Innerhalb der Kunstszene im letzten Jahrhundert und auch noch weit darüber hinaus gibt es nur wenige Persönlichkeiten, die einen ähnlich längerfristigen Einfluss hatten wie Andy Warhol. In einem Jahrzehnt, welches ohnehin geprägt war von einem Klima der Revolution, der Aufmüpfigkeit und des Drangs nach Veränderung, war der in Pittsburgh, Pennsylvania geborene Warhol eine Figur wie keine andere und prägte nicht nur die Kunst dieser Jahre, sondern darüber hinaus noch die Musik- und die Filmszene. Retrospektiv gesehen ist es weniger die Kunst an sich, die eher als Abbild einer gesellschaftlich-politischen Stimmung zu sehen ist, denn viel mehr noch ist der Künstler an sich in den Vordergrund gerückt. Vor dem Hintergrund des viel zitierten Konzepts der 15 Minuten, für deren Dauer jeder von uns in der Zukunft berühmt werden kann, formulierte Warhol – wissentlich oder nicht – eine der zentralen Thesen, die unsere heutige Zeit beschäftigt und seine Kunst, egal, in welchem Medium, wie einen roten Faden durchzieht.
Darüber hinaus definierte der Factory-Gedanke eine interessante Idee von Kunst nicht als Massenware, vielmehr als Produkt einer Zeit, ihrer Mentalität und als Resultat einer Gruppe von Menschen, mit denen sich Warhol zu jeder Zeit umgab. Mehr noch als die Eskapaden, zu denen es in seinem Studio kam und welche Gäste er immer wieder oder nur einmalig empfing, überrascht, was dann hinter diesem Menschen steckte, der von vielen so behandelt wurde, als wäre er eine Art Staatsfeind. So blieb er immer seiner Mutter gegenüber verpflichtet und galt darüber hinaus als streng katholisch.
Neben den vielen Gemälden und Filmen, die man bis heute mit dem Namen Warhol verbindet, gehört musikalisch wohl The Velvet Underground mit zu seinen wichtigsten Kreationen. Zwar ist unbestritten, dass er die Band nicht gegründet hat, doch indem er die Gruppe um Lou Reed und John Cale unter seine Fittiche nahm und für ihr berühmte Album The Velvet Underground & Nico das legendäre Bananen-Motiv entwarf, machte er die Musiker über Nacht berühmt. Jedoch kam es schon bald zu Streitigkeiten zwischen Warhol und der Band, denn insbesondere Reed war beleidigt, dass man sich weniger für die Musik interessierte und mehr für Nico, jenes Model, das der Künstler als Sängerin mitgab, sozusagen als eine Art Gegenleistung für seine Arbeit. Man kann wohl sagen, dass dies das Verhältnis der Musiker zu dem Künstler nachhaltig beeinträchtigte, was wohl auch der Grund war, warum sich Lou Reed und John Cale 1990, drei Jahre nach dem Tod Andy Warhols, wieder zusammentaten, um das Album Songs for Drella aufzunehmen, welches dem Künstler, seinem Leben und seiner Person gewidmet war. Im selben Jahr drehten die beiden Musiker unter der Regie von Edward Lachman den nach dem Album benannten Musikfilm, in dem sie die einzelnen Songs des Albums einspielten.
Bilder und Namen
Wie das Album kann man auch Lachmans Dokumentation in zwei Teile trennen, wobei der eine Abschnitt die Biografie Warhols betrachtet und sich die andere mit seiner Kunst befasst. Die Stimmung changiert dabei zwischen experimentell, wehmütig, schnell und dann wieder melancholisch-langsam, so als würden die beiden Musiker ihre Erinnerungen an Warhol wiedergeben. Songs wie Work oder der besonders berührende Abschluss Hello it’s me spielen auf die sehr persönliche Beziehung Warhols zu Cale und Reed an, der ihnen eine bestimmte, von seinem osteuropäisch geprägten Elternhaus definierte Arbeitsethik mit auf den Weg gab, der sie dazu aufforderte, sich künstlerisch immer weiter zudenken und in diesem Aspekt keine Faulheit walten zu lassen. Der letzte Song des Albums wirkt dann eher wie ein Abschiedsbrief, voller Wehmut und Reue, in dem sich an das Ende ihrer Beziehung erinnert wird und dass man sich auch anders hätte trennen können.
Abgesehen einmal von der musikalischen Qualität der Darbietung, die Lachman mit einer unaufgeregten, dem Format angemessenen Kamerasprache einfängt, wird man als Zuschauer bzw. Zuhörer in erster Linie von dem Bild mitgerissen, was die beiden Musiker von Warhol entwerfen. Wenn auch etwas idealistisch in manchen Teilen, verweisen sie auch den kulturellen Hintergrund des Künstlers, die Rolle der Religion in seinem Werk und seine Definition des Künstlers an sich, welche nicht zuletzt auch sie selbst entscheidend geprägt hat. In einem Song wie Trouble with Classicists wird nicht zuletzt der Humor Warhols in den Vordergrund gestellt, der als eine Art Geheimwaffe diente, um die Umständlichkeit und Verbohrtheit vorgefertigter Meinungen und Ansätze in der Kunst zu entlarven.
OT: „Songs for Drella“
Land: USA
Jahr: 1990
Regie: Ed Lachman
Musik: Lou Reed, John Cale
Kamera: Ed Lachman
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