Eine Demokratie hat per Definition den Willen des Volkes zu repräsentieren, weshalb es naturgemäß nach einem gewissen zeitlichen Intervall zu Wahlen kommt, bei denen die Bürger eines Volkes ihre Vertreter wählen können. Insgesamt mag man, wie es beispielsweise Winston Churchill in einem berühmten Zitat einmal tat, sich fragen, ob gerade dieses System das richtige oder das perfekte sei. Doch letztlich hat es durchaus viele Vorteile, bedenkt man alleine die Rechte, die man mit ihm verbindet und für die viele unserer Vorfahren eingetreten sind und teils sogar mit ihrem Leben für bezahlt haben. Dennoch, wie man an aktuellen Themen wie der Pandemie oder dem Krieg in der Ukraine sieht, ist es auch ein zermürbendes System, bei dem Entscheidungen immer erst einer genauen Prüfung unterzogen werden müssen, was wiederum auf Seiten der Bürger für Unverständnis und Unmut sorgt, der sich in den eingangs genannten Wahlen durch eine entsprechende Stimmgebung oder eben eine Nichtbeteiligung kundtut.
Seit vielen Jahren schon haben sich besonders populistische Parteien wie die AfD solche Trends zunutze gemacht und konnten 2017 gar in den Deutschen Bundestag einziehen, was für ihre Anhänger naturgemäß eine Feuerstunde war und für ihre Kritiker das Ende der Demokratie und von Europa einläutete. Bei aller berechtigen Kritik an den Positionen ihrer Vertreter und Anhänger muss man sich dennoch fragen, ob es nicht gerade Sinn und Zweck einer Demokratie ist, solche Stimmen auszuhalten und ihnen entsprechend zu begegnen, mit jenen Mitteln des Diskurses, welche das System auszeichnen sollte.
Während bereits seit 2017 die Arbeit der AfD im Bundestag sehr ausführlich dokumentiert und kommentiert wurde, geht der deutsche Regisseur, Kameramann und Produzent Andreas Wilcke für seine Dokumentation Volksvertreter einen ganz eigenen Weg. Wie bereits in seiner Dokumentation Die Stadt als Beute, in der es um den Prozess der Gentrifizierung am Beispiel Berlins geht, begleitet Wilckes Kamera einen Prozess, in diesem Falle, wie die Partei im Bundestag ankommt, wie sie ihre neue Rolle definiert und wie sie zu einem Alltag kommt, der für Vertreter anderer Parteien bereits seit vielen Jahren gegeben ist. Der Film, der im Rahmen des diesjährigen DOK.fest München gezeigt wird, beobachtet anhand einiger Politiker der Partei, Norbert Kleinwächter, Enrico Komning, Götz Frömming und Armin-Paulus Hampel, wie dieser Prozess abläuft, begleitet die Herren zu Bundestagssitzungen wie auch zu Bürgerdialogen und nimmt dabei immer wieder interessante, vielsagenden Momente aus, die dem Zuschauer ein Bild davon vermitteln, wie die Partei ihre Arbeit nun versteht, da sie im Zentrum der Macht angekommen ist.
Mit Schmutz bewerfen als letztes Mittel
Es fängt alles an mit einer Aufnahme aus der Wahlnacht und einer Rede Alexander Gaulands an die jubelnden Anhänger, gefolgt von einer Collage von Aufnahmen, welche den Einzug der Abgeordneten der AfD in ihre neuen Berliner Büros zeigen und bereits diese ersten Momente nutzen, um sich für ihre Anhänger in Szene zu setzen. Jedes Wort muss jetzt abgewogen werden, geht durch viele Kanäle und wird eingeprobt, bis die Wirkung tatsächlich sitzt, sodass jemand wie Kleinwächter durchaus sehr lange mit einem kleinen Team über einen Betrag auf Twitter berät oder Frömming eine Vielzahl von Aufnahmen seiner Person erst einmal sichtet, bevor diese auf den sozialen Medien gepostet wird. Die Worte Gauland, man wolle nicht in „eine rechte Ecke“ gedrängt werden und müsse aufpassen, was und wie man etwas macht, erscheint wie ein Echo, wenn man diese Bilder sieht. Doch zugleich wird deutlich, wie groß der Spagat ist, der hier geleistet werden soll und nicht immer zu funktionieren scheint.
Während die Herren vor der Kamera nicht müde werden, Medien wie auch deren Verhältnis zur Politik zu kritisieren, wird eine solche Kritik im Falle von Wilckes Dokumentation schwerfallen. Volksvertreter begleitet die vier Politiker in verschiedenen Situationen, will einen Einblick vermitteln und zeigt dabei mehr als einmal sehr vielsagende Episoden, wenn beispielsweise Kleinwächter bei einem Vortrag mit Vertretern der Kreis- und Landesverbände auf verschiedene Strategien eingeht, wie man die politische Arbeit des Gegners kommentieren und stören kann, wobei „mit Schmutz bewerfen“ das letzte Mittel sei. Mehr als einmal bemerkt man auch Widersprüche, denn ein Politiker, der sich über die sozialen Medien darüber echauffiert, wegen einer Äußerung von Vertretern anderen Parteien kritisiert und gar angegriffen zu werden, erlaubt es sich an anderer Stelle, bei einem Bürgerdialog einen Andersdenkenden des Saales zu verweisen. Der Spagat zwischen dem, was man einfordert und was man letztlich praktiziert, scheint nicht immer möglich.
OT: „Volksvertreter“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Andreas Wilcke
Kamera: Andreas Wilcke
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