Die Landschaft der Filmkritiker-Kanäle fällt heutzutage überaus divers aus, wie die bisherigen Folgen der Kritikeranalysen aufzeigten. Was bisher jedoch fehlte: ein genrespezifischer Kanal, der sich einem ausgewählten Filmgenre widmet. 100 Years of Terror ist kommt in der Hinsicht gerade recht, da sich hier die Horrorfans tummeln und die obskursten Filme besprochen werden. Für Horrorliebhaber ist das also die beste Anlaufstelle, um auf Filme zu stoßen, die unter die Haut gehen.
Zur Übersicht der Kritikeranalyse.
Für Menschen, die dich nicht kennen: was kann man konkret von deinen Filmkritiken erwarten und in welcher Hinsicht hebt sich deine Kritikerseite von anderen Kanälen ab?
Ich bin ja nur Chefredakteur des Online-Magazins 100 Years of Terror und kann mich glücklich schätzen, ein begnadetes elfköpfiges Team hinter mir zu haben. Wer sich auf die Homepage unseres Magazins verirrt, wird also mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Meinungen konfrontiert, die auch redaktionsintern immer wieder heiß diskutiert werden.
Was uns von anderen Seiten abhebt, ist sicher unser Fokus auf Horrorfilme und grundsätzlich auf abgründige, transgressive Filme. Zudem konzentrieren wir uns nicht nur auf aktuelle Erscheinungen, sondern greifen auch auf den riesigen Fundus einer über hundertjährigen (Horror-)Filmgeschichte zurück. Es gibt so viele Perlen, die zu wenige Menschen kennen und denen wir gerne die verdiente Aufmerksamkeit geben wollen. Ich denke, wir sind so eine ständig wachsende Road Map des Horrorfilms, die einen zu immer neuen Sehenswürdigkeiten führt.
Welche Menschen möchtest du am ehesten mit deinem Kanal ansprechen?
Das Magazin richtet sich im Grunde an alle Horrorfans und Freund:innen abseitiger Phantastik. Das Ziel war von vornherein, den Horrorfilm und alles, was sich in seiner Nähe befindet, in seinem Facettenreichtum darzustellen, denn Horror ist so viel mehr als ein paar brutale Morde und eine Hand voll Jump Scares. Es kann ein überaus faszinierender Spaziergang auf der Schutthalde der Zivilisation sein, wo all das Verdrängte, Unterdrückte und Geächtete auf uns wartet; all unsere eigenen Ängste, Fetische und Obsessionen. Und auf diese spannende Entdeckungsreise würden wir unsere Leser:innen gerne mitnehmen.
Was bedeuten Filme persönlich für dich und warum gerade dieses Medium und nicht beispielsweise Theater, Oper, Musik oder Literatur?
Erst einmal besitzen all diese Medien ihre ganz eigenen Qualitäten. Theater zum Beispiel bringt eine Körperlichkeit und Unmittelbarkeit mit, die dem Medium Film abgeht. Literatur wiederum ist in ihrer Kreativität quasi grenzenlos und kann in meinem Kopf Welten kreieren, denen keine physikalischen Grenzen gesetzt sind.
Was ich an Filmen so sehr schätze, ist die Kombination von vielen unterschiedlichen Künsten. Von der Idee über das Skript, den Kulissenbau, das Kostümdesign, die Maske, die SFX und VFX bis hin zum Schauspiel, dem Sounddesign, dem Score, dem Schnitt und allem anderen, was noch in die Produktion mit einfließt. Ein Film ist einfach ein gewaltiges Gemeinschaftsprojekt, das so viel zum Entdecken bietet. Diese vielen Schichten, diese ganzen Ebenen eines Films sind es, die mich an dem Medium so faszinieren und die ich so liebe.
Gab es schon einmal eine Situation, in der du dich mit jemand über einen Film streiten musstest? Wenn ja, was genau ist dein Anspruch? Geht es dir – auch in deinen Kritiken – um den Dialog, um Aufklärung oder doch um etwas ganz anderes?
Ich würde jetzt nicht von Streiten, sondern eher von Diskutieren sprechen. Wenn es nur darum geht, der anderen Person die eigene Meinung aufzuzwingen, ist schlussendlich niemandem geholfen. Austausch hingegen führt dazu, dass man einen Film aus einer anderen Perspektive wahrnehmen und andere Facetten kennenlernen kann. Bestenfalls gehen dann alle Gesprächsteilnehmer:innen mit einem Mehrwert aus der Diskussion. Sei es, dass sie etwas über den Film oder sich selbst gelernt haben.
Bei meinen Texten kommt es ganz auf das Format an. Essays bieten meist Interpretationsvorschläge an oder beleuchten spezifische Themen genauer und laden zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Werk ein. Filmkritiken sollen in erster Linie ein plastisches Bild eines Filmes vermitteln, sodass die Leser:innen eine bessere Entscheidung treffen können, ob sie einen Film z. B. direkt im Kino sehen wollen oder lieber gar nicht. Die Leute sollen nach der Lektüre aber nicht meine Meinung übernehmen, sondern für sich einen Mehrwert generieren können – in welcher Form auch immer.
Was würde bei dir passieren, wenn jemand einen Film aufgrund einer gänzlich anderen Herangehensweise gut findet, währendem du diesen Film aus deiner Sicht als schrecklich empfindest? Und denkst du, dass beide Meinungen gleich viel wert sind?
Dass beide Meinungen gleich viel wert sind, steht für mich außer Frage. Die Rezeption von Kunst ist immer eine höchst persönliche und subjektive Angelegenheit. Da ist keine Herangehensweise oder Lesart besser oder schlechter als eine andere. Ich schätze es nur immer sehr, wenn man sich über die Werke auch austauschen kann und die Beschreibung eines Films nicht bei „Ist cool“/“Ist scheiße“ endet. Dies ist zwar auch vollkommen legitim, aber bietet eben keine Grundlage für einen Dialog.
Auch wenn das keine leichte Frage ist: was muss ein herausragender Film bei dir mitbringen?
Was genau es sein muss, kann ich nicht beantworten. Vielfach ist es auch gar nicht so einfach konkret zu benennen, was einen an einem Film jetzt so begeistert hat. Aber auf alle Fälle muss der Film mich auf irgendeine Art berühren, etwas in mir auslösen. Das kann intellektuell, emotional oder bestenfalls sogar beides sein. Wenn ein Film mich über den Abspann hinaus noch lange begleitet, war es ein herausragender Film.
Welche Rolle spielen Gefühle bei der Filmrezeption bei dir? Und ist ein Film automatisch gut, wenn man bspw. Gänsehaut verspürt oder feuchte Augen bekommt?
Wenn ich mir z. B. Lucifer Valentines Slaughtered Vomit Dolls mit seinen Szenen von Erbrochenem anschaue, dann erzeugt das definitiv Gefühle bis hin zu einer körperlichen Reaktion. Wie viel das jetzt über die Qualität des Werkes aussagt, sei dahingestellt.
Wie würdest du die Wichtigkeit von Emotionalität, Storytelling, Ideologie (Was sagt ein Film über unsere Welt aus?), Inszenierung, Virtuosität, Ästhetik und weiteren Aspekten bei der Filmrezeption sortieren?
Ich halte es nicht für zielführend, hier künstlich eine Ordnung vorzunehmen. Dafür funktionieren Filme einfach zu unterschiedlich. Die einen versuchen sich an Missständen abzuarbeiten, während andere „nur“ eine Geschichte erzählen wollen. Manche erzählen diese Geschichte in Form des klassischen Erzählkinos, andere verzichten gänzlich auf eine narrative Ebene und wirken rein visuell-assoziativ. Es gibt einfach viele verschiedene Arten an einen Film heran zu gehen, bei denen diese Elemente unterschiedlich gewichtet sind. Ein Low-Budget-Experimentalfilm und eine Hollywood-Produktion sollten dann eben auch in einer Besprechung unterschiedlich behandelt werden. Hier die exakt gleiche Schablone drüber zu legen, halte ich für wenig produktiv.
Wenn man auf die Entstehungsgeschichte eines Films schaut, angefangen bei der Idee, bis hin zur Umsetzung und dem fertigen Resultat, welche Faktoren spielen die größte Rolle, wenn man den Anspruch hat, ein filmisches Meisterwerk zu kreieren?
Ich empfinde den Begriff „Meisterwerk“ als schwierig. Film ist bis auf wenige Ausnahmefälle immer eine Kollaboration von mitunter sehr vielen Menschen. Gerade in Kritiker:innenkreisen, und ich nehme mich da keineswegs aus, wird zwar gerne der/die Regisseur:in als Schöpfer:in eines Kunstwerkes gesehen, aber selbst wenn die Person für Regie und Drehbuch verantwortlich zeichnet, ist das Endergebnis immer ein Kompromiss.
Vielfach hast du ja ein grobes Skript, das bei irgendeinem Studio liegt. Sofern das Studio sich entscheidet ein Skript zu verwirklichen, wird es oft von mehreren Autor:innen noch einmal überarbeitet. Irgendwann kommt dann noch der/die Regisseur:in dazu und hat mehr oder weniger viel Freiheit sich hier noch kreativ einzubringen. Und selbst wenn du dir Independent-Produktionen anschaust, bei denen jemand das Drehbuch schreibt und die Regie übernimmt, ist immer noch die Frage wie viel vom endgültigen Produkt auf die Ideen und auch das fachliche Können von Kamera, Kostümdesign, Setdesign, Special Effects, Beleuchtung, Schnitt, Komposition etc. zurückzuführen ist.
Der Entstehungsprozess von Filmen ist einfach viel zu komplex, daher finde ich es eben schwierig, mit dem Anspruch ranzugehen, ein Meisterwerk zu kreieren. Ich glaube, man kann sich schon glücklich schätzen, wenn man möglichst nah bei der ursprünglichen Vision landet, ohne zu viele Kompromisse eingehen zu müssen. Zumal der Begriff „Meisterwerk“ eben allgemein schwierig ist. Was macht einen Film überhaupt zum Meisterwerk und wer entscheidet das?
Schaut man auf Hollywood, hat es den Anschein, dass in manchen Kreisen die Stimmen immer lauter werden und viele Fans mit den neuen Star Wars-Filmen oder selbst mit einem Fast and Furious 9 sehr unzufrieden sind. Bewegt sich Hollywood in Richtung eines Tiefpunkts oder denkst du es braucht solche Filme auch, sodass Regisseure daraus lernen?
Ich sehe da kein Problem und ein Tiefpunkt Hollywoods wird in meinen Augen schon seit Jahrzehnten dahergeredet. Hollywood und allgemein Remakes und Sequels sind einfach beliebte Feindbilder, auf denen gerne rumgehackt wird, aber offensichtlich gibt es einen Markt für diese Filme, ansonsten würden sie nicht produziert werden. Und es ist doch schön, dass es solche Filme gibt, solange Leute daran Gefallen finden. Ich muss sie mir ja nicht anschauen. Problematisch wäre es erst, wenn nichts Anderes mehr produziert würde.
Grundsätzlich sehe ich ein Problem darin, dass mit einem höheren Budget die künstlerische Freiheit oft eingeschränkt wird – was ich vollkommen verstehe. Wenn ich als Investor hier ordentlich Kohle hineinstecke, dann will ich natürlich auch, dass ich dieses mit entsprechender Rendite wieder bekomme, und nicht dass es für irgendwelche künstlerischen Experimente verwendet wird. Aus diesem Grund halte ich solche Big-Budget-Produktionen jetzt auch nicht für die perfekte Spielwiese, um sich ein Handwerk anzueignen. Perfekt hierfür waren die Produktionen von Roger Corman. Der hat dir $ 500.000,- in die Hand gedrückt, eine halbwegs erfahrene Crew zur Seite gestellt und du durftest quasi machen was du willst – sofern genügend Gewalt und Brüste vorkamen. Das war ein kreativer Schmelztiegel, der Größen wie Francis Ford Coppola, Martin Scorsese und James Cameron hervorgebracht hat.
Wichtig ist grundsätzlich nur, dass es zusätzlich zum etablierten Studiosystem auch Räume gibt, die mehr Kreativität zulassen und ich denke da stehen heute die Chancen besser als je zuvor.
Wie vergleichst du die Filmrezeption, muss ein Film gleich bei der Erstsichtung direkt überzeugen oder würdest du doch eher sagen, dass man einen Film erst im Laufe der Zeit zu schätzen lernt?
Theoretisch würde ich natürlich sagen, dass ein Film die Chance bekommen muss zu wachsen, zu reifen, aber in der Praxis sieht es bedingt durch Zeitmangel einfach anders aus. Wenn man sich etwas mehr mit Filmen beschäftigt oder dies gar (halb-)professionell macht, wird einem schnell klar, dass man nie im Leben alle Filme sehen wird können. Ich werde nicht einmal alle Horrorfilme je sehen können, geschweige denn alle mehrfach. Dementsprechend muss ich natürlich für mich entscheiden, welchen Film ich überhaupt sehen will und welche davon sogar mehrfach. Und das führt im Endeffekt dann eben dazu, dass Filme, die mir beim ersten Mal so gar nichts gegeben haben, wahrscheinlich auch keine zweite Chance bekommen – außer ich werde von etlichen Menschen dazu gedrängt.
Womit kannst du dich in der Hinsicht eher anfreunden und warum? Ein Film, den du nach der Erstsichtung grandios findest, der aber mit jeder weiteren Sichtung abnimmt oder ein Film, der von Sichtung zu Sichtung immer weiter wächst?
Hier stellt sich für mich die Frage, wo wir starten. Einen grandiosen Film, der immer etwas abnimmt, wird weiterhin ein sehr guter Film bleiben, auch wenn ich ihn sieben Mal gesehen habe. Ein furchtbarer Film wird beim wiederholten Sehen vielleicht weniger furchtbar, bleibt aber anstrengend.
Ganz allgemein spricht es natürlich für einen Film, wenn dieser das Potential hat zu wachsen. Ich nehme es Filmen aber auch nicht krumm, wenn sie den ersten Wow-Effekt nicht ewig halten können.
Kritik ist und bleibt immer subjektiv. Man kann ja aber trotzdem den Anspruch haben, ein wenig Objektivität miteinfließen zu lassen. Sollte da eher eine goldene Mitte gefunden werden oder spielt Objektivität keine so große Rolle?
Ich hatte da schon so manche Diskussion mit Kolleg:innen und Leser:innen, die die Ansicht vertreten haben, eine Filmkritik müsse objektiv sein. Das ist ein frommer Wunsch, aber natürlich komplett illusorisch. Selbst wenn ich nur einen kurzen Abriss des Inhalts schreibe, ist das schon subjektiv. Bei der Bewertung eines Films erst recht. Es gibt keine objektiven Maßstäbe, ob Kamera, Schnitt oder Soundtrack gelungen sind oder nicht. Wenn ich einen Stuhl kaufe, dann kann ich abmessen, ob alle Beine gleich lang sind. Das wäre objektiv. Sowas existiert bei Filmen schlicht nicht und den Eindruck erwecken zu wollen, man bewerte Filme als Kritiker:in objektiv, halte ich für albern.
Eine Kritik sollte im Stande sein, ein plastisches Bild zu vermitteln sowie darüber Auskunft geben, warum ein Film sehenswert ist oder nicht bzw. für wen der Film etwas sein könnte und für wen nicht.
Wie sieht deine Meinung generell über andere Kritiker aus? Was genau zertifiziert jemanden zu einem guten Kritiker und gibt es da Kanäle, die du gern verfolgst?
Ich glaube die Frage nach der Qualität beantworten nicht die Kolleg:innen, sondern die Leserschaft. Ich persönlich folge vor allem englischsprachigen YouTube-Channels wie z.B. Just Write, Lessons from the Screenplay, Nerdwriter1, Pop Culture Detective, Now You See It und einigen anderen. Das sind in erster Linie Video-Essays. In Bezug auf Reviews mag ich Emma von Spooy Astronauts sehr gerne. Im deutschsprachigen Raum habe ich die Virus abonniert, folge ein paar Leuten von uncut.at, Moviepilot oder Moviebreak.de auf Letterboxd sowie vielen anderen Kritiker:innen. Und im Horrorbereich lese ich natürlich regelmäßig einfach mal quer durch, um zu sehen, was gerade überall so abgeht.
Je nach Publikumserfolg reden die meisten Menschen immer nur über die relevantesten Filme oder die, die gerade „in“ sind. Wie siehst du das an, ist das ein Problem? Und was fallen dir für grandiose Neuproduktionen ein, bei denen du vermutest, dass diese wahrscheinlich nur die allerwenigsten kennen?
Nein, ich sehe das nicht als Problem, sondern eher als Herausforderung eben all jene Perlen ins Rampenlicht zu holen, denen viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Es gibt leider verdammt viele fantastische Neuproduktionen, die hierzulande kaum jemand kennt, weil sie im deutschsprachigen Raum nie erschienen sind. Der mexikanische Fantasy-Horror Tigers Are Not Afraid von Issa López ist einer der besten Filme der letzten Jahre, feierte seine Weltpremiere 2017 und eine deutsche Veröffentlichung ist nach wie vor nicht in Sicht. Wer keine Probleme mit Spanisch oder englischen Untertiteln hat, sollte sich aber auf jeden Fall einen Import besorgen.
Filme, die komplett unterm Radar fliegen, gibt es viel zu viele. Braid von Mitzi Peirone aus dem Jahre 2018 ist ein absolut herrlicher surrealer Ritt mit psychedelischer Farbpalette und extravaganter Kameraarbeit. Und selbst in Deutschland tut sich so einiges. Tore tanzt von Katrin Gebbe ist Terrorkino par excellence und Der Samurai von Till Kleinert ist wundervoll entrücktes Genrekino, das man unbedingt gesehen haben sollte. An innovativen Produktionen mangelt es wahrlich nicht.
Nachdem ich letztens Be Natural über die mutige Filmpionierin Alice Guy-Blaché geschaut habe, interessiere ich mich für Filme, die ihrer Zeit voraus sind und sich etwas trauen. Im Gespräch mit der Regisseurin habe ich gefragt, was sie persönlich zuletzt an mutigen Neuproduktionen gesehen hat. Ihre Antwort: Promising young woman. Wie ist das bei dir, auf welchen Film warst du zuletzt stolz, dass man sich da mal etwas Waghalsiges getraut hat?
Vorweg halte ich Promising young woman für einen der mutlosesten Filme der letzten Jahre, der versucht es wirklich allen recht zu machen. Was aber in erster Linie nicht Regisseurin Fennell anzulasten ist, sondern den das Drehbuch entschärfenden Eingriffen des Studios. Da waren etliche Exploitationfilme aus den 70er wesentlich mutiger im Umgang mit dem Thema.
Aber um auf deine Frage zurückzukommen, fand ich in den letzten Jahren durchaus einige Produktionen überaus mutig. The Wild Boys hat mich wirklich sehr beeindruckt, weil er einen absolut unerschrockenen Zugang zur Konstruktion von Geschlecht zeigt und sich dem in einem orgiastischen Fiebertraum voll und ganz hingibt. Auch The Wolf House ist mit das Beeindruckendste und Verstörendste, was ich seit Langem gesehen habe und in seiner Unzugänglichkeit sowie der Bearbeitung einer überaus düsteren Thematik als Gesamtwerk sehr mutig.
Für Leute, die schon mehrere tausend Filme gesehen haben und das Beste vom Besten kennen, was sind deiner Meinung nach gute Orientierungspunkte, um auf sehenswerte Filme zu stoßen?
Also wenn man immer wieder auf sehenswerte Horrorfilme gestoßen werden will, egal ob neu oder alt, liest man natürlich am besten unser Magazin. Aber ernsthaft, ich glaube Filmmagazine, Blogs, Podcasts, YouTube-Channels und Co. sind hervorragende Quellen, um auf neue Filme aufmerksam zu werden. Hier sind einfach Menschen am Werk, die viel Zeit, Energie und Liebe in das Medium Film investieren, sich unfassbar viel Blödsinn anschauen, um dann die wenigen Perlen empfehlen zu können.
Ansonsten sind Filmplattformen wie Moviepilot oder Letterboxd super praktisch, wo man eben durch den Austausch mit anderen Filmfans die Möglichkeit hat viele neue Filme kennen zu lernen und auch gleich über diese zu diskutieren. Das würde ich grundsätzlich allen empfehlen.
Was ist das schlimmste im Kino für dich – Trashfilme, die nächste deutsche Durchschnittskomödie oder doch etwas ganz anderes? Und sind alle gleichermaßen schlimm oder wie differenzierst du in der Hinsicht?
Andere Menschen, die sich im Kino nicht zu benehmen wissen.
Die von dir genannten Beispiele lassen mich da eher kalt, denn Filme, die mich sowieso nicht interessieren, schaue ich ja erst gar nicht im Kino. Wir haben da durchaus den Luxus, nicht über jeden Unsinn berichten zu müssen und hier sehr selektiv vorgehen zu können. Und da sind mir schlussendlich Filme, die mich aufregen sogar noch lieber als jene, die ich kurz nach dem Abspann wieder vergessen habe, weil sie einfach egal sind. Nichts ist schlimmer als Filme, die einfach nur egal sind.
Wie siehst du dich und deinen Kanal in zehn Jahren?
Darüber mache ich mir nicht wirklich Gedanken. Mir schwirren immer dutzende Ideen für Texte oder neue Formate im Kopf rum. Dazu kommen dann ja auch noch etliche Ideen aus dem Team, was wir alles als nächstes in Angriff nehmen könnten. Ich lasse das also alles auf mich zukommen und habe auch keinen Stress, dass das Magazin in zehn Jahren dieses oder jenes erreicht haben müsste.
Allein, was ich mir wünschen würde, ist, dass mein absolut wundervolles Team nach wie vor besteht und es immer noch ein paar Leute gibt, die unser Zeug lesen wollen.
Bei so vielen Durchschnittsfilmen, die jedes Jahr neu herauskommen, reicht das aus, um „am Ball zu bleiben“? Kurz gefragt: wie wird sich die Beziehung zum Kino generell für deine Person ändern?
Ich denke der Mix macht’s. Ein großer Fokus bei uns besteht ja ohnehin darin, einen Blick auf die facettenreiche Geschichte des Horrorfilms zu werfen und unseren Leser:innen eine Karte in die Hand zu drücken, anhand derer sie genau die Perlen finden, die zu ihnen passen. Daneben haben wir aber natürlich auch immer einen Blick auf aktuelle Entwicklungen im Genre. Bei der Vielzahl an hochqualitativen, innovativen Genre-Produktionen ist es ja gerade eine verdammt gute Zeit, um Horrorfan zu sein.
Vielen Dank für das tolle Gespräch!
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