Als René Goscinny eines Tages in einem Café seinem Freund Jean-Jacques Sempé über den Weg läuft, ist er ganz angetan von den Zeichnungen, die dieser auf dem Tisch vor sich ausgebreitet hat. Darauf ist ein Junge zu sehen. Einen Namen hat er in dem Moment noch nicht, außerdem keine Hintergrundgeschichte. Sempé tut sich ein wenig schwer damit, aus dem Bild des Jungen mehr zu machen. Goscinny springt ihm jedoch sofort hilfreich zur Seite. Schnell einigen sie sich auf den Namen Nicholas und schenken diesem eine Familie, eine Menge Freunde – und ein Mädchen, das es ihm besonders angetan hat. Was als einzelnes Bild begann, wird zu einer Erfolgsgeschichte …
Ein kleiner Klassiker
Mehr als 50 Jahre ist es inzwischen her, dass Goscinny und Sempé die Kinderbuch- und Comicreihe Le Petit Nicholas ersannen, die hierzulande unter dem eingedeutschten Titel Der kleine Nick veröffentlicht wurde. Und auch wenn, anders als etwa bei Goscinnys Asterix, der Nachschub an Geschichten früh endete und niemand sonst diese fortführte, bis heute sind der Junge und seine vielen Freunde Kult. Tatsächlich gab es in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Versuchen, die Popularität auch in bewegten Bildern fortzusetzen. So erschienen zum 50. Geburtstag von Nicholas neben einer Animationsserie auch der Spielfilm Der kleine Nick, der in Frankreich mehr als fünf Millionen Menschen in die Kinos lockte. 2014 folgte Der kleine Nick macht Ferien. 2021 kam ein weiterer Realfilm Der kleine Nick auf Schatzsuche, mit einer neuen Besetzung.
Der kleine Nick erzählt vom Glück nähert sich dem Phänomen auf zweifacher Weise an. Das Artwork des Films verspricht eine direkte Umsetzung der bekannten Geschichten als Animationsfilm. Anders als aber die oben genannte Serie hielt man sich dabei an die Original-Designs und griff auf die klassische Zeichentrickoptik zurück. Tatsächlich kommen die Bilder dem Original erstaunlich nahe. Wer mit den Büchern aufgewachsen ist, bekommt allein deshalb schon leuchtende Augen, wenn die bekannten Szenen plötzlich zum Leben erwachen, so als hätten Nicholas und die anderen nur darauf gewartet, dass sie endlich jemand freilässt. Und das in mehr als einer Hinsicht: Immer wieder bricht der Junge aus den Zeichnungen aus und interagiert mit seinen beiden Schöpfern.
Die Geschichte hinter den Geschichten
Denn das macht die zweite Hälfte des Films aus: Der kleine Nick erzählt vom Glück ist gleichzeitig Adaption einiger der beliebten Geschichten und Biografie von Goscinny und Sempé. Die anfängliche Szene, in der sich die beiden in einem Café begegnen, ist nur eine von vielen, in denen wir mehr über das Leben der beiden erfahren. Mal ist von der Kindheit der zwei die Rede, an anderer Stelle wird die berufliche Laufbahn beschrieben. Das Animationswerk dient also auch dazu, ein bisschen die Menschen hinter dem Jungen kennenzulernen. Klar, so richtig tief geht das hier nicht. Wenn ein Film über zwei Menschen geht und dieses Biografische von Comic-Szenen unterbrochen wird, kann man nicht viel erwarten. Hinzu kommt dass die Laufzeit mit nicht einmal anderthalb Stunden kurz ausgefallen ist.
Und doch ist es ganz interessant für ein Publikum, das Goscinny und Sempé bislang nur vom Namen her kannte, ein bisschen tiefer in die Materie einzusteigen. Es macht auch Spaß, die beiden zusammen zu sehen, wie sie anfangs brainstormen oder später ihre Freundschaft zelebrieren, die viele Jahre anhielt, auch über das Ende der Bücher hinaus. Doch der Dreh- und Angelpunkt von Der kleine Nick erzählt vom Glück bleiben natürlich die Original-Geschichten. Es gelingt dem Animationsfilm, der bei den Filmfestspielen von Cannes 2022 Premiere feierte, sehr schön, den Humor und die besondere Stimmung der Vorlage einzufangen.
Gute, fast zeitlose Unterhaltung
Ob Nicholas das erste Mal ein Mädchen kennenlernt und dabei die Waffen der Frauen im Einsatz sieht, der Ausflug in ein Camp ansteht oder auch die Großmutter sich in das Leben der Familie einmischt: Der Film hat einen Charme, der teils sehr nostalgisch ist, aber auch zeitlose Qualitäten hat. Selbst wenn einiges hier eindeutig ein Produkt der 1950er ist, darunter die Euphorie, einen ersten Fernseher zu bekommen, das Besondere an den Geschichten von Goscinny war immer, wie er die Welt aus Sicht von Kindern beschrieb und deren ganz eigene Logik anwandte. Und das funktioniert heute noch so gut wie damals, weshalb Der kleine Nick erzählt vom Glück sowohl einem erwachsenen wie einem jungen Publikum zu empfehlen ist. Es gelang den beiden, nur mit einem etwas überspitzt dargestellten, aber letztendlich ganz normalen Alltag für gute Unterhaltung zu sorgen.
OT: „Le Petit Nicolas: Qu’est-ce qu’on attend pour être heureux?“
Land: Frankreich, Luxemburg
Jahr: 2022
Regie: Amandine Fredon, Benjamin Massoubre
Drehbuch: Anne Goscinny, Michel Fessler
Vorlage: René Goscinny, Jean-Jacques Sempé
Musik: Ludovic Bource
Wer noch mehr über den Film erfahren möchte: Wir haben uns mit Regisseur Benjamin Massoubre unterhalten und ihn im Interview zur Arbeit an Der kleine Nick erzählt vom Glück befragt.
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
César | 2023 | Bester Animationsfilm | Nominiert |
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