Sebastian Koch ist ein bekannter deutscher Schauspieler, der in Film, Funk, Fernsehen und auf der Bühne tätig ist. Einem internationalen Publikum bekannt wurde er durch seine Rolle in Florian Henckel von Donnersmarcks Das Leben der Anderen, der 2006 nicht nur mit dem Deutschen und dem Bayrischen Filmpreis, sondern in der Folge auch mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film aufgezeichnet wurde. Darüber hinaus kennt man Koch durch seine Mitarbeit an so unterschiedlichen Produktionen wie Paul Verhoevens Black Book, Hermine Huntgeburths Effi Briest, Tom Hoopers The Danish Girl und Steven Spielbergs Bridge of Spies – Der Unterhändler. Im TV gehören seine Auftritte als Claus Schenk Graf von Stauffenberg in Jo Baiers Stauffenberg und als Albert Speer in Heinrich Breloers Speer und Er zu seinen populärsten Rollen.
Neben seinen Auftritten im Film und Fernsehen war er Teil des Ensembles am Schauspielhaus Darmstadt von 1986 bis 1990, an den Staatlichen Bühnen Berlin von 1990 bis 1993 und 2006 am Schauspielhaus Bochum. Auf der Bühne spielte er in Adaptionen von den Stücken Franz Wedekinds, Arthur Schnitzlers und Oscar Wildes mit. Darüber hinaus wirkte er seit 2001 an einer Vielzahl von Hörspielen und szenischen Lesungen mit.
Für seine facettenreiche Arbeit wurde er bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Förderpreis der Akademie der Künste Berlin 1991, dem Deutschen Fernsehpreis für seine Rolle in Speer und Er, dem Bambi als Bester Schauspieler national 2006 und 2018 sowie dem Darstellerpreis des Günther-Rohrbach-Filmpreises für seine Rolle in Nebel im August.
In der deutschen Serie Euer Ehren, einer Adaption der israelischen Mini-Serie Kvodo, spielt Sebastian Koch den Richter Michael Jacobi, der seinen Sohn vor der Rache eines verbrecherischen Clans schützen will und sich selbst dabei mehr und mehr in Gefahr bringt sowie moralisch fragwürdige Entscheidungen trifft. Anlässlich des bevorstehenden Sendetermins der Serie im Ersten am 9. April 2022 spricht Sebastian Koch im Interview über seine Rolle, über moralische Dilemmata, die Herausforderungen eines Schauspielers und die Arbeit mit Regisseur David Nawrath.
Sie haben einmal gesagt, dass der Job des Schauspielers darin besteht, die Emotionen eines Menschen oder vielmehr einer Figur zu interpretieren. Was hat dieser Prozess denn bei der Beschäftigung mit einer Figur wie Michael Jacobi zutage gefördert?
Michael Jacobi ist ein Richter, wie wir uns ihn alle wünschen: korrekt, intelligent, kontrolliert und vor allem: unbestechlich. Weil er seinen Sohn schützen will, gerät sein Wertesystem ins Wanken. Er erfindet im Affekt eine Geschichte, eine Lüge, die ihn in ein Labyrinth führt, in dem er sich nicht auskennt und ihm auch seine Kompetenzen als Richter nicht weiterhelfen. Er ist in einem diabolischen Kreislauf, aus dem er keinen Ausweg sieht und beginnt seine Grundsätze, für die er ein Leben lang eingestanden hat, zu verraten. Das bringt ihn in eine unglaubliche Stresssituation, die ihn sprichwörtlich atemlos werden lässt.
Jacobi zerfällt, so ist zumindest mein Eindruck, mit der Zeit förmlich, wird immer ungehaltener und nervöser. Legt man sich als Schauspieler eigentlich im Vorfeld beim Lesen des Drehbuchs schon solche Momente zurecht, die dann eine Dramaturgie des Zerfalls einer Figur bilden, oder läuft dies über Gespräche mit den Autoren oder der Regie?
Ich hatte das große Glück, an den Drehbüchern zu Euer Ehren mitschreiben zu dürfen, sodass wir alles im Vorfeld auf Logik und Plausibilität prüfen konnten. Das ist das Schöne an einer frühen Zusammenkunft von Regie, Autoren und Hauptdarsteller – man hat jede Szene am Tisch schon einmal durchgespielt, das spart beim Dreh unendlich viel Zeit.
Jacobi darf sich seinen Zerfall nicht anmerken lassen, er muss nach außen eine Fassade aufrechterhalten. Als Schauspieler muss man also sehr viel investieren, emotional wie auch physisch, darf aber nur wenig davon herauslassen. Wie im Leben, zeigen die Menschen nur selten was in ihrem Innersten vorgeht. Wenn sie gestresst sind, setzten sie alles daran mit einem Lächeln oder gar mit Höflichkeiten diesem chaotischen inneren Zustand zu entfliehen. Ich glaube jeder von uns kennt das.
Ich stelle mir das, was Sie gerade beschrieben haben, sehr frustrierend vor, also etwas zeigen oder spielen zu wollen, aber es nicht zu dürfen, weil die Rolle es verlangt. Wie haben Sie das empfunden?
Dieses Dilemma ist gleichzeitig der Leckerbissen oder die Herausforderung, die man als Schauspieler sucht. Es geht darum, einen Weg zu finden, wie man die emotionale Lage einer Figur ausdrückt, ohne es wörtlich zu erklären. Das ist es, was Schauspiel ausmacht. Eine lohnenswerte Herausforderung, die zwar anstrengend ist, aber sehr viel Spaß macht.
Da die Serie auch Themen wie den Drogenhandel an der Grenze und Clankriminalität behandelt, wollte ich fragen, wie authentisch die Szenen sind, die in diesem Milieu spielen?
Natürlich erzählt Euer Ehren eine fiktive Geschichte, aber die beiden Autoren David Nawrath und David Marian haben sehr viel Recherche betrieben. Es bewegt sich alles im Bereich des Wahrscheinlichen.
Michael Jacobi, wie auch die anderen Figuren in Euer Ehren, begibt sich selbst in einen Grenzbezirk, in ein moralisches Zwielicht, wenn man so will, und trifft Entscheidungen, die teils fatale Folgen haben. Wie findet man als Schauspieler Antworten auf diese moralischen Dilemmata?
Das Interessante ist, dass es keine Antworten gibt und man diese auch nicht findet. Man kann bei dieser Geschichte und ihren Figuren auch nicht in Kategorien wie Gut und Böse einteilen. Wir können verstehen, dass ein Vater sein Kind schützen will. Die Mittel der Wahl dagegen können wir verurteilen. Jacobi macht immer weiter, wider besseres Wissen.
Vieles in unserer Welt bietet sich da als Vergleichsmoment an, wenn man alleine bedenkt, wie schwer es uns fällt zu handeln oder wie oft wir uns in Situationen wiederfinden, bei denen es kein richtig und falsch mehr gibt. Die Frage ist doch: sollte man nicht, trotz aller Gefahr, den Mut finden, auszusteigen? Dafür entscheiden sich ja letztlich auch einige der Figuren.
Die Szene, in der sich Michael bei seinem Sohn dafür entschuldigt, dass er ihn geschlagen hat, finde ich sehr spannend, nicht nur wegen ihres Dialoges, sondern wegen dem, was dort an nonverbaler Kommunikation abläuft. Wie detailliert legt man dies im Vorfeld fest?
Wie gesagt, dadurch, dass ich bei der Arbeit am Skript schon sehr früh involviert war, hatten wir im Vorfeld die Gelegenheit, alle Szenen einmal am Tisch durchzuspielen und zu prüfen, was man spielen kann und was man vielleicht eher nicht über einen Dialog erklären will. Durch diese Vorbereitung passieren dann solche Momente – manche geplant, manche eben nicht.
Da Sie sowohl im Film wie auch auf der Bühne sehr präsent sind, wollte ich fragen, ob es für Sie einen Unterschied zwischen den beiden Arten des Schauspiels gibt?
Ich mach da keinen Unterschied. Wenn ich spiele, versuche ich wahr und authentisch zu sein, wobei ich nicht unterscheide, ob das vor der Kamera oder einem Theaterpublikum stattfindet. Es geht immer um einen wahrhaftigen Moment, diesen zu spielen und dem Publikum glaubhaft zu vermitteln.
Vielen Dank für das nette Gespräch.
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