Eigentlich hätte es ein Grund zum Feiern sein sollen, als der bekannte Schriftsteller Ludger Fuchs (Jörg Schüttauf) viele Jahre später seine Stasi-Akte erhält und diese der Familie zeigen darf. Dummerweise findet seine Frau Corinna (Margarita Broich) darin aber auch einen Brief, den eine andere ihrem liebsten Gatten geschrieben hat – zu einem Zeitpunkt, als sie schon liiert waren. Bedrängt von den vielen Fragen stapft Ludger daraufhin wutschnaubend los, um alles hinter sich zu lassen. Stattdessen kehren seine Gedanken an die Zeit zurück, als er als junger Mann (David Kross) von Oberstleutnant Siemens (Henry Hübchen) rekrutiert wurde, um einen besonders heiklen Auftrag zu übernehmen: Er soll sich bei einer Künstlerszene einschleichen, die mit ihrem Streben nach Freiheit der Stasi schon länger ein Dorn im Auge ist …
Rückkehr in die DDR-Vergangenheit
Zuletzt war es um Leander Haußmann recht still geworden. Sein Hai-Alarm am Müggelsee ging 2013 ziemlich unter. Das Pubertier – Der Film war an den Kinokassen zwar 2017 ein Erfolg. Doch das lag sicherlich mehr an der bekannten Vorlage als an dem Film an sich, der zudem zu offensichtlich eine reine Auftragsarbeit war. Gleiches galt für die Folge von Polizeiruf 110, die der Regisseur dazwischen gedreht hatte. Jahre später kehrt der Filmemacher nun in die Kinos zurück und nimmt sich dabei eines Themas an, das ihn in seinen Anfangsjahren berühmt gemacht hatte: die DDR. Sonnenallee über eine Gruppe Jugendlicher im Ost-Berlin der 1970er war 1999 ein sensationeller Erfolg, zog trotz fehlender Stars ein Millionenpublikum an. Er traf damit einen Nerv, den er in NVA (2005), seinem zweiten DDR-Film, deutlich verfehlte.
Dass Stasikomödie, mit dem er nun seine Trilogie vollmacht, kommerziell an die frühen Erfolge anschließen kann, das ist zwar ziemlich ausgeschlossen. Sonnenallee zeichnete sich eben auch als Generationenporträt aus und sprach vielen aus dem Herzen. Der neue Film ist sehr viel spezieller, hat nicht diese universelle Qualität seines Durchbruchs. Er ist auch deutlich überzogener, indem er sich kontinuierlich über die damalige Situation und die Menschen lustig macht. Viele der Figuren, die hier durch die Gegend laufen, sind nicht mehr als Karikaturen der groben Art. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob wir uns bei den spießigen Stasi-Spitzeln aufhalten oder uns in die Künstlerszene stürzen: Haußmann, der auch das Drehbuch geschrieben hat, zieht sie alle durch den Kakao. Gibt sie oft der Lächerlichkeit preis.
Zwischen Albernheit und Sentimentalität
Aber das muss ja nicht per se falsch sein. Tatsächlich gibt es in Stasikomödie immer wieder amüsante Szenen. Henry Hübchen beispielsweise nutzt jeden Auftritt, um als ungenierter bis widerwärtiger Oberstleutnant seine Dominanz zu demonstrieren. Er genießt diese Momente sichtlich und reißt damit immer wieder die Aufmerksamkeit an sich. Aber auch die Passagen, in denen sich Ludger und die anderen trotz mangelnder Erfahrung und überschaubaren Talents als Spione versuchen, sind für das eine oder andere Schmunzeln gut. An diesen Stellen rückt der Film immer mal wieder in die Nähe von Agentenparodien, sei es Mini-Max oder Johnny English – nur ohne deren Actionsequenzen. Wunderbar ist zudem der Einstieg, bei dem eine rote Ampel eine ganz entscheidende Rolle spielt.
Dennoch, auch wenn der Titel Stasikomödie darauf schließen lässt: Die Sache mit der Komik ist gar nicht so dominant, wie man denken könnte. Über weite Strecken interessiert sich Haußmann mehr für die amourösen Verwicklungen des Protagonisten, der auf einmal zwischen zwei Frauen steht: Natalie (Deleila Piasko) und Corinna (Antonia Bill). Damit einher gehen ganz allgemeine Überlegungen zu der Liebe. Kann es beispielsweise echte Gefühle geben, während man sich selbst für jemand anderen ausgibt? Und auch im Bereich Kunst zeigt sich der Film von einer nachdenklichen Seite, lädt das Publikum dazu ein, einige ganz grundsätzliche Überlegungen anzustellen. Ist der Einstieg des Films noch locker und albern, wandelt er sich mit der Zeit spürbar. Gerade zum Ende hin wird es überraschend emotional, wenn sich der Regisseur seiner sentimentalen Seite hingibt.
Schön und skurril
Das passt dann vielleicht nicht immer alles zusammen. Und doch ist Stasikomödie ein schöner Film geworden, der vielleicht keine Sensation ist, wohl aber eine Bereicherung für das deutsche Kino. Die stimmungsvolle Inszenierung, die immer ein wenig wie eine Theateraufführung wirkt, hilft zusammen mit dem bestens aufgelegten Ensemble, die eine oder andere Länge zu überstehen, wenn die Geschichte kein richtiges Ziel mehr vor Augen hat. Auch wenn Haußmann hier eine reale Zeit porträtiert: Man fühlt sich immer in einer Art Parallelwelt, in der es vor skurrilen Figuren nur so wimmelt. Dabei gelingt es, die im Grunde menschenverachtende Vorgehensweise der Stasi zu thematisieren, ohne sich dem Wehklagen zu ergeben oder ganz auf betroffen zu machen.
OT: „Stasikomödie“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Leander Haußmann
Drehbuch: Leander Haußmann
Musik: Malakoff Kowalski
Kamera: Michal Grabowski
Besetzung: David Kross, Henry Hübchen, Jörg Schüttauf, Antonia Bill, Matthias Mosbach, Deleila Piasko, Margarita Broich
Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir haben uns mit Hauptdarsteller David Kross im Interview über Stasikomödie ausgetauscht.
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)