An Gefühlen mangelt es Patrick Schindler (Fritz Karl) und Julia Schindler-Holm (Barbara Auer) eigentlich nicht. Seit vielen Jahren sind die beiden schon miteinander verheiratet und im Großen und Ganzen mit der Ehe auch ganz zufrieden. Nur Sex haben sie keinen mehr. Das letzte Mal ist schon einige Monate her, wie Patrick frustriert feststellt. Um seine Bedürfnisse zu befriedigen und damit die Partnerschaft zu bewahren, beschließen die beiden, dass er mit anderen Frauen ins Bett gehen darf, solange es bei reinem Sex bleibt. Tatsächlich wird Patrick schnell fündig, im Internet entdeckt er das Profil der schönen Claire (Cosima Henman). Die Affäre funktioniert anfangs auch recht gut, der Plan von Julia scheint aufzugehen – bis die Sache außer Kontrolle gerät …
Liebe im Alter
In den letzten Jahren hat es eine ganze Reihe an Filmen gegeben, in den Protagonisten und Protagonistinnen im fortgeschrittenen Alter noch einmal das Leben entdecken dürfen. Das bezieht sich auf berufliche Möglichkeiten oder neue Hobbys, wie es etwa in Britt-Marie war hier der Fall war. Aber auch sexuelle Erfüllung im Alter darf und soll jetzt möglich sein. Book Club ist ein Beispiel dafür, wenn einige alte Freundinnen ihre körperlichen Bedürfnisse offen thematisieren. Doch was, wenn diese Bedürfnisse trotz allem weg sind? In Sugarlove ist die Situation sogar noch komplizierter, da seine Bedürfnisse unverändert sind und nur ihre weg sind. Damit wird dann zwar etwas altmodisch das Klischee bestätigt, dass Männer nur an Sex denken, während es Frauen um Liebe geht. Dennoch ist die Ausgangssituation interessant, da sich das Paar für dieses Ungleichgewicht eine Lösung überlegen muss.
Daraus hätte man ein sensibles Drama machen können, das sich mit Geschlechterbildern auseinandersetzt oder untersucht, was eigentlich Partnerschaften ausmacht. Die Reaktion von Julia, eine Affäre zu gestatten, mag nicht die alltäglichste Reaktion sein. Als Rahmen für weitergehende Überlegungen würde das aber schon passen. Und zumindest anfangs sieht es auch so aus, als würde Sugarlove in diese Richtung gehen. Dass dieses Arrangement nicht so ganz aufgeht, wird dabei recht schnell klar. Eigentlich klappt dabei gar nichts. Ja, Patrick hat Sex, sogar mit einer jungen schönen Frau. So richtig weiß er aber nicht, was er damit anfangen soll. Julia ist sowieso überfordert, weil die Idee, die sie von dem Ganzen hatte, von Anfang an nicht durchdacht war. Das wissen eigentlich alle, nur sie selbst nicht.
Erst anstrengend, später lächerlich
Das erste Problem dabei: Die zwei sind schrecklich anstrengend. Die grundsätzlich interessante Frage, wie sie sich innerhalb dieser Figurenkonstellation positionieren und finden können, verliert doch ziemlich an Dringlichkeit, wenn man mit den Leuten nichts zu tun haben möchte. Schwerwiegender aber ist, dass Drehbuchautorin Silke Zertz (Gefährliche Wahrheit) sich nicht um die Feinheiten dieser Diskussion schert. Stattdessen lässt sie die Situation eskalieren und bewegt den Film zunehmend in Richtung Thriller. Das ist überraschend, da diese Wendung ziemlich aus dem Nichts kommt. Sie ist auch wenig überzeugend, weil Sugarlove hierfür eine der Figuren auf einmal ganz anders handeln lässt, als sie es die ganze Zeit getan hat. Warum diese das tut, wird nicht klar, ergibt bis zum Schluss keinen Sinn.
Und als wäre das nicht schon fragwürdig genug, schlägt Zertz zum Schluss noch einmal einen Haken. Das Thrillerdrama, welches bei den Hofer Filmtagen 2021 Premiere feierte, will auf diese Weise Spannung erzeugen. Stattdessen haut es den Film völlig aus der Bahn. Die Ansätze von Nachdenklichkeit, die er durchaus hatte, werden billiger Hysterie und vermeintlichen Abgründen geopfert. Aus dem leisen Werk wird ein kaum durchdachtes Etwas, das sich selbst sehr ernst nimmt, ohne zu merken, wie lächerlich es sich dabei macht. Das ist sehr schade, nicht nur wegen der verschwendeten Zeit. Es ist vor allem das verschwendete Potenzial, welches Sugarlove zu einem solchen Ärgernis macht, wenn das Thema Liebe im Alter derart unwürdig verbrannt wird.
OT: „Sugarlove“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Isabel Kleefeld
Drehbuch: Silke Zertz
Musik: Annette Focks
Kamera: Martin Langer
Besetzung: Fritz Karl, Barbara Auer, Cosima Henman, Marie Förster, Caroline Schreiber, Denis Schmidt
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