Für Sarah (Karen Gillan) bricht eine Welt zusammen, als sie die Diagnose der Ärztin hört. Sicher, sie hatte sich zuletzt nicht so wirklich wohl gefühlt. Aber dass sie an einer tödlichen Krankheit leiden soll, an der sie über kurz oder lang stirbt, das war in ihrem Lebensplan so nicht vorgesehen. Und so willigt sie dazu ein, dass ein perfekter Klon von ihr erstellt wird, der sie nach ihrem Tod ersetzen soll. Zu ihrer großen Überraschung hat sich das Thema Krankheit einige Zeit später wieder erledigt, aus unerklärlichen Gründen ist sie plötzlich geheilt. Eine freudige Nachricht eigentlich. Weniger freudig reagiert hingegen ihr Klon, der es sich inzwischen gemütlich gemacht hat in ihrem Leben und gar nicht einsieht, kampflos den Platz wieder zu räumen …
Geklonte Elemente neu aufbereitet
Drei Jahre ist es her, dass Riley Stearns mit The Art of Self-Defense auf ebenso originelle wie bissige Weise toxische Männlichkeit ins Visier nahm, indem er ein unscheinbares Opfer die geheime Kraft des Karates lernte. Mit Dual geht der Regisseur und Drehbuchautor nun einen ganz eigenen Weg, verlässt den Alltag für ein Science-Fiction-Szenario. Männer gibt es in seinem dritten Film auch nur am Rand: Im Mittelpunkt steht eine Frau, in doppelter Ausführung sogar. Und doch trägt auch das neueste Werk des US-Amerikaners unverwechselbar seine Handschrift, wenn er düstere Themen mit Humor aufgreift, körperlich wie emotional brutal sein kann, nur um darin das Absurde zu finden.
Das Szenario an sich klingt dabei gar nicht mal so wahnsinnig interessant. Ein schwerkranker Mensch, der sich durch eine neue, gesunde Variante ersetzen lassen soll, das haben wir in den letzten Jahren mehrfach gesehen. Schwanengesang machte daraus eine ruhige Reflexion über existenzielle und moralische Fragen. LX 2048 hingegen war ein kruder Mix aus Familiendrama und Überlebenskampf. Dual erinnert dabei schon an Letzteren, gerade auch im Hinblick auf die Frage, wie die Hinterbliebenen mit dem verbesserten Klon umgehen wollen und sollen. Es werden auch ähnlich viele Themen angeschnitten auf dem Weg zum Showdown. Stearns gelingt es jedoch deutlich besser, diese einzelnen Fäden zusammenzuführen und damit ein in sich geschlossenes Werk zu schaffen.
Ausweg aus einem unglücklichen Leben
Der Science-Fiction-Part ist dabei jedoch deutlich geringer. Dual erklärt weder, wie das mit dem Klonen eigentlich genau funktioniert. Noch hatte Stearns bei der Umsetzung Interesse daran, das Genre visuell zu würdigen. Wer nur die Bilder sieht, losgelöst vom Kontext, würde hier kein futuristischen Szenario vermuten. Der Film ist auch nicht der große Actionkracher, den man im Hinblick auf die Geschichte vermuten könnte. So beginnt der Film zwar mit einer Szene, in der sich ein Original und ein Klon gegenüberstehen und auf Leben und Tod kämpfen. Bei Sarah geht es jedoch gar nicht wirklich um diese große kämpferische Auseinandersetzung. Die Vorbereitung auf diese spielt schon eine bedeutende Rolle. Sie hat auch einige der komischsten Szenen zur Folge, nicht zuletzt dank Aaron Paul (Breaking Bad), der als ein Mentor und Trainer auftritt.
Inmitten dieser absurden, von schwarzem Humor begleiteten Szenen finden sich aber auch immer wieder sehr traurige. Wenn Sarah noch vor ihrem Tod langsam ersetzt wird und sie erkennen muss, wie austauschbar, geradezu überflüssig sie für andere ist, das ist schon bitter. Überhaupt ist Dual voll von traurigen und enttäuschten Menschen. Das Konzept des Klons dient hier nicht allein der Fortsetzung des Status Quos. Es geht auch darum: Was genau fängt man mit seinem Leben an? Wie kann ich ein besserer Mensch werden? Und was heißt das überhaupt, ein besserer Menschen? Zumindest metaphorisch bedeutet der Kampf eines Menschen gegen seinen eigenen Klon auch eine Form der Selbstoptimierung – mit positiven wie negativen Konsequenzen.
Kuriose Spiegel-Variante einer bekannten Welt
Das wird einem Teil des Publikums zu viel oder auch zu wenig sein. Stearns wirft mehr Fragen in den Raum, als er selbst beantworten möchte. Zugleich ist sein Film über weite Strecken recht ereignislos, zeigt uns eine emotionslose Welt, in der niemand mehr wirklich glücklich zu sein scheint. Wer sich aber auf diese etwas eigenartige Mischung aus schwarzer Komödie, existenziellem Drama und Science-Fiction-Thriller einlassen kann, der wird reichlich bedient. Der Genre-Mix, der auf dem Sundance Film Festival 2022 Premiere feierte und nun von einem Filmfest zum nächsten weitergereicht wird, nutzt bewährte Mittel und ist doch seltsam. Eine kuriose Spiegel-Variante, in der man mehr Vertrautes findet, als einem lieb sein kann und bei der am Ende Glück und Unglück kaum noch voneinander zu unterscheiden sind. Die einem auch einiges an Diskussionsstoff mitliefert, etwas zu Themen wie Identität und Selbstverwirklichung, ohne dabei zu verkopft zu werden.
OT: „Dual“
Land: USA, Finnland
Jahr: 2022
Regie: Riley Stearns
Drehbuch: Riley Stearns
Musik: Emma Ruth Rundle
Kamera: Michael Ragen
Besetzung: Karen Gillan, Aaron Paul, Beulah Koale, Maija Paunio
Sundance Film Festival 2022
Filmfest München 2022
NIFFF 2022
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