Es ist ein freudiger Anlass: Nena (Dominique Sanda) hat Geburtstag! Und den möchte sie mit ihrer Familie feiern. Die lässt dann auch nicht lange bitten, sondern erscheint zahlreich. Ihr Mann Umberto (Carlo Cerciello), mit dem sie seit Jahrzehnten verheiratet ist, ist natürlich da. Ihr Sohn Vito (Leonardo Lidi) kommt mit seiner Frau Adelina (Alba Rohrwacher) und Enkelin Alma (Carolina Michelangeli). Und dann wäre da noch Nenas Tochter Caterina (Maya Sansa), die mit ihrem Ex Manfredi (Fabrizio Ferracane) und dessen neuer Flamme Joana (Tihana Lazović) anrückt. Selbst Großcousine Isabella (Yile Vianello) ist mit am Start, wenn es darum geht, mit der Familie zu essen. Dabei stehen bald ganz andere Themen auf dem Programm, wenn sie alle mit kleinen Geheimnissen im Gepäck vor der Tür stehen …
Ein Familienfest wie viele andere auch
So richtig groß ist die Filmografie von Laura Bispuri bislang ja nicht, gerade einmal drei Langfilme hat die italienische Regisseurin und Drehbuchautorin bislang gedreht. Drei Filme, die jeweils auf bedeutenden Festivals liefen, jedoch eher leise und unspektakulär sind, weshalb die große Masse von ihnen bislang wenig mitbekommen haben dürfte. Ihr Debüt Sworn Virgin war noch der auffälligste von ihnen, damals erzählte sie von einer Frau, die gegen das klassische Geschlechterbild rebellierte, indem sie ein keusches Leben als Mann führte. In Meine Tochter – Figlia Mia folgen wir einem Mädchen, das zwischen zwei Müttern steht – die eine biologisch, die andere hat sie aufgezogen. Auch in Das Pfauenparadies erzählt sie von familiären Banden und den Schwierigkeiten, die damit einhergehen können.
Der Anlass für die Zusammenführung ist wie so oft ein Familienfest. Viele Filme nutzen dieses Szenario, um auf diese Weise Leute aufeinanderprallen zu lassen, die eng miteinander verbunden sind, aber nicht so recht miteinander können. Das können Hochzeiten sein oder Beerdigungen. Hier ist es eben ein Geburtstag. Das Prinzip ist immer dasselbe: Anfangs ist die Freude noch groß. Später nehmen die Konflikte zu, wenn bedingt durch zu viel Nähe Themen ausgepackt werden, die man zuvor zu begraben versuchte. Beispiele für solche Eskalationen finden sich immer wieder, ob nun Das Fest oder Blackbird – Eine Familiengeschichte. Im Vergleich dazu sind Bispuri und ihre Co-Autorin Silvana Tamma jedoch recht gnädig. Die Streitigkeiten und Geheimnisse sind eine ganze Spur kleiner als bei vergleichbaren Filmen.
Gemeinsam verloren
Insgesamt ist das Drama, welches bei den Filmfestspielen von Venedig 2021 Premiere feierte, ein recht ruhiger Film, der lieber visuell arbeitet als mit Worten. Viele der Dialoge sind beiläufig, an der Grenze zum Banalen. Auch wenn der Titel Das Pfauenparadies das vermuten lässt, von Paradiesvögeln ist hier weit und breit nichts zu sehen. Mit Ausnahme des Pfaus natürlich, das Haustier von Vito, Adelina und Alma, das ganz selbstverständlich durch die Wohnung läuft, obwohl es dort nirgends reinpasst. Auch sonst wirken die Figuren oft ein wenig deplatziert, so als wüssten sie nicht so recht, was sie mit sich – oder einander – anfangen sollen. An einer Stelle etwa erhält Adelina das Kompliment von ihrer Schwiegermutter, sie sei so schön, was sie sichtlich überfordert. Mehr noch, sie wird später sagen, wie unvorteilhaft sie sich fühlt.
Das ist einer der wenigen Momente, in denen eine Figur tatsächlich sagt, was in ihr vorgeht. Die meiste Zeit über beschränken sie sich darauf, ein wenig herumzudrucksen, zum Teil auch wirklich zu verheimlichen, was Sache ist. Das Geheimnis von Nena wird beispielsweise schon früh angedeutet, bevor es dann später auf den Tisch kommt. Auch andere wollen nicht wirklich über das reden, was sie bewegt. Das Pfauenparadies handelt viel davon, wie Menschen kommunizieren – und wie sie nicht kommunizieren. Daraus leitet sich natürlich schon irgendwo eine Aufforderung ab, es besser zu machen und ein bisschen offener miteinander umzugehen. Das geschieht aber ohne erhobenen Zeigefinger oder kitschige Glückskekssprüchen. Wie so vieles wird auch das nur zwischen den Zeilen kommuniziert, ganz leise, sodass es fast niemand hört.
Klassisches Schauspielkino
Zu sehen gibt es dafür einiges. Auch wenn der Schauplatz nicht wirklich viel Abwechslung zulässt – ein Großteil des Films spielt innerhalb der Wohnung des alten Ehepaares –, so gibt es doch viele Details zu entdecken. Eingebettet sind diese in warme Farben, wobei das Ambiente mehr Frühherbst als Sommer ist. Und dann ist da natürlich der Pfau, der jedes Mal unweigerlich zum Blickfang wird, gerade weil er aus allem so hervorsticht. Sonderlich viel Handlung darf man hingegen bei Das Pfauenparadies nicht erwarten. Der Film ist klassisches Schauspielkino, getragen von einem Ensemble, das trotz der Störungen harmonisch zusammenzuspielen weiß und das den Figuren das nötige Leben einhaucht, in all seinen Facetten, all seinen Farben.
OT: „Il Paradiso del pavone“
Land: Italien, Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Laura Bispuri
Drehbuch: Silvana Tamma, Laura Bispuri
Musik: Nando Di Cosimo
Kamera: Vladan Radovic
Besetzung: Dominique Sanda, Alba Rohrwacher, Maya Sansa, Carlo Cerciello, Fabrizio Ferracane, Leonardo Lidi, Tihana Lazović, Yile Yara Vianello, Ludovica Alvazzi Del Frate, Carolina Michelangeli, Maddalena Crippa
Wie war es, mit einem so großen Ensemble zusammenzuarbeiten? Und warum hat die Familie eigentlich einen Pfau? Diese und andere Fragen haben wir Hauptdarstellerin Alba Rohrwacher in unserem Interview zu Das Pfauenparadies gestellt.
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