Die Jugendliche Char (Hazel Doupe) lebt gemeinsam mit ihrer meist ans Bett gefesselten Mutter Angela (Carolyn Bracken), ihrer Großmutter und ihrem Onkel in einer irischen Vorstadt. Char hat Probleme mit einigen ihrer Mitschülerinnen und ist zudem von Angelas Zustand belastet. Alles scheint sich noch zu verschlechtern, als Angela plötzlich verschwindet und einige Tage später irgendwie verändert wieder auftaucht. Chars Großmutter (Ingrid Craigie) wirkt so, als ahne sie, was es mit Angelas neuem Auftreten auf sich hat, verschweigt Char aber ihre Vermutung. Verunsichert macht sich Char also selbst auf die Suche nach der Wahrheit und wird mit der dunklen Vergangenheit ihrer Familie konfrontiert.
Familiäre Vorbelastung
Ähnlich wie es auch ein Hereditary – Das Vermächtnis tut, erforscht Regisseurin und Autorin Kate Dolan in You Are Not My Mother die Wirkungsweisen familiärer Abhängigkeiten, indem gezeigt wird, wie sich Angelas Verhalten, das Anzeichen von verschiedenen Persönlichkeits- und Affektstörungen aufweist, auf ihre Tochter auswirkt. Anders als Hereditary fokussiert sich You Are Not My Mother aber weniger auf den inneren Zerfall einer Familie, sondern beschreibt das Phänomen familiärer Abhängigkeiten als mehrdimensionaler, struktureller Bestandteil der Gesellschaft.
Das bedeutet im Fall Chars vor allem Leid, das sich in zwei Dimensionen als Konsequenz ihrer familiären Zugehörigkeit äußert. Zum einen ist das die Dimension der Assoziation. Char wird von ihren Mitschülerinnen sowie deren Eltern mit ihrer psychisch erkrankten Mutter assoziiert und entsprechend vorverurteilt. Zum anderen ist das die Dimension der psychischen Belastung. Angelas Verhalten sorgt einerseits dafür, dass sich Char um ihre Mutter sorgt und resultiert andererseits in einem Schuldgefühl Chars. Immer wieder betont Angela, genug zu haben und Chars Großmutter, wie jung Angela bei der Geburt Chars doch war. All das wirkt sich negativ auf Chars Selbstbewusstsein und Sozialverhalten aus.
Interessant ist, dass beide Dimensionen nur aufgrund des Wertes, der dem Konzept Familie in der Gesellschaft zugesprochen wird, möglich sind. Sowohl andere Menschen so stark mit ihren Familien zu assoziieren und ihnen entsprechende Rollen zu geben, als auch das Annehmen dieser Rollen der Betroffenen zeigen das. Als Konsequenz aus dieser Beobachtung stellt der Film das Konzept Familie infrage. Warum halten wir am Konzept Familie fest, wenn es uns anscheinend unmöglich ist, seinen Einschränkungen zu entkommen? Auch wenn diese Frage nicht eindeutig beantwortet wird, ist es trotzdem etwas ernüchternd, wie konservativ der Film in der Handhabung der Frage ist. Obwohl der Film You Are Not My Mother heißt, wird nur wenig mit dem Konzept der familiären Entfremdung gespielt.
Beklemmende Atmosphäre, überschaubare Handlung
Grundsätzlich ist Char den Film durch sehr passiv, was ausgehend von der lähmenden Wirkung, die der Film familiären Abhängigkeiten zuschreibt, zwar konsequent ist, aber einen etwas unpassenden Kontrast zu einigen abstrakteren Momenten darstellt. Außerdem sorgt das passive Verhalten der Protagonistin dafür, dass der Film in einigen Momenten wirklich zäh ist. Denn auch wenn You Are Not My Mother mit einer sehr beklemmenden Atmosphäre und einigen emotional herausfordernden Momenten punkten kann, sorgen einige Entscheidungen dafür, dass sich kein richtiger Fluss aufbauen kann.
Mitverantwortlich dafür sind die bereits angesprochenen Durchkreuzungen von realistisch gehaltenen, langsamen Dramen-Elementen mit Horrormomenten. Letztere wirken teilweise sehr unoriginell oder werden nicht optimal ausgeschöpft. So streckt sich der Film regelrecht nach Bezugspunkten der irischen Folklore, schafft es aber nicht diese sinnvoll herzustellen.
Auch die Darstellungszeit der einzelnen Themen ist äußerst fragwürdig. So verbringt der Film sehr viel Zeit damit, die Konflikte Chars mit ihren Mitschülerinnen zu zeigen, ohne dass diese sich unerwartet entwickeln. Tatsächlich wirken sie nicht nur seltsam übertrieben und erinnern dadurch an beliebige, mittelmäßige High-School-Dramen, sondern sorgen auch dafür, dass die interessanteren Themen wie die Beziehung von Angela und Char und Angela allgemein zu wenig Zeit bekommen. Aus diesem Grund kann You Are Not My Mother vieles nur andeuten und schafft es nicht, die thematische Tiefe und emotionale Wirkung zu entfalten, wie es der bereits erwähnte Hereditary beispielsweise kann.
OT: „You Are Not My Mother“
Land: Irland
Jahr: 2021
Regie: Kate Dolan
Drehbuch: Kate Dolan
Musik: Die Hexen
Kamera: Narayan Van Maele
Besetzung: Hazel Doupe, Paul Reid, Carolyn Bracken, Ingrid Craigie, Jordanne Jones
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