werk der US-amerikanischen Autorin Patricia Highsmith nicht das geeignete Beispiel sein, um diese These zu belegen. Doch diese Behauptung unterschätzt das, was Highsmith mit ihren vielen Geschichten und Figuren erreicht hat. Für die Filmemacherin Eva Vitija begann die Auseinandersetzung mit dieser anderen Seite der oftmals als reine Krimiautorin bezeichneten Highsmith mit der Entdeckung ihrer Tagebücher, die nicht nur Auskunft gaben über die Hintergründe ihrer vielen Werke, sondern zudem über ihr facettenreiches Liebesleben und ihre Beschäftigung mit der eigenen Homosexualität innerhalb einer Gesellschaft sowie eines Elternhauses, die dem entgegenstanden. Loving Highsmith, der die 57. Solothurner Filmtage eröffnen durfte, ist deswegen in erster Linie dieser Sicht auf die Autorin gesichtet und inwiefern sich dadurch ein neuer Blick auf ihre vielen Figuren eröffnet.
„Ich bin die Ewig-Suchende.“
Wie Vitija in ihrem Statement zum Film erklärt, soll der Zuschauer nicht nur Highsmith kennenlernen, sondern sich ein wenig in sie verlieben, sich wieder von ihr trennen, aber sie nie wieder vergessen. Diese Absicht verfolgt die Regisseurin mittels zahlreicher Interviews mit Lebensgefährtinnen Highsmiths sowie der vielen Stationen ihres Lebens, in den USA wie auch in Europa, wo sie sich wohler fühlte als in ihrer Heimat und jenen Abstand, emotional wie geografisch, zu ihrer Herkunft fand, den sie wohl brauchte. Immer wieder werden Auszüge aus den Tagebüchern Highsmiths vorgelesen, im Original eingesprochen von Schauspielerin Gwendoline Christie (Game of Thrones), welche eben solche Aspekte genauer beleuchten. Neben ihrer dem Zwiespalt zu ihrer Mutter und der damit einhergehenden Entfremdung, zeichnet Vitijas Dokumentation auch das Bild einer Frau, die sich immer mehr selber findet und die eine Balance zu finden sucht zwischen der Künstlerin und der Geliebten.
Insbesondere jene Zuschauer, die Highsmith als Autorin von Romanen wie Der talentierte Mr. Ripley kennen, welche die Vorlage zu zahlreichen Filmen, darunter Wim Wenders’ Der amerikanische Freund und Alfred Hitchcocks Der Fremde im Zug, lieferte, werden in Loving Highsmith eine faszinierend neue Sicht auf die Künstlerin erfahren. Vielmehr noch scheint Vitija daran interessiert zu sein, Highsmith von jenem Genre zu trennen und sie mehr als Urheberin von Romanen wie Salz und sein Preis, einem ihrer ersten, unter einem Pseudonym veröffentlichten Werk, zeigen zu wollen. Immer mehr zeigen sich die Parallelen in den Geschichten und den Figuren, Carol oder Tom Ripley, zu der Autorin, die zum einen in einer Zeit aufwuchs, in der man seine wahren Gefühle verstecken musste, doch zum anderen eine sehr leidenschaftliche Frau, die intensiv lieben konnte.
OT: „Loving Highsmith“
Land: Schweiz, Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Eva Vitija
Drehbuch: Eva Vitija
Musik: Noël Akchoté
Kamera: Siri Klug
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