Belle
© Koch Films
„Belle“ // Deutschland-Start: 9. Juni 2022 (Kino) // 8. September 2022 (DVD/Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Als Suzu ein Kind war, musste sie mitansehen, wie ihre Mutter beim Versuch, ein anderes Kind aus einem Fluss zu retten, ertrank. Völlig traumatisiert durch diese Erfahrung verlor sie dadurch die Fähigkeit zu singen und entfremdete sich in den Folgejahren auch zunehmend von ihrem Vater. Nun ist sie 17 Jahre, lebt noch immer in einer ländlichen Gegend Japans, wo sie nur wenige Freunde und Freundinnen hat. Das ändert sich, als sie sich einem Vorschlag folgend bei der virtuellen Welt „U“ anmeldet, in der fünf Milliarden Menschen ihre Träume ausleben. Aus der schüchternen Schülerin wird so über Nacht ein umjubelter Star. Mehr noch, sie findet als Belle zudem zu ihrer Stimme zurück. Doch auch jemand anderes ist plötzlich in aller Munde: Ein seltsames Biest treibt neuerdings sein Unwesen und sorgt für Angst und Schrecken …

Nachschub von der Anime-Ikone

Neben Makoto Shinkai, der mit Your Name und Weathering With You – Das Mädchen, das die Sonne berührte weltweit die Kinocharts erklommen hat, gehört Mamoru Hosoda sicher zu den bekanntesten Anime-Regisseuren unserer Zeit. Nachdem er eine Reihe von Auftragsarbeiten erledigt hatte, darunter für die Hit-Franchises Digimon und One Piece, legte er 2006 mit Das Mädchen, das durch die Zeit sprang seinen ersten eigenen Film vor. Seither veröffentlicht er zuverlässig alle drei Jahre ein neues Werk. Die sind durch die Bank weg erfolgreich, wenngleich nicht ganz auf dem Level seines obigen Kollegen. Und auch die Kritiken sind immer wohlwollend. Zuletzt gab es für Mirai – Das Mädchen aus der Zukunft sogar eine Oscar-Nominierung – der erste Anime-Film außerhalb von Studio Ghibli, der es in die engere Auswahl geschafft hatte.

Die Spezialität von Hosoda sind dabei Geschichten um heranwachsende Protagonisten und Protagonistinnen, wobei das Szenario abwechselnd mit fantastischen Elementen und solchen aus dem Science-Fiction-Bereich erweitert werden. Bei Belle, dem inzwischen siebten Langfilm des Regisseurs und Drehbuchautors, ist es mal wieder die zweite Ausrichtung, die dominiert. Genauer wendet sich der japanische Filmemacher erneut dem Bereich der virtuellen Welten zu und erzählt, wie zahlreiche Menschen in diesen ein neues Zuhause finden. Das geht bei ihm mit einigen Ambivalenzen einher. Das Internet wird bei ihm zu einem zwiespältigen Ort, der vielen eine Freiheit gewährt, die sie woanders nicht haben. Die ihnen auch eine Möglichkeit der Kommunikation eröffnet, die sie aus ihrem regulären Leben nicht kennen.

Von großen Möglichkeiten, aber auch Gefahren

Hosoda begegnet dieser Welt mit einer sichtbaren Faszination und nimmt das Publikum mit in ein überbordendes Wunderland, dem augenscheinlich keine Grenzen gesetzt sind. Gleichzeitig sieht er aber auch die Gefahren, die einer solchen entfesselten Welt innewohnen. So können andere gnadenlos über einen herfallen, sollte ihnen der Sinn danach stehen. Der Antagonist des Films, wenn man ihn als solchen bezeichnen wollte, ist beispielsweise Anführer einer Gruppe, die für Recht und Ordnung sorgen will – um jeden Preis. Auch der Spott, den sich die Protagonistin anfangs für ihre Sommersprossen gefallen lassen muss, machen deutlich, dass trotz der vielen knallbunten Farben, die in der virtuellen Welt von Belle vorherrschen, einiges düster sein kann.

Der Film ist dabei aber nicht allein eine Auseinandersetzung mit einem Leben im Internet. Vielmehr kombiniert Hosoda eine ganze Reihe von Themen. So ist der Titel Belle eine Referenz an die Protagonistin aus Die Schöne und das Biest, ein Motiv, das im Film mehrfach aufgegriffen wird. Hinzu kommen noch die persönlichen Hintergrundgeschichten der beiden Hauptfiguren, die jeweils mit schmerzhaften Erfahrungen ringen. Auf diese Weise wirft der Regisseur alles Mögliche zusammen, schwankt zwischen Gesellschaftsporträt und Romanze, Coming-of-Age und Abenteuer, verbunden mit dem tiefen Glauben an die heilsame Verbindung zwischen Menschen. Hier ist alles möglich, im Guten wie im Schlechten. Grenzen sind dafür da überwunden zu werden.

Visuelles Wunderland

Das ist einerseits schon etwas überladen. Hosoda will so viel auf einmal erzählen, dass man irgendwann schon gar nicht mehr weiß, was denn nun überhaupt sein Thema ist. Und doch ist dieser Trip faszinierend, in mehrfacher Hinsicht. Inhaltlich wird viel Stoff geboten, über den man diskutieren kann, gerade auch ein jugendliches Publikum, das sich in dieser Selbstsuche finden darf. Und auch visuell ist Belle ein Geschenk an die Zuschauer und Zuschauerinnen: Das von ihm geschaffene Studio Chizu schöpft mal wieder aus dem Vollen und präsentiert selbst ein grenzüberschreitendes Werk, das klassischen Zeichentrick mit Computerextraganz kombiniert und damit ein ähnlich überbordendes Spektakel präsentiert. Auch wenn ein stärkerer Fokus vielleicht nicht schlecht gewesen wäre, reinschauen lohnt sich auf jeden Fall.

Credits

OT: „Ryū to Sobakasu no Hime“
Land: Japan
Jahr: 2021
Regie: Mamoru Hosoda
Drehbuch: Mamoru Hosoda
Musik: Ludvig Forssell, Yūta Bandō
Animation: Studio Chizu

Bilder

Trailer

Interview

Wer mehr über die Entstehung des Films erfahren möchte: Wir haben uns mit Regisseur Mamoru Hosoda im Interview über die Entstehung von Belle und seine Einstellung zum Internet unterhalten.

Mamoru Hosoda [Interview]

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Belle
Fazit
„Belle“ ist ein faszinierender Anime, der sich primär in einer virtuellen Welt aufhält, dabei aber nie die Menschen aus dem Blick verliert. Das ist inhaltlich wie visuell überbordend, wenn die unterschiedlichsten Themen in einem Rausch aus Farben und Animationstechniken vorbeischwirren.
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