15 Jahre ist es mittlerweile her, dass ihr Vater (Ernst Stötzner) bei einem Einsatz ums Leben gekommen ist. Doch bis heute lässt Ann Kathrin Klaasen (Julia Jentsch), die in seine Fußstapfen getreten und Polizistin geworden ist, die Geschichte nicht los. Noch immer hofft sie, eine Erklärung für den noch immer undurchsichtigen Fall zu finden. Zufällig stolpert sie eines Tages über eine Spur, als sie in dem Portemonnaie einer anderen Frau ein Bild von ihm entdeckt. Diese will von den Fragen Anns nichts wissen, behauptet, der Mann auf dem Foto sei der Verlobte ihrer verstorbenen Tochter gewesen. Doch davon lässt sich Ann nicht abhalten und nimmt zum Missfallen ihrer Kollegen Frank Weller (Christian Erdmann) und Rupert (Barnaby Metschurat) die Spur wieder auf. Und tatsächlich scheint sie recht zu behalten, gibt es doch bald schon eine erste Leiche …
Doppelter Abschied
Seit mittlerweile fünf Jahren strahlt das ZDF seine Reihe um die Ostfrieslandkrimis aus. Los ging es 2017 mit Ostfriesenkiller, jedes Jahr kommt ein neuer Teil hinzu. Nachdem es letztes Jahr in Ostfriesenangst noch um einen Lehrer ging, der im Watt verlorenging, wird es beim sechsten Teil Ostfriesensühne sehr persönlich. Im Mittelpunkt steht der Vater der Protagonistin, der auch Jahre nach seinem Tod noch durch das Leben der Polizistin spukt. Das TV-Publikum kennt diesen nur zu gut, wird er in den Filmen doch durchgängig von Ernst Stötzner gespielt. Kurioserweise ist der Tote damit beständiger als seine Filmtochter, die in den ersten drei Teilen noch von Christiane Paul gespielt wurde. Julia Jentsch spielt sie hier ebenfalls zum dritten und letzten Mal, bevor es in Zukunft mit Picco von Groote weitergeht.
Aber auch für den Vater heißt es gewissermaßen Abschied nehmen, wenn das zuvor immer mal wieder angesprochene Schicksal des Vaters endlich erklärt wird. In Buchform geschah das schon deutlich früher, genauer in dem 2010 veröffentlichten Roman Ostfriesensünde von Klaus-Peter Wolf, dessen Werke die Vorlage für die Reihe bilden. Eine weitere Kuriosität: Es gibt bereits einen Film mit diesem Titel, welcher aber den Aspekt des Vaters ausklammerte. Und so kommt mit Ostfriesensühne ein ähnlich klingender Film, der noch einmal separat das Geheimnis des Vaters aufklärt. Klingt umständlich? Ist es auch. Passt aber zu einer Geschichte, die ebenfalls etwas umständlich und wenig plausibel ist. Schon der Einstieg, dass Ann in einem Wartezimmer zufällig neben der Mutter der vermeintlichen Verlobten ihres Vaters sitzt, die zufällig ihr Portemonnaie so öffnet, dass Ann das Foto sehen kann, ist konstruiert.
Mehr Drama als Krimi
Ähnlich verschwurbelt geht es später weiter. Ostfriesensühne ist kein Krimi, den man sich anschaut, wenn man eine glaubwürdige Geschichte sehen will. Das wird schon zum Teil ein wenig absurd. Aber auch Zuschauer und Zuschauerinnen, die in der Tradition von Whodunnits rätseln möchten, wer hinter den Morden steht, bekommen nicht so wahnsinnig viel zu tun. Es gibt in dem Film so wenige Figuren, dass es fast nicht möglich ist, auf die falsche zu setzen. Wenn überhaupt besteht die Spannung darin, wer am Ende noch mit dem Leben davonkommt. Dafür dass der zugrundeliegende Vorfall bereits 15 Jahre zurückliegt, hat er doch erstaunlich viele aktuelle Folgen. Eigentlich schweben alle in Lebensgefahr, die in irgendeiner Form mit der Sache zu tun haben.
Atmosphärisch ist das nicht schlecht gelöst. Zwar kommen die Landschaften Norddeutschlands dieses Mal nicht ganz so sehr zur Geltung wie in vorangegangenen Teilen. Regisseur Sebastian Ko (Wir Monster) gelingt es aber auch ohne diese, eine recht düstere Stimmung zu erzeugen. Vor allem legt er großen Wert auf die Dramatik der Geschichte, wenn Anne lernen muss, mit den Gespenstern von einst zu leben und sich auch mit ihrer Mutter auszusöhnen. Das ist gut gespielt, weshalb Ostfriesensühne trotz der inhaltlichen Mängel einen Blick wert ist. Die Ostfriesenkrimis kommen aber auch beim sechsten Anlauf nicht übers Mittelmaß hinaus.
OT: „Ostfriesensühne“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Sebastian Ko
Drehbuch: Florian Schumacher
Vorlage: Klaus-Peter Wolf
Musik: Sebastian Fillenberg
Kamera: Christof Wahl
Besetzung: Julia Jentsch, Christian Erdmann, Barnaby Metschurat, Kai Maertens, Ernst Stötzner, Andreas Euler, Marie Schönburg, Alexis Salsali, Stefan Kurt
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