Pete „Maverick“ Mitchell (Tom Cruise) ist eine absolute Legende: Wenn er im Cockpit eines Kampfflugzeugs sitzt, macht ihm so schnell niemand etwas vor. Eine große Karriere war ihm dennoch nie vergönnt, mehr als 30 Jahre später hat er noch immer den Rank eines Captains inne. Sein Hang zu halsbrecherischen Manövern und seine Abneigung gegenüber Befehlen ist daran nicht ganz unschuldig, wie er gern bei Testflügen demonstriert. Dass er auf Anweisung seines alten Freundes und Rivalen Iceman (Val Kilmer) noch einmal als Ausbilder arbeiten und eine Gruppe junger Piloten und Pilotinnen auf eine gefährliche Mission vorbereiten soll, passt ihm daher nicht so ganz. Vor allem als er sieht, dass auch Lt. Bradley „Rooster“ Bradshaw (Miles Teller) Teil dieser Gruppe ist, mit dem ihn eine lange Geschichte verbindet …
Ein Höhenflug mit Verspätung
Kommt er oder kommt er nicht? Eigentlich wurde bereits 2010 davon gesprochen, den Action-Blockbuster Top Gun aus dem Jahr 1986 fortzusetzen. Doch irgendwie schien das Projekt unter keinem guten Stern zu stehen. Regisseur Tony Scott, der den ersten Teil drehte, verstarb 2012, was die Planungen durcheinanderwirbelte. Auch sonst lief da einiges nicht so, wie es sollte. Und dann, als die Kampfflugzeuge endlich bereit waren, die Landebahn anzusteuern, kam noch einmal die Corona-Pandemie dazwischen. Jetzt ist diese zwar vorbei, zumindest in dem Maße, dass sich niemand mehr dafür interessiert. Dafür herrscht jetzt auf einmal mitten in Europa Krieg – keine gute Voraussetzung für einen Film, der seinerzeit die Heroisierung von Kampfpiloten vorantrieb. Von diesen Rahmenbedingungen ließ man sich aber nicht abhalten und bringt nun Top Gun: Maverick trotz allem in die Kinos. Man ist sogar so sehr von sich und seinem Werk überzeugt, dass der Actionstreifen bei den Filmfestspielen von Cannes 2022 gezeigt wird.
Ein cineastisches Meisterwerk sollte man aufgrund dieser Adelung zwar nicht erwarten. Dafür hat das hier dann doch zu viele Mängel in inhaltlicher Hinsicht. Tatsächlich ist Top Gun: Maverick aber besser, als man erwarten durfte. Er ist dem Original sogar in mehrfacher Hinsicht überlegen. Die äußerst fragwürdige Kriegsverherrlichung, bei der alles der Coolness geopfert wurde, ist hier zumindest reduziert. Dafür wird dieses Mal sogar wirklich um etwas gekämpft, das über Ruhm hinausgeht. Anlass der Geschichte ist eine tatsächliche Mission, der sich Maverick und seine junge Truppe stellen muss. Das bleibt alles zwar ein wenig schwammig, einen konkreten weltpolitischen Kontext gibt es nicht. Aber zumindest gibt es hier ein Ziel, anstatt wie beim ersten Teil lediglich die Figuren in Szene setzen zu wollen.
Figuren für die Tonne
Wobei lange Zeit noch immer die Figuren wichtiger sind als die Handlung. Das Ergebnis ist jedoch gemischt. Auf der einen Seite ist es irgendwie ganz schön zu sehen, wie da ein Generationenwechsel vorangetrieben wird und aus dem Teufelspiloten Maverick eine Art Mentor wird. Hinzu kommt, dass dieser noch immer unter dem Verlust von Goose leidet, was schon in Top Gun der große Wendepunkt war. Tom Cruise darf auf diese Weise daran erinnern, dass er tatsächlich früher mal schauspielerische Ambitionen hatte, bevor er sich später allein auf seine Actionkünste konzentrierte. Während bei ihm zumindest noch ein wenig charakterliche Substanz vorhanden ist, sind wie schon beim ersten Teil die Figuren reine Wegwerfware. Rooster wird ausschließlich durch den Verlust seines Vaters charakterisiert. Glen Powell (Deine Juliet) spielt den obligatorischen arroganten Antagonisten. Der Rest der Truppe ist einfach nur da, um den Anschein eines Teams zu wecken. Darüber hinaus hat das Drehbuch keine Verwendung für die Figuren.
Ohnehin: Inhaltlich darf man nicht wirklich viel erhoffen. Auch wenn die stärker zielorientierte Geschichte eine deutliche Verbesserung darstellt, ein wirkliches Argument ist sie nicht gerade, um sich ins Kino zu wagen. Ein Großteil folgt so stark Konventionen, dass man im Groben immer weiß, was alles passieren wird, eine letztendlich überflüssige Romanze inklusive. Überraschungen? Fehlanzeige. Zumal der Film ja auch noch ein paar Referenzen an den ersten Teil braucht, ohne Nostalgie geht heute nichts mehr. Im Film ist zwar von Mut die Rede, er selbst ist aber alles andere als mutig. Sämtliche Regelüberschreitungen folgen hier strengen Regeln. Und wenn sich Top Gun: Maverick doch mal von den plattgetretenen Bahnen löst und einen Erkundungsflug startet, wird es schnell albern. Gerade zum Ende hin muss die Frage gestattet sein, ob der Film das wirklich noch ernst meint oder nicht doch eine Komödie sein soll. Humor gibt es nämlich, überraschend oft sogar.
Sehenswerte Action
Trotz gelegentlicher Irritation ist der Film aber sehenswert. Ein Grund sind die Actionszenen, die tatsächlich dem Original alle Ehre machen und auch dank technologischer Fortschritte absurd halsbrecherische Momente ermöglichen. Der mit Abstand wichtigste Part stimmt also schon mal, Regisseur Joseph Kosinski (Oblivion) hat seine Aufgabe erfüllt. Sie finden dieses Mal auch in einem visuell abwechslungsreicheren Umfeld statt. Das bringt eine gewisse Willkürlichkeit mit sich, wenn irgendwie auf einmal jedes Setting möglich ist. Aber es ist spannend anzusehen. Und auch das gut aufgelegte Ensemble, allen voran natürlich Cruise selbst, für den das hier eine Herzensangelegenheit war, trägt dazu bei, dass man jede Menge Spaß haben darf. Wie beim Vorgänger sollte man dabei nach Möglichkeit erneut das Gehirn ein wenig auf Durchzug schalten. Wer dies kann oder von vornherein keine hohen Ansprüche hat, kann hier schon mal ein bisschen Sommer-Blockbuster-Feeling genießen und das Gefühl haben, es sei wieder alles wie früher.
OT: „Top Gun: Maverick“
Land: USA
Jahr: 2022
Regie: Joseph Kosinski
Drehbuch: Ehren Kruger, Eric Warren Singer, Christopher McQuarrie
Musik: Harold Faltermeyer, Lady Gaga, Hans Zimmer, Lorne Balfe
Kamera: Claudio Miranda
Besetzung: Tom Cruise, Miles Teller, Jennifer Connelly, Jon Hamm, Glen Powell, Lewis Pullman, Ed Harris, Val Kilmer
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