Wo die grünen Ameisen träumen
© Werner Herzog Film

Wo die grünen Ameisen träumen

Wo die grünen Ameisen träumen
„Wo die grünen Ameisen träumen“ // Deutschland-Start: 31. August 1984 (Kino) // 9. September 2015 (DVD)

Inhalt / Kritik

Als eine Bergbaugesellschaft im Herzen Australiens mittels Sprengungen Uran abbauen möchte, taucht eine von Miliritbi (Wandjuk Marika) angeführte Gruppe von Aborigines auf, um eben dies zu verhindern. Schließlich sei der Platz in der Wüste heilig und Heimat der grünen Ameisen, die unter keinen Umständen geweckt werden dürfen. Das Unternehmen lässt sich davon kaum beeindrucken, interessiert sich nicht für die Kultstätten der Ureinwohner. Stattdessen beharrt die Führung darauf, dass ihnen das Recht zugewiesen wurde, dort die seltene Ressource abzubauen. Lediglich Lance Hackett (Bruce Spence), der ebenfalls für die Firma arbeitet, zeigt Verständnis für die Lage der Einheimischen, denen erneut das Land weggenommen werden soll. Letzten Endes muss ein Gericht darüber urteilen, welche der beiden Seiten im Recht ist …

Mensch vs. Natur

Das weltweit wachsende Bewusstsein für die verheerenden Schäden, welche die Menschheit in der Natur anrichtet, hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren zunehmend Filme gedreht werden, die eine ökologische Botschaft tragen. Auch hierzulande haben immer mehr Filmschaffende das Thema für sich entdeckt, vom Familienabenteuer Die Pfefferkörner und der Schatz der Tiefsee über das dystopische Everything Will Change bis zu diversen TV-Produktionen wie Ökozid. Ein deutlich älteres Beispiel ist Wo die grünen Ameisen träumen. Schon 1984 erzählte Werner Herzog davon, wie die Menschen sich die Welt zum Untertan machen und sich nicht sonderlich für die Konsequenzen interessieren. Vor allem nicht, wenn es die Konsequenzen anderer sind: Die Suche nach Uran ist nicht nur ein ökologisches Desaster, sondern auch ein kulturelles, wenn die religiösen Gefühle der Aborigines mit Füßen getreten werden.

Oder das, was Herzog als Aborigines verkauft. Dass der gefeierte, zuweilen etwas umstrittene Regisseur solcher Filme wie Fitzcarraldo oder Woyzeck die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion gerne mal aufhebt, ist bekannt. So auch bei Wo die grünen Ameisen träumen. Aufgemacht ist der Film so, als würde er eine historisch verbürgte Geschichte erzählen. Tatsächlich ist aber alles frei erfunden. Es gab diesen Konflikt zwischen Aborigines und dem Bergbauunternehmen nicht. Es gab die Figuren nicht. Es gab ja nicht einmal dir grünen Ameisen, die er als Argument anführt, warum man doch bitte die Wüste in Ruhe lassen möge. Anders als etwa Die Stimme des Regenwaldes, in dem ebenfalls Ureinwohner gegen die Zerstörung durch den weißen Mann kämpfen – dort war es ein Dschungel auf Borneo –, fehlt hier eine konkrete Vorlage. Bei den realen Aborigines kam das aus nachvollziehbaren Gründen nicht ganz so gut an.

Kolonialistisches und rassistisches Erbe

Dennoch erzählt Herzog natürlich eine im Grundsatz wahre Geschichte. Sein Film steht stellvertretend für die tatsächlichen Gräueltaten, die der Mensch so verübt, ohne sich wirklich damit auseinandersetzen zu wollen. Bei Wo die grünen Ameisen träumen ist es aber nicht nur der ökologische Aspekt, der thematisiert wird. Der Regisseur, der zudem das Drehbuch geschrieben hat, äußert auch Kritik an der Kolonialisierung und dem damit verbundenen Rassismus. Fremde Kulturen wurden hierbei nicht gewürdigt, zum Teil sogar aktiv verdrängt. Völker wie die Aborigines konnten der puren Gewalt, mit der sich die weißen Männer auch fremde Länder unter den Nagel rissen, nichts entgegensetzen. Wenn vor Gericht verhandelt wird, ob das Bauunternehmen im Recht ist, geht es dabei nicht allein um den konkreten Ort. Es geht um die grundsätzliche Übergriffigkeit des Westens, verbunden mit Arroganz und Unwissen.

Das ist nicht übermäßig subtil, Herzog lässt zu keiner Zeit einen Zweifel daran, was er für richtig und was für falsch hält. Immerhin verzichtet er darauf, zu einseitig alle Figuren einteilen zu wollen. Und auch das White Savior Syndrom, wonach ein weißer Mensch, meist männlich, die ansonsten hilflose dunkelhäutige Bevölkerung rettet, kommt so nicht vor. Hackett versucht zwar zu vermitteln, kommt aber selbst nicht gegen die auf Unterdrückung ausgerichtete Gesellschaft an. Das macht den Film realistischer, wenngleich weniger bekömmlich. Ein Wohlfühlabenteuer, bei dem sich David gegen Goliath auflehnt, ist das nicht gerade. Gefällig sind dafür die schönen Bilder, die der Regisseur gemeinsam mit seinem Kameramann Jörg Schmidt-Reitwein eingefangen hat und die uns eine ursprüngliche Welt zeigen. In der mag es dann vielleicht keine grünen Ameisen geben, wohl aber die Ahnung, etwas gegenüber zu stehen, das viel älter ist als wir und allein deshalb schon geschützt werden sollte.

Credits

OT: „Wo die grünen Ameisen träumen“
Land: Deutschland, Australien
Jahr: 1984
Regie: Werner Herzog
Drehbuch: Werner Herzog
Musik: Wandjuk Marika
Kamera: Jörg Schmidt-Reitwein
Besetzung: Wandjuk Marika, Roy Marika, Bruce Spence, Ray Barrett, Norman Kaye, Ralph Cotterill

Bilder

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
Cannes 1984 Goldene Palme Nominierung
Deutscher Filmpreis 1984 Bester Spielfilm Sieg
Bestes Drehbuch Werner Herzog Nominierung
Beste Kamera Jörg Schmidt-Reitwein Sieg

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Wo die grünen Ameisen träumen
Fazit
In „Wo die grünen Ameisen träumen“ erzählt Werner Herzog von einem fiktiven, letztendlich aber durchaus überzeugenden Kampf zwischen Aborigines und einer Bergbaugesellschaft, welche heilige Stätten sprengen will, um dort Uran abzubauen. Die ökologische Botschaft ist klar, dazu gibt es eine Kritik am Kolonialismus sowie schöne Bilder aus dem ursprünglichen Australien.
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