Rumspringa – Ein Amish in Berlin Netflix
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Rumspringa – Ein Amish in Berlin

Rumspringa – Ein Amish in Berlin Netflix
„Rumspringa – Ein Amish in Berlin“ // Deutschland-Start: 29. April 2022 (Netflix)

Inhalt / Kritik

Für Jacob (Jonas Holdenrieder) ist die Reise aus den USA nach Berlin in doppelter Hinsicht sehr weit. Nicht nur, dass die geografische Entfernung enorm ist für den jungen Mann, der seine traute Heimat noch nie verlassen hat. Es bedeutet für ihn auch eine große Umstellung, sein einfaches Leben in einer in sich geschlossenen Amish-Gemeinde hinter sich zu lassen und die moderne Großstadt zu erkunden. Zunächst bedeutet das eine große Umstellung. Immer wieder ist er überfordert, kommt mit der ungewohnten Umgebung nicht klar, verliert gleich zu Beginn auch sein Gepäck. Auf der Suche nach seinen Wurzeln trifft er aber auch Leute, die ihm während seiner Reise helfen, darunter Alf (Timur Bartels), der selbst noch nicht ganz sicher ist, was er mit seinem Leben anfangen soll …

Kaum beachteter Nachschub

Eine Zeit lang gab es bei Netflix einen richtigen Run auf deutsche Produktionen, motiviert durch den internationalen Erfolg von Dark und How to Sell Drugs Online (Fast). Auch der deutsche Vampir-Flugzeug-Thriller Blood Red Sky wurde weltweit von einem Millionenpublikum gesehen. Auch wenn man qualitativ geteilter Meinung sein konnte, zeigte der Film doch zumindest, dass auch deutsche Filme gut verkauft werden können. Umso eigenartiger ist, dass Rumspringa – Ein Amish in Berlin vom Streamingdienst so wenig Beachtung erhält. Groß beworben wurde er nicht, das Pressematerial ist spärlich, es gab hierzulande nicht einmal eine Pressemitteilung, um auf das Werk aufmerksam zu machen. Die meisten dürften nicht einmal mitbekommen, dass da überhaupt etwas veröffentlicht wurde.

Dabei ist die Grundsituation eine, wie man sie auf der ganzen Welt in Filmen findet und die entsprechend bewährt ist. Im Grunde läuft es bei Rumspringa – Ein Amish in Berlin auf das immer wieder beliebte Culture-Clash-Szenario hinaus. Oft sieht dieses vor, dass ein Mensch aus der Großstadt in die Provinz kommt, wo er sich zunächst kräftig mit der lokalen Bevölkerung reibt, bevor er sich für deren Eigenheiten erwärmt und sich auf das Wesentliche im Leben besinnt. Aber auch die umgekehrte Richtung, wenn ein Landei plötzlich die Großstadt erkundet, funktioniert immer wieder gut. Beim deutschen Film hat man sich für die zweite Variante entschieden, erweitert um eine Besonderheit: Jacob ist nicht nur ein Landei, sondern ein Amish. Jene Gemeinschaft in den USA also, die deutsche Wurzeln hat und ein zurückgezogenes, sehr von Traditionen geprägtes Leben führt.

Humor der billigen Sorte

Anfangs sieht es so aus, als würde Regisseurin und Co-Autorin Mira Thiel (Gut zu Vögeln, Tatort: Der feine Geist) mit diesem Kontrast in erster Liebe Spaß haben wollen. Ein Spaß, der eindeutig zu Lasten der Amish geht. Teilweise ist das schon ziemlich billig, wie diese Leute, vertreten durch Jacob, lächerlich gemacht werden, nur um das Publikum unterhalten zu wollen. Es ist nicht einmal so, dass die Gags wenigstens zünden würden. Tatsächlich ist Rumspringa – Ein Amish in Berlin für eine selbsternannte Komödie über weite Strecken fast schon quälend unkomisch. Hinzu kommt, dass die Entwicklung der Figuren auf einem sehr überschaubaren Niveau stattfindet. Klar darf Jacob durch die ständigen Missverständnisse auch ein bisschen was über die Außenwelt lernen. Richtig spannend ist das aber nicht, das bleibt schon sehr an der Oberfläche.

Erst in der zweiten Hälfte beginnt der Film, doch noch mal etwas aus der Situation herauszuholen. Die anfangs nervigen bis langweiligen Figuren werden leiser und vielschichtiger, beginnen mehr, das eigene Leben und die Absichten zu hinterfragen. Der Titel Rumspringa bezieht sich auf die Phase im Leben, wenn die jungen Amische sich ausprobieren und die Welt kennenlernen wollen. Damit verbunden ist die Erwartung, dass sie am Ende wieder zur gewohnten Heimat zurückkehren und alles so weitermachen wie bisher. Aber was wenn mehr dran ist, wie Jacob irgendwann überlegt? Aber auch Alf muss erkennen, dass er nicht so viel weiß, wie er immer dachte. Er auch nicht so viel kontrolliert.

Schöne allmähliche Annäherung

Diese allmähliche Annäherung der beiden grundverschiedenen jungen Männer ist dabei natürlich nicht originell. Eigentlich passiert genau das, was man erwartet – sieht man einmal von den homoerotischen Untertönen ab, bei denen nie ganz klar wird, ob sie beabsichtigt waren. Aber es ist gut umgesetzt. Gerade das Zusammenspiel der beiden Nachwuchsschauspieler Jonas Holdenrieder (Trübe Wolken) und Timur Bartels (Aus dem Tagebuch eines Uber-Fahrers) passt prima. Während die weiblichen Figuren oft nur ein Mittel zum Zweck sind, ist es ganz schön, den zwei Protagonisten auf der Selbstsuche zuzusehen. Aufgrund des wenig geglückten Anfangs reicht es bei Rumspringa – Ein Amish in Berlin zwar nur noch für das gehobene Mittelfeld. Die Coming-of-Age-Komödie ist aber zumindest besser, als es der Ersteindruck und die Nichtbeachtung von Netflix vermuten ließen. Er hätte mehr verdient als das.

Credits

OT: „Rumspringa – Ein Amish in Berlin“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Mira Thiel
Drehbuch: Mira Thiel, Nika Heinrich, Oskar Minkler
Musik: Tim Neuhaus
Kamera: Birgit Bebe Dierken
Besetzung: Jonas Holdenrieder, Timur Bartels, Rauand Taleb, Gizem Emre, Tijan Marei, Adél Onodi

Bilder

Trailer

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Ihr seid mit Rumspringa – Ein Amish in Berlin schon durch und braucht Nachschub? Dann haben wir vielleicht etwas für euch. In unserem Netflix-Themenbereich sind alle Original-Produktionen gelistet, unterteilt nach Spielfilm, Serie, Doku und Comedy. Unten findet ihr alle Netflix-Titel, die wir auf unserer Seite besprochen haben.

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Rumspringa – Ein Amish in Berlin
Fazit
„Rumspringa – Ein Amish in Berlin“ beginnt nervig, wenn der Kontrast zwischen einem Amisch und einem Großstädter ausschließlich für billige und quälend unkomische Witze genutzt wird. Später steigert sich die Coming-of-Age-Komödie jedoch merklich, wenn die zwei vielschichtiger und nachdenklicher werden und sich mehr und mehr annähern.
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