Als bei dem deutschen Schriftsteller und Filmemacher Sobo Swobodnik bei einer ärztlichen Untersuchung ein lebensbedrohliches Aneurysma entdeckt wird, bricht seine Welt zusammen. Dies war am 28. Juli 2014. Mit seinem Film Bastard in Mind (zu Deutsch das „Miststück im Kopf“) hielt er seine tragische Lebensgeschichte fest. Herausgekommen ist ein unkonventionelles Werk, in dem er geschichtlich nachzeichnet, wie sich die Welt seit diesem Tag für ihn verändert hat, sorgt darüber hinaus aber auch für aufklärerische Bildung, um Leidensgenossen ein wenig Trost zu spenden.
Zwischen Aufklärung und Philosophie
Vier mal sieben Millimeter groß – es braucht nicht viel, wenn es um Leben und Tod geht. Genau diese Größe besitzt Swobodniks Aneurysma, was eine Operation erschwerte. Dabei kann jederzeit eine Ruptur stattfinden – das Zusammenreißen des Aneurysmas, was den Tod bedeuten würde. Vollkommen unscheinbar tickt so die Zeitbombe Sekunde um Sekunde in dessen Kopf. Swobodnik geht dabei recht chronologisch vor und erklärt alles von Anfang an. Mit animierten Bildern und besonders eindrucksvollen Röntgenaufnahmen lernen wir so das Basiswissen zu dieser tödlichen Krankheit. Da Swobodnik sich selber als absoluter Laie gibt, wird eine verständliche Sprache gewählt, um das medizinisches Kauderwelsch einmal aufzubrechen. So wechselt es immer wieder hin und her: Während medizinische Erklärungen auf der einen Seite stattfinden, so hält sein filmisches Portrait auf der anderen Seite seine Gedanken fest, die sich zwischen Angst, Unverständnis und philosophischen Fragen bewegen.
Ein Zeichen hinterlassen
Bastard in Mind fällt jedoch untypisch aus, schon ab der ersten Minute. Statt ein dezentes Portrait vorzulegen, spielt Swobodnik mit Bildern, experimentellen Tönen und beispielsweise Discomusik. Man kann seine Produktion daher schon ein Stück weit als Experimentalfilm bezeichnen, da es ihm weniger um den dokumentarischen Charakter geht, sondern augenscheinlich mehr darum, ein Zeichen zu hinterlassen. Die Filmbilder, die dabei Kunstobjekte, die Berliner Straßen, Zugfahrten, Krankenhäuser, Aufnahmen bei Nacht und Lichtspielereien umfassen, weisen dabei ein großes künstlerisches Spektrum auf. Da diese mit einem ständigen Voice-Off Kommentar begleitet werden, entsteht eben jene experimentelle audiovisuelle Synergie, die stellenweise sogar eine gewisse Schaurigkeit mit sich bringt. Swobodniks Produktion hebt sich damit deutlich von „herkömmlichen“ Leidensgeschichten ab, wie beispielsweise in Heil dich doch selbst.
Zwischen Carpe Diem und Memento mori
Die Gegensätze „Nutze den Tag“ und „Sei dir der Sterblichkeit bewusst“ ignoriert Swobodnik dabei ebenso, ganz geschweige von den fünf Sterbephasen, die oftmals ins Zentrum solcher menschlichen Portraits gerückt werden. Stattdessen wird ohne viel Schnickschnack die Chronologie seines Schicksals festgehalten. Ein Element, welches jedoch immer wieder durchscheint, ist die Zerbrechlichkeit des Menschen. Man merkt dadurch ganz deutlich: Swobodnik ist durch und durch ein Künstler und besitzt somit eine etwas andere Sicht auf das Leben als ein „Normalbürger“. So kristallisieren sich besonders die individuelle Bedeutung der Kunst und sein Vermächtnis in Kombination mit einer durchgehenden Melancholie heraus. Die Folge: Bastard in Mind ist ein Portrait über eine Leidensgeschichte, die jedoch auf eine übermäßige Emotionalität verzichtet und in der Gesamtheit distanzierter wirkt, als Vergleichsproduktionen, bei denen die Tränen laufen (sollen).
Als selbstbetitelte Schrödingers Katze hält der halb tote, halb lebendige Swobodnik so seine Zeit bis zur erfolgreichen Operation fest. Alles darüber hinaus bleibt jedoch verborgen. Stattdessen macht es den Eindruck, als hätte es das Aneurysma nie gegeben. Ein sicherlich untypisches, jedoch zumindest konsistentes Ende zu der vorangegangenen Zeit voller Angst und Schrecken.
OT: „Bastard in Mind“
Land: Deutschland
Jahr: 2019
Regie: Sobo Swobodnik
Drehbuch: Sobo Swobodnik
Kamera: Sobo Swobodnik, Pantea Lachin
Musik: Elias Gottstein
Voice Over: Sobo Swobodnik
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