Als der 14-jährige Marco (Luboš Oláh) bei seiner Einreise in Dänemark aufgegriffen wird, staunt die Polizei nicht schlecht. Schließlich hat der Jugendliche den Reisepass eines Mannes bei sich, der vor vielen Jahren verschwunden ist. Kommissar Carl Mørck (Ulrich Thomsen) und sein Partner Assad (Zaki Youssef) vom Sonderdezernat Q der Mordkommission Kopenhagen nehmen daraufhin die Ermittlungen wieder auf, nachdem der Fall eigentlich längst zu den Akten gelegt worden war. Vielleicht erfahren sie auf diese Weise doch noch, was seinerzeit mit dem Vermissten geschehen ist. Dabei realisieren sie bald, dass an der Geschichte noch deutlich mehr dran sein muss und es sich hier nur um die Spitze des Eisbergs handelt …
Ein unerwarteter Neustart
Es dürften nicht wenige gestaunt haben, als Erwartung – Der Marco-Effekt angekündigt wurde. Zum einen war gar nicht klar, dass es nach Erbarmen, Schändung, Erlösung und Verachtung einen weiteren Film rund um Carl Mørck und sein Sonderdezernat Q geben würde. Zudem gibt es beim Ensemble einen kompletten Neustart. Wer die bisherigen Filme auch der Schauspieler und Schauspielerinnen wegen geschaut hat, muss sich auf einmal an komplett neue Gesichter gewöhnen. Überraschend ist dabei auch, dass Nikolaj Lie Kaas durch Ulrich Thomsen ersetzt wurde. Üblicherweise wird bei einem Neustart die Besetzung verjüngt, auch im Hinblick auf weitere Filme, die noch folgen könnten. Stattdessen ist der neue Hauptdarsteller zehn Jahre älter.
Damit verbunden ist auch eine charakterliche Veränderung. Mørck war natürlich vorher schon nicht unbedingt der Sunny Boy, der mit seiner guten Laune alle ansteckt. Schließlich ist er Skandinavier. Und die sind zumindest in nordischen Thrillern immer mürrisch, ein wenig kaputt mit selbstzerstörerischen Neigungen. Wo man bei den ersten vier Filmen aber zumindest noch den Eindruck haben konnte, es mit einem guten Menschen zu tun zu haben, da legte man es bei Erwartung – Der Marco-Effekt ganz offensichtlich darauf an, auch noch die letzten Leute zu vergraulen, die es in seiner Nähe aushalten. Gerade bei seinem Umgang mit Zeugen oder Verdächtigen definiert er die Konstellation Good-Cop-Bad-Cop noch einmal ganz neu. Das wird irgendwann so schlimm, dass man instinktiv alle anderen anfeuern möchte, gleichgültig ob diese nun Verbrecher sind oder nicht.
Düster, aber wenig spannend
Dass dies derart negativ auffällt, liegt aber auch daran, dass der Rest des Polizeiapparats so blass und passiv bleibt. Da fehlt in Erwartung – Der Marco-Effekt einfach weit und breit jemand, der als Gegenstück funktionieren würde. Zwischendurch darf Assad (Zaki Youssef) zwar versuchen, seinen außer Kontrolle geratenen Kollegen einzufangen. Aber das bleibt zaghaft bis lieblos. Die Vorgänger waren in der Hinsicht deutlich gelungener: Es war gerade die Dynamik zwischen den beiden Figuren, die zu den Stärken der Filme gehörten und damit über den Inhalt hinwegtrösteten, wenn der mal wieder schwächelte. Das kam häufiger vor, die Adaptionen der Romanreihe von Jussi Adler-Olsen ließ gerne mal Spannung vermissen.
Das ist bei Regisseur und Co-Autor Martin Zandvliet (The Outsider, Unter dem Sand – Das Versprechen der Freiheit), der dieses Mal die Aufgabe der Verfilmung annahm, leider nicht anders. Bei ihm kommt noch hinzu, dass die Geschichte recht verworren geraten ist. Was in Buchform noch funktionieren mag, wird hier zu einem Wust aus Strängen und Figuren, bei dem man irgendwann den Überblick verliert – und auch die Lust. Das bedeutet nicht, dass der Film schlecht ist. Die Atmosphäre ist schön düster geworden und Thomsens Darstellung, so unangenehm sie ohne Zweifel ist, hinterlässt schon Eindruck. Dennoch: Es hätte nach den vorherigen Teilen nicht unbedingt einen neuen gebraucht. Und wenn, dann hätte der gern etwas packender sein dürfen, als es Erwartung – Der Marco-Effekt ist.
OT: „Marco effekten“
Land: Dänemark, Tschechische Republik
Jahr: 2021
Regie: Martin Zandvliet
Drehbuch: Anders Frithiof August, Thomas Porsager, Martin Zandvlie
Vorlage: Jussi Adler-Olsen
Musik: Sune Martin
Kamera: Aske Alexander Foss
Besetzung: Ulrich Thomsen, Zaki Youssef, Sofie Torp, Henrik Noèl Olesen, Anders Matthesen, Lisa Carlehed, Luboš Oláh
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